Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Zweiter WeltkriegZum Schluss noch 1000 sinnlose Tote

5 min

Oberberg – Das Ende begann in Morsbach. Über die Brücke von Remagen, die einzige Verbindung ins Rechtsrheinische, deren Zerstörung den abziehenden deutschen Truppen nicht gelungen war, rückten die US-Truppen ab dem 7. März 1945 nach Norden vor. Ihr Ziel: Die Heeresgruppe B unter dem Kommando von Generalfeldmarschall Model im Ruhrgebiet einkesseln.

Die 78. US-Infanteriedivision sollte das Oberbergische erobern. Generalmajor E. P. Parker jun. wurde angewiesen, mit seiner Division „das Bergland bis zur Wupper zu überwinden und dabei den Agger-River auf breiter Front zu überschreiten“.

Schon seit Februar 1945 war das Oberbergische vom Rückzugsgebiet der Wehrmacht immer mehr zum Kriegsschauplatz geworden. Gezielte Bombardierungen vor allem der als strategisch wichtig geltenden Eisenbahnlinie durchs Aggertal forderten Opfer. Zwei Luftangriffe verwüsteten im März Engelskirchen. Allein der Beschuss eines aus 50 Waggons bestehenden Munitionszuges forderte am 19. März mehr als 220 Tote. In Gummersbach kamen 75 Menschen bei Luftangriffen ums Leben. In Bergneustadt allein 40, als das Krankenhaus bombardiert wurde. Insgesamt, schätzt der Gummersbacher Stadt- und Kreisarchivar Gerd Pomykaj, kamen in den letzten Kriegstagen in Oberberg 1000 Menschen ums Leben.

Die Einnahme Oberbergs begann am Morgen des 8. April, einem sonnigen Frühlingstag, mit dem Angriff auf Morsbach. Der Widerstand der deutschen Truppen beschränkte sich auf einige kleinere Scharmützel; lediglich am westlichen Ortsrand gab es ein kurzes, aber heftiges Gefecht, bei dem zehn Wehrmachtssoldaten umkamen und weitere zehn in Gefangenschaft gerieten. Bereits am Mittag war der Ort Morsbach in amerikanischer Hand, am Abend dann fast das ganze Gemeindegebiet.

Am 9. April wurde Denklingen übergeben. Bei Kämpfen um Brüchermühle geriet der spätere Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll in US- Gefangenschaft. Nach der Besetzung Nümbrechts am 10. April rückten die US-Truppen weiter auf Wiehl und Gummersbach vor. Wiehl wurde kampflos eingenommen, in Außenorten gab es aber vereinzelte Gefechte. Die deutschen Truppen, längst ausgemergelt und zumeist demotiviert, sowie schlecht ausgerüstete Volkssturm-Leute waren den technisch exzellent ausgerüsteten und gut ernährten Amerikanern hoffnungslos unterlegen. Viele wünschten sich das Ende des Krieges herbei.

Aber Hitler hatte Anfang April das Ruhrgebiet zur Festung erklärt, die Rücknahme der Front war strikt untersagt. Zahlreiche deutsche Kommandeure gehorchten und räumten ihre Stellungen sehr spät oder ergaben sich erst nach blutigen Gefechten. Ein Hauptmann Kanski gehörte zu den besonders Uneinsichtigen: Obwohl seine Einheit auf einer Anhöhe bei Drabenderhöhe am 11. und 12. April bereits eingeschlossen war und der Kampf schon zahlreiche Opfer auf beiden Seiten gefordert hatte, konnte das Gefecht erst beendet werden, als Kanski schwer verwundet wurde. Sein Starrsinn kostete 24 deutschen Soldaten und drei Zivilisten das Leben.

Auch Oberberg sollte zur Festung ausgebaut werden, hatte der Kölner Regierungspräsident Reeder Anfang April angeordnet; seine Behörde hatte ihren Sitz bereits vor der herannahenden Front nach Gummersbach verlegt. Bei einem Rückzug sollten Strom- und Wasserwerke sowie Brücken gesprengt werden, um dem Feind nicht in die Hände zu fallen. Die Sprengung der Mauer der Aggertalsperre und des Kreiselektrizitätswerkes waren vorbereitet. Nur mit Mühe konnte Reeder, der schon auf der Flucht Richtung Wipperfürth war, am 11. April davon überzeugt werden, die Sprengung nicht anzuordnen. Am selben Tag besetzten die US-Truppen das Aggertal und rückten auf Gummersbach vor.

Vorbereitet wurde die Einnahme durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss. Es kam zum Beispiel in Mühlenseßmar noch zu heftigen Gefechten mit sieben Toten. Als die US-Truppen die Innenstadt erreicht hatten, ergaben sich vor dem Rathaus postierte und mit Panzerfäusten ausgerüstete Polizeikräfte angesichts der Übermacht ebenso kampflos wie am Grotenbachteich verschanzte Volksturmmänner. Kurz vor 16 Uhr verließ Bürgermeister Wilhelm Mackh den Bunker im Hexenbusch gemeinsam mit seiner Tochter, weil diese in der Schule Englisch gelernt hatte. Beide trugen weiße Fahnen. In Höhe des heutigen C&A-Kaufhauses übergab Mackh Gummersbach an den US-Captain Humphrey und bat darum, die Bevölkerung zu verschonen.

Von Gummersbach aus setzten die amerikanischen Verbände ihren Vormarsch unaufhaltsam nach Norden fort. Am 12. April fiel Marienheide, einen Tag später Wipperfürth. Zum Glück für die Bevölkerung hatten sich die meisten Nazi-Größen zu diesem Zeitpunkt schon aus dem Staub gemacht. Hätten sie noch das Sagen gehabt, wäre die Zahl der Opfer in den letzten Kriegstagen wohl noch höher gewesen.

Die Amerikaner kündigten ihr Vorgehen vor jeder Eroberung eines Ortes mit aus der Luft abgeworfenen Flugblättern an: Hängen weiße Fahnen in den Fenstern, erfolgt ein kampfloser Einmarsch. Ohne weiße Tücher als Zeichen der widerstandsloser Aufgabe erfolgt Beschuss. Als im kleinen Ort Piene ein US-Offizier trotz weißer Fahnen erschossen wurde, legten die Truppen den Ort in Schutt und Asche. Die Bewohner durften ihre Häuser zuvor verlassen.

Auch Radevormwald kam der sinnlose Widerstand teuer zu stehen. In letzter Minute wurde der Stadtkern durch Artilleriebeschuss am 14. April zerstört. Mit der anschließenden Übergabe der Stadt waren die Kampfhandlungen in Oberberg vorbei. Drei Wochen vor der offiziellen Kapitulation des Deutschen Reiches war der Krieg hier zu Ende.

In den Folgetagen zogen die Alliierten ihren Ring um das Ruhrgebiet immer enger. Die dort eingeschlossenen Truppen ergaben sich am 18. April 1945, drei Tage später nahm sich Generalfeldmarschall Model das Leben.

Diesem Bericht liegen Angaben folgender Veröffentlichungen zugrunde: Gerhard Pomykaj, Volker Dick: Oberbergische Geschichte Bd.3; Dieter Lange: Kriegsende in Oberberg; Tieke, Wilhelm: Nach der Stunde Null; Archiv Christoph Buchen