Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Zweite Instanz verloren90-jährige Gladbacherin fürchtet, wieder in Haus eingesperrt zu sein

Lesezeit 4 Minuten
Ein kleines Haus steht am Ende eines kleinen Weges, der durch einen idyllischen Garten führt.

Trügerische Idylle: Wahrscheinlich ist dieses Grundstück bald nur noch über einen Trampelpfad durch den Wald zu erreichen.

Irmintraut Fuchs erhält kein Wegerecht, weil ihr Haus ein Schwarzbau ist. Macht der Nachbar dicht, bleibt nur ein Trampelpfad durch den Wald.

Alles scheint verloren. Irmintraut Fuchs sitzt an ihrem Küchentisch. Vor sich ein paar Zettel, eine Kladde mit Papieren. Dabei gibt es noch nichts Schriftliches. Aber ihr Anwalt hat ihr telefonisch mitgeteilt, dass sie auch in zweiter Instanz, dem Berufungsverfahren, verloren habe. Das mündliche Verfahren fand vor gut einer Woche vor dem Oberlandesgericht Köln statt.

Der Anwalt von Frau Fuchs sagt im Gespräch mit dieser Zeitung, die schriftliche Urteilsverkündung komme am 27. Juni. Aber die Sache sei klar: Der Nachbar hat das Recht, den Weg zum Haus von Frau Fuchs abzusperren - und damit wäre die Situation wieder so wie im Dezember 2024: Irmintraud Fuchs wäre wieder in ihrem Haus - in dem sie seit Jahrzehnten wohnt - praktisch eingesperrt.

Für das Haus liegt keine Baugenehmigung vor

Der Fall erregte viel Aufmerksamkeit über Bergisch Gladbach hinaus. Die Herzen flogen Irmintraut Fuchs zu. Der Grundtenor war: Das geht doch nicht, dass ein Gericht erlaubt, eine 90 Jahre alte Frau in ihrem Haus einzusperren. Was soll man sagen? Doch, das geht.

Hier die Grundsituation: Irmintraud Fuchs wohnt in einem Haus im Bergischen, für das keine Baugenehmigung vorliegt. Es ist ein Schwarzbau. Das ist so und daran ändert auch keine Duldung durch das zuständige Bauamt in Bergisch Gladbach etwas. Es hilft auch nichts, dass das Haus von Frau Fuchs schon gestanden hat, als das Haus des Nachbarn noch gar nicht gebaut war.

Sperrt der Nachbar den Weg, bleibt der 90-Jährigen nur ein Trampelpfad durch den Wald

Auch die Tatsache, dass der strittige Weg seit Jahrzehnten existiert und von allen Parteien genutzt wurde, ändert vor Gericht nichts an dem Grundtatbestand: Für einen Schwarzbau gibt es kein Recht, das einen Dritten dazu zwingt, über sein Eigentum den Schwarzbau zu erschließen. Erschlossen wird das Haus von Frau Fuchs über einen Weg, der zum Teil über das Grundstück eines Nachbarn führt. Besagter Nachbar will Frau Fuchs - und allen, die über die Straße zu ihr wollen - die Durchfahrt untersagen.

Faktisch gibt es keine andere Zuwegung. Es gibt einen steilen Trampelpfad durch den Wald. Für Irmintraut Fuchs keine Möglichkeit, ihr Haus zu verlassen. Sie könnte dann noch über die Hecke ihrer Nachbarin klettern und über deren Grundstück auf die Straße gelangen. Realistisch gesehen für die 90-Jährige auch keine Möglichkeit.

Kein Notwegerecht und formale Hindernisse

Vor Gericht war diese Zuwegung auch ein Thema. Vereinfacht gesagt argumentiert der Anwalt des Nachbarn, es gebe sehr wohl eine Möglichkeit, einen Weg zu dem Haus zu bauen. Aber das ist im Grunde ein Nebenkriegsschauplatz. Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens ist die Frage, ob ein Haus ohne Baugenehmigung über das Notwegerecht gegen den Willen des Nachbarn und über dessen Grundstück erschlossen werden kann. Das wurde in erster Instanz klar verneint und das Kölner Oberlandesgericht folgt wohl dieser Einschätzung.

Aber noch aus einem anderen Grund war die Ausgangssituation wohl aussichtslos. Denn die 90-Jährige ging allein in die Berufung. Ihre Schwägerin, Miteigentümerin, ging nicht in die Berufung. Die Gründe sind nicht klar. Die beiden Frauen sprechen nicht miteinander. Wohl schon aus formalen Gründen wird das Oberlandesgericht die Berufung ablehnen.

Die Nutzung des Weges könnte als Hausfriedensbruch gelten

Allerdings müssen den Richtern auch die Konsequenzen des Urteils klar sein. In der Erwiderung der Berufungsbegründung heißt es: „Die Beklagte mag sich darauf einrichten, dass der Kläger nach Zurückweisung der Berufung (...) sein Eigentum wie vor mehr als fünf Jahren angekündigt gegen weitere rechtswidrige Benutzung sichern und Zuwiderhandlungen auch strafrechtlich als Hausfriedensbruch verfolgt wird.“

Eine ältere Frau sitzt an einem Esstisch und blickt traurig in die Kamera.

Irmintraud Fuchs ist über ihre Lage verzweifelt.

Der Weg wird nach Urteilsverkündung also gesperrt werden und Irmintraut Fuchs wird nicht mehr in ihrem Haus leben können. Klipp und klar heißt es in der Erwiderung auch, dass „moralische Bewertungen“ in dem Gerichtsverfahren nichts zu suchen hätten. Es sei der Sinn des in der Verfassung verankerten Eigentumsrechts, dass Eigentümer ihren Besitz nutzen können, „wie es ihnen beliebt“.

Eine Mediation zwischen den Parteien scheint aussichtslos

Auch medialer Druck werde den Kläger nicht beeindrucken. „Entschieden“ wird der Behauptung widersprochen, es ginge dem Kläger nur darum, den Nachbarn zu schaden. Ein Verstoß gegen das Schikaneverbot sei nicht gegeben.

Der Anwalt von Frau Fuchs sagt im Gespräch mit dieser Zeitung, dass die Einschätzung und das zu erwartende schriftliche Urteil des Oberlandesgerichts „juristisch sicher in Ordnung sei“. Der weitere Weg durch die Instanzen - also zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe - aussichtslos. Aber sein Vorschlag einer Mediation scheint angesichts der Tonalität des Anwalts der Gegenseite und der tatsächlichen Faktenlage ebenfalls aussichtslos. Der Anwalt reagiert auf eine schriftliche Anfrage dieser Zeitung jedenfalls nicht.

Irmintraut Fuchs hat Angst, wieder in ihrem Haus eingesperrt zu werden

Irmintraut Fuchs sitzt mit ihrem Sohn in ihrer Küche. Der in dem Verfahren auch eine Rolle spielt, denn eine Auseinandersetzung mit dem Nachbarn ist bei Gericht aktenkundig. „Wenn ich wieder eingesperrt werde, dann bringe ich mich um“, sagt sie. Solch ein veröffentlichter Satz ist es wohl, der vom Anwalt des Nachbarn als „medialer Druck“ verstanden wird.

Schon nach dem ersten Bericht in dieser Zeitung meldeten sich Privatpersonen, die Irmintraud Fuchs finanziell helfen wollten. Junge Leute in der Nachbarschaft dachten über Demonstrationen nach. Vielleicht ist doch noch nicht alles verloren.