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EingesperrtWie Bergisch Gladbacherin (91) mit der Absperrung vor ihrem Haus lebt

4 min
Irmintraut Fuchs ist weiterhin auf ihrem Grundstück eingesperrt.

Irmintraut Fuchs ist weiterhin auf ihrem Grundstück eingesperrt.

Nach Monaten könnten sich neue Perspektiven für die eingesperrte Bergisch Gladbacherin abzeichnen. 

Dreimal hat Irmintraut Fuchs in den vergangenen zehn Tagen ihr Haus verlassen. Dreimal hat sich die 91-Jährige über einen provisorischen Waldweg den Berg hinunter und wieder hoch gequält. Den Weg vor ihrer Haustür kann sie nicht benutzen, weil der Nachbar ihn mit Ketten und einem Traktor blockiert.

Und auch wenn es auf den ersten Blick unglaublich erscheint: Der Nachbar ist im Recht - jedenfalls haben ihm Gerichte recht gegeben. Denn Teile des Weges - den es lange gab, bevor das Haus des Nachbarn gebaut wurde - gehören zu seinem Grundstück. Und auf seinem Eigentum darf der Nachbar machen, was er will.

Vor dem Weg durch den Wald wird der Müll abgestellt. Es ist eine von einer Reihe provisorischer Lösungen nach der Sperrung.

Vor dem Weg durch den Wald wird der Müll abgestellt. Es ist eine von einer Reihe provisorischer Lösungen nach der Sperrung.

Auch den Weg blockieren und einer 91-Jährigen den jahrzehntelang genutzten Zugang versperren. Denn das Haus der Seniorin - obwohl viel älter als das Haus des Nachbarn - ist ein Schwarzbau und für Schwarzbauten müssen Nachbarn nicht ihre Grundstücke zur Verfügung stellen, damit sie erreicht werden können. Das Haus von Irmintraut hat keine Baugenehmigung, wird aber von der Stadt geduldet.

Welt von 91-jährigen Bergisch Gladbacherin ist sehr klein geworden

Irmintraut Fuchs wird in dem Haus vor allem von ihrem Sohn - er wohnt mit im Haus - versorgt. Er macht die Botengänge, kauft ein und kümmert sich um den Müll. Seit der Blockade sitzt Irmintraut Fuchs in einer sehr klein gewordenen Welt. Die Pflegekraft kommt nicht mehr. Der steile Weg durch den Wald ist dem Pflegedienst nicht zuzumuten. Die Post kommt nicht mehr. Auch für den Briefboten ist das Haus nicht mehr zu erreichen. Bei Nachbarn gibt es einen „Notbriefkasten“.

Mit dem Spezialfahrzeug könnte die 91-Jährige durch den Wald gefahren werden.

Mit dem Spezialfahrzeug könnte die 91-Jährige durch den Wald gefahren werden.

„Der Postbote weiß Bescheid und einmal ist auch ein Paket über den Zaun geworfen worden“, berichtet die 91-Jährige. Wasser und Strom gibt es weiter ohne Probleme. Die Mülltonne steht nun an der öffentlichen Straße, an der Stelle, wo der Waldweg endet. Die städtische Müllabfuhr spielt mit und nimmt den Müll mit. Aber was, wenn die Abwassergrube geleert werden muss? Was, wenn das Holz für den Kamin angefahren wird? Das ist alles unmöglich im Augenblick. Besuch von Gleichaltrigen oder von Menschen, die nicht fit sind, ist unmöglich. „Ich sitze hier oben und warte wie es weiter geht - ich kann ja nicht mehr tun, als zu warten.“

Es passiert einiges, um der Eingesperrten zu helfen

Dabei passiert einiges, manches ganz sichtbar, manches im Hintergrund. Ein Weg durch den Wald wurde von dem Sohn freigeschlagen. Das steilste Stück des Weges ist direkt am Haus - da ähnelt er mehr einem alpinen Klettersteig. Dahinter ist es nicht mehr so steil – lang und buckelig geht es durch den Wald. Wenn Irmintraut Fuchs es im Augenblick auch mit viel Willenskraft schafft, diesen Weg zu nutzen, spätestens im Herbst und im Winter ist er für sie nicht mehr zu passieren.

Der Briefkasten ist nicht mehr erreichbar.

Der Briefkasten ist nicht mehr erreichbar.

Heinz Hinterecker, Bergisch Gladbacher Immobilienmakler, hat sich in den vergangenen Wochen in den Fall eingeschaltet. „Diese Geschichte macht mich richtig wütend.“ Und er ist dabei, so etwas wie ein Bündnis in der Bergisch Gladbacher Stadtgesellschaft zu gründen. „Es muss Wege geben, um der Frau zu helfen“, sagt er.

Möglicher Zugang über Grundstück von Nachbarn

Er spricht mit anderen Nachbarn und schaut, ob über deren Grundstücke ein neuer Zugang schnell und einfach errichtet werden kann. Angedacht ist der Kauf oder die Miete für ein Fahrzeug, das den schmalen Weg durch den Wald fahren kann und Irmintraut Fuchs zur öffentlichen Straße bringt. Denkbar, dass ein Privatmann über solch ein Fahrzeug verfügt und sich als „edler Chauffeur“ anbietet.

Klar ist, dass das nur eine provisorische Lösung sein kann. Hinterecker sieht auch die Politik gefordert. Ihm geht es darum, dass das Haus eine vernünftige Erschließung und dann eine Baugenehmigung erhält. „Da lasse ich nicht locker, es wird einen Weg geben.“

Unklar, wieso Situation in Bergisch Gladbach so eskalierte

Vor allem Menschen, die vielleicht zum ersten Mal von der Situation hören, fragen sich, wie der Streit so eskalieren konnte, warum der Nachbar denn einen so rigorosen Kurs fährt, der ihn doch auch emotional belasten müsse. Eine richtige Antwort gibt es darauf nicht. Auf Anfragen dieser Zeitung hat weder er noch sein Anwalt bislang reagiert.

Schriftlich hieß es in der Berufungssantwort lediglich: „Der Beklagte (also Frau Fuchs – Anm. d. Red.) versucht trotz fehlender Rechtsposition zu moralisieren und den Kläger auch öffentlich zu diffamieren. Hierzu bedient sie sich auch der lokalen Presse, die sie mit unkorrekten Angaben versorgt. Hier soll der Kläger als ein Wegelagerer, der eine hilflose alte Frau auf ihrem Grundstück quasi einsperrt, dargestellt werden. Medialer Druck wird den Kläger aber nicht dazu bewegen, weiterhin auf die bestehende Rechtsordnung zu vertrauen.“

Einen Fall gibt es allerdings, in dem sofort Kette und Trecker verschwinden müssten. Der Rettungsdienst bestätigte auf Anfrage, dass in einer Situation, in der Gefahr für Leib und Leben bestehe, keinerlei Rücksicht auf Wegerechte genommen werde.