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Alexander von CubeFremd werden im eigenen Leben

Lesezeit 4 Minuten

„Wir beide schaffen das zusammen“: Alexander von Cube und Katja Röhse von Cube wollen der Krankheit ins Auge sehen und nichts vertuschen. Deshalb gehen der Journalist und die Politikerin an die Öffentlichkeit.

Overath – „Du warst für mich immer wie eine Universität.“ Wenn Katja Röhse-von Cube diesen Satz an ihren Mann richtet, bekommt sie feuchte Augen. Alexander von Cube ist einer der großen Wissenschaftsjournalisten des WDR- Fernsehens, baute in den 70er Jahren die Abteilung Wissenschaft auf, erfand „Bilder der Wissenschaft“ und das kluge Quiz „Kopf um Kopf“, saß im Rundfunkrat. Ein politischer Denker. Ein brillanter Streiter im Dienst der Erkenntnis.

Jetzt sitzt Alexander von Cube auf dem Sofa im Wohnzimmer seines Hauses in Overath und sagt: „Das weiß man gar nicht mehr, was man so alles gemacht hat. Mein Kopf ist nicht mehr das, was er mal war. Das macht mich fertig.“ Der 85-Jährige ist an Alzheimer-Demenz erkrankt. Vor vier Jahren begann seine Reise in die andere, die fremde Welt. „Das Leben zieht sich zurück“, nennt er das.

Alexander von Cube ist in jener Phase der Demenz-Erkrankung, die wohl die bitterste ist. Er merkt, was mit ihm passiert. Und er geht in die Offensive. „Es gibt viele, die verstecken sich.“ Aber er ist Journalist. Er hat Bücher gegen die Atomkraft geschrieben. Er möchte auch jetzt aufklären. Und so beschreibt er seine Gefühle mit bemerkenswerter Offenheit und Präzision. „Es fing damit an, dass ich keine Diskussionen mehr leiten konnte. Dann kollidierte ich mit den Menschen. Es ist schlimm, wenn man sich nicht mehr erinnern kann, und fast noch schlimmer, wenn man sich falsch erinnert.“

„Am Anfang habe ich ihm natürlich widersprochen“, schildert Katja Röhse ihre Erfahrungen. „Du irrst dich, habe ich gerufen, oder Das habe ich dir doch schon zehn Mal gesagt.“ Heute sagt sie es zum elften Mal: „Zuerst hat mich das genervt. Aber so ist die Krankheit, das muss man akzeptieren. Streiten bringt nur Ärger.“ „Nein, Schimpanse, wir streiten nicht“, wiederholt der Ehemann und streicht liebevoll über ihren Rücken.

„Wir stehen das gemeinsam durch.“ Dazu ist auch Katja Röhse fest entschlossen, obwohl selbst Freunde ihr manchmal Angst machen: „Es wird viel schlimmer, prophezeihen sie mir, das finde ich unmöglich“, empört sich die engagierte SPD-Politikerin und Gewerkschafterin, die seit über 40 Jahren mit von Cube lebt. Tief drinnen weiß sie, dass es so sein wird. Aber im Moment kann Alexander noch ganz gut mitdiskutieren, wenn er sie begleitet auf ihre Veranstaltungen, die sie als Frauenbeauftragte der SPD in Rhein-Berg besucht oder gestaltet. Im Moment kann er den Winter in der Finca auf Mallorca noch genießen. Nur das zählt.

Oft sagen Außenstehende: „Man merkt ja kaum etwas.“ In anregender Gesellschaft ist der Journalist charmant, schlagfertig, unterhaltsam. Sprichwörter und alte Anekdoten hat er parat. Wenn seine Frau temperamentvoll von ihren früheren Kämpfen als WDR-Personalrätin erzählt, scherzt er: „Höfer (Werner Höfer, damaliger WDR-Programmdirektor, d. Red.) sagte immer: Meine kleine Kämpferin für Recht und Freiheit.“ Aber er sagt es nicht einmal, sondern immer wieder.

Dass er sich nicht mehr selbst rasieren und ankleiden kann, mag man so recht kaum glauben. Ohne Katja wird er unsicher und ängstlich. Er kann nicht mehr lesen und schreiben. Er erkennt viele Bekannte nicht mehr. Aber dann sagt er druckreife Sätze wie: „Es ist für den anderen eine ungeheure Umstellung, mit jemandem zu tun zu haben, der nicht mehr mitkriegt, was läuft.“ Oder: „Der Verfall frisst mich auf. Es ist schwer, hinter sich selbst zurückzufallen. Fremd zu werden im eigenen Leben, ist grausam.“ Eine „mühsame Kiste“, lästert von Cube kurz darauf über seine Krankheit, „kann ich keinem empfehlen“. Schon im Fernsehen war er berühmt für seine lockere Art, mit schweren Themen umzugehen. Aber die Angst, „verrückt zu werden“, ist mit Händen zu greifen. Dass Alexander von Cube dennoch seine Heiterkeit stets wiederfindet, hat er seiner Frau zu verdanken. Die langjährige Overather Ratsfrau, seit über 60 Jahren SPD-Mitglied, ist immer noch als sachkundige Bürgerin aktiv und bei der AG 60 plus. „Das lasse ich mir nicht nehmen“, sagt sie energisch, überlegt aber immerhin, mit 80 aufzuhören.

Die politische Arbeit hält sie jung und wach, ohne Punkt und Komma kann sie über gesellschaftliche Missstände reden, über die Frauen und die Alten. Sie weiß die Vergangenheit von Vorwärts und WDR, kennt die Namen der Mitstreiter und die Themen der Debatten, die auch ihr Mann früher so leidenschaftlich geführt hat.

Sie ist der Anker in seine versinkende Welt, und mit ihrer Hilfe birgt Alexander von Cube die Schätze seines Geistes, die übrig sind. „Ich habe es gut“, sagt er und nimmt Katjas Hand. „Ich habe dich, mein Schimpanse.“ Dass dies das Kosewort für seine geliebte Gefährtin ist, das wird er wohl noch lange nicht vergessen.