Drogen und Alkohol prägten das Leben des Angeklagten, der in einer Obdachlosenunterkunft einen schlafenden Mann verprügelte.
Prozess vorm Bensberger AmtsgerichtFitness-Influencer schlägt schlafendes Opfer krankenhausreif

Zu weiteren Straftaten des Angeklagten zählen Drogenbesitz, Drohungen und Diebstahl. (Symbolbild)
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Der junge Mann, der im Bensberger Amtsgericht von den Justizbeamten in den Gerichtssaal geführt wurde, wirkte verunsichert und in sich gekehrt. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Anklagepunkte verlesen hatte, berichtete er, nach Absprache mit seinem Verteidiger, von diesen Taten. An vieles erinnerte er sich sehr genau, dennoch bemerkte er an vielen Stellen der Verhandlung, dass er sich aufgrund seines Drogenkonsums nicht vollständig erinnern konnte.
An Straftaten hatte sich einiges bei dem Fitness-Influencer Lasse K. (Name des Angeklagten und Zeugen geändert) angesammelt: Unfallflucht, Fahren ohne Führerschein, Einbruch, Besitz von Drogen, Diebstähle, Drohungen und nicht zuletzt brutale Schläge ins Gesicht eines Schlafenden. Dieser kam ins Krankenhaus, wo ein Bruch eines Gesichtsknochens festgestellt wurde.
Wegen Drogenproblemen geriet der Angeklagte auf die schiefe Bahn
Dabei war Lasse als Kind und Heranwachsender immer ein „lieber Mensch“ gewesen, berichtete die Mutter, die als Zeugin Aussagen zur Person machte, zu den Taten jedoch, wie der Bruder und Vater des Angeklagten, schweigen wollte. Nach § 52 Strafprozessordnung (StPO) haben nahe Angehörige des Beschuldigten das Recht, die Aussage zu verweigern.
Die Mutter berichtete, dass er als Jugendlicher professionell und stark Fußball gespielt habe. Er kam sogar in die Nachwuchsmannschaft des FC Köln, er sei leistungsorientiert gewesen, bis ihn mit 19 Jahren eine Verletzung stoppte. Danach habe er nur noch in Amateurmannschaften spielen können. Die Realschule schloss er erfolgreich ab, das Fachabitur klappte nicht mehr, eine Ausbildung im Büro brach er ab, Alkohol- und Drogenprobleme machten ihm zunehmend zu schaffen, sein Leben sei immer mehr aus den Fugen geraten. Immerhin konnte er seine Ausbildung als Lagerist abschließen. Abschließend bemerkte seine Mutter, dass Lasse unbedingt eine lange Therapie brauche, sonst käme er ganz schnell wieder auf die schiefe Bahn. Als die Mutter den Gerichtssaal verließ, verabschiedeten sich Sohn und Mutter sehr emotional.
Das Opfer erschien nicht zur Verhandlung
Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin beim Schöffengericht, Britta Epbinder, bestätigte der Angeklagte seinen Werdegang so, wie von der Mutter beschrieben. In der Haft habe er viel über sich und seine Familie nachgedacht. Er deutete Konflikte mit seinem Vater an, berichtete aber auch, dass ihn seine Mutter immer „lieb und gut“ behandelt habe. Er ergänzte einige Details: Er habe im Evangelischen Krankenhaus bereits eine Entgiftung mitgemacht, sei aber bei einer offenen Suchttherapie rausgeflogen, da er wieder Drogen genommen habe. Sein Strafverteidiger, Rechtsanwalt Andreas Neumann, erzählte auch über seinen Zustand vor der Haftstrafe. An dem Tag habe Lasse K. wirres Zeug geredet und sei in einem äußerst desolaten Zustand gewesen. Kein Vergleich zu der Situation jetzt.
Um ein möglichst vollständiges Bild von den Taten zu bekommen, hatte die Richterin mehrere Prozesstage angesetzt und viele Zeugen geladen. Ein wichtiger Zeuge erschien jedoch nicht: Ismael R. Er war derjenige, dem der Angeklagte brutal ins Gesicht geschlagen hatte, während er schlief. Es geschah in einer Obdachlosenunterkunft, die auch bei einer weiteren Tat im Mittelpunkt stand. Zunächst einmal veranlasste Richterin Epbinder die Vorführung des Zeugen beim nächsten Verhandlungstag.
Weil er Geld brauchte, brach der Angeklagte bei seinen Eltern ein
Doch auch am zweiten Tag kam Ismael R. nicht, die Polizei hat ihn nicht auffinden können. Im Übrigen hatte der Geschädigte auch gar keinen Strafantrag gestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte diesen aufgrund der Schwere der Tat veranlasst. Zumindest erfuhr das Gericht von einer Zeugin, die gegenüber der Unterkunft lebt, was geschah, als Ismael R. nach seinem Krankenhausaufenthalt wieder auf den Angeklagten traf. Dieser hatte in der Zwischenzeit in seiner Wohnung gelebt und der schwelende Streit lebte wieder auf: Die Zeugin hatte den Angeklagten nach eigener Aussage dabei beobachtet, wie er mit der Faust in die Scheibe der Wohnungstüre schlug. Die herbeigerufene Polizei konnte den Angeklagten wenige Straßen weiter aufgreifen.
Ein weiterer Zeuge berichtete, dass der Angeklagte ihm das Fahrrad vom Balkon gestohlen habe. Er kenne Lasse gut, weil er bei ihm auch mal übernachtet habe, nachdem er bei den Eltern herausgeflogen sei. Das Fahrrad fand die Polizei in der Nähe der Obdachlosenunterkunft. Da die Familie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte, verlas die Richterin das Protokoll über einen Einbruch in die elterliche Wohnung. Der Angeklagte meinte dazu, er habe dringend Geld benötigt und wusste, wo seine Mutter Geld aufbewahrte. Er wurde beim Aufhebeln der Terrassentüre überrascht und ließ von seinem Vorhaben ab. Der Prozess wird fortgesetzt. Noch einmal soll die Polizei den Zeugen Ismael R. für diesen Verhandlungstag suchen und vorführen.