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Flüchtlinge in GladbachBürgermeister Lutz Urbach: „Bin stolz auf das Engagement“

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Die Flüchtlingsproblematik beschäftigt Politik und Verwaltung wie kein zweites Thema. Und das Thema polarisiert. Matthias Niewels sprach mit Bergisch Gladbachs Bürgermeister Lutz Urbach über Wutbürger, die Rolle der Medien und die Verteilung der Flüchtlinge im Stadtgebiet.

Herr Urbach, wie viele Wutbürger haben sich bei Ihnen gemeldet und sich über die Unterbringung von Flüchtlingen beschwert?

Bürgermeister Lutz Urbach: Wutbürger? Keiner. Hier im Rathaus gibt es Anfragen von verunsicherten und besorgten Bürgern. Aber das sind immer sachliche Gespräche.

Bei uns in der Redaktion häufen sich die Anrufe von Menschen, die wütend Dampf ablassen. Oft anonym.

Urbach: Also, auf anonyme Schreiben antworte ich grundsätzlich nicht, die landen im Mülleimer. Bei mir hat niemand, wie Sie es formulieren, „Dampf abgelassen“.

Es gibt Meldungen nicht nur aus Ostdeutschland, dass sich Teile der Bevölkerung massiv gegen die Unterbringung von Flüchtlingen wehren.

Urbach: Gott sei Dank gibt es so etwas in Bergisch Gladbach nicht. Aber ich denke, es gibt ein Problem der Medien. Nämlich den Vorwurf von Seiten der Bürger, dass die Schwierigkeiten, die es mit den Flüchtlingen objektiv gibt, heruntergespielt werden.

Trifft dieser Vorwurf zu?

Urbach: Jetzt soll ich Ihre Arbeit bewerten?

Ich bitte darum.

Urbach: Bezogen auf die Flüchtlinge wird in Bergisch Gladbach größtenteils sachlich berichtet.

Umgekehrt gibt es aber auch den Vorwurf, die Medien würden bei Flüchtlingen alles aufbauschen und so Stimmung machen.

Urbach: Auch das sehe ich in Bergisch Gladbach nicht.

Hat sich in den vergangenen Monaten denn die Atmosphäre in der Flüchtlingsdebatte in Bergisch Gladbach verändert?

Urbach: Nicht wirklich. Auf das ehrenamtliche Engagement der Gladbacher Bürger bin ich sehr, sehr stolz. Und das Engagement ist unverändert hoch. Anwohner haben meist sehr konkrete Fragen, und dafür habe ich sehr viel Verständnis. In Gesprächen versuchen wir, die Lage, so wie sie nun einmal ist, zu erklären. Das gelingt auch. Meist ist es so, dass nach Inbetriebnahme einer Unterkunft sich die Fragen von alleine klären. Viele Ängste erweisen sich als unbegründet.

Sie zeichnen gerade das Bild eines funktionierenden Gemeinwesens, in dem ein breiter Konsens über die Flüchtlingspolitik herrscht. Das ist doch ein schiefes Bild.

Urbach: Wieso schiefes Bild? In der Lokalpolitik gibt es eine breite Unterstützung für die Arbeit der Verwaltung. Auf einem ganz anderen Blatt steht, wie die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung beurteilt wird. Da gibt es in der Tat ganz unterschiedliche Meinungen. Aber das ist nicht unser Thema vor Ort. Bei uns kommen die Flüchtlinge an, wir müssen sie unterbringen und versorgen. Und da leistet die Task-Force, unsere Arbeitsgruppe für Flüchtlinge, hervorragende Arbeit. Dort wird ausschließlich sachlich nach den besten Lösungen gesucht.

Bürger aus den Stadtteilen Gronau und Heidkamp fühlen sich bei Verteilung der Flüchtlinge auf das Bergisch Gladbacher Stadtgebiet überproportional belastet.

Urbach: Und das kann ich verstehen. Es gibt in Heidkamp und Gronau mehr Flüchtlinge als in anderen Stadtteilen. Das ist von uns nicht so gewollt, sondern ist das Resultat eines einfachen Sachverhalts: In anderen Stadtteilen gibt es keine passende Flächen.

Es gibt keine Proteste von betroffenen Bürgern?

Urbach: Doch, natürlich gibt es die. Zur Ehrlichkeit gehört doch, dass sich wohl niemand darüber freut, wenn neben seinem Grundstück große Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden. Aber es geht nicht anders. Wir haben eine gesetzliche Verpflichtung, die uns zugewiesenen Menschen in unserer Kommune unterzubringen.

Sie haben aber angekündigt, sich bei nicht abgestimmten Zuweisungen zu weigern, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. In diesem Fall seien Sie notfalls sogar bereit, sich mit der zuständigen Bezirksregierung in Arnsberg vor Gericht auseinanderzusetzen.

Urbach: Und das werden wir auch tun. Aber derzeit ist das nicht notwendig.

Wagen Sie eine Prognose, wie es weitergeht?

Urbach: Nein, wage ich nicht. Wir sind im Augenblick mit Hochdruck dabei, Unterkünfte zu errichten und die Menschen aus den Turnhallen und Zelten herauszuholen. Das ist ein großer, wichtiger Schritt. Parallel geht es um die Integration. Zunächst um die Vermittlung von Sprachkenntnissen. Wir müssen abwarten, wie viele Flüchtlinge noch kommen. Wir können ja immer nur reagieren.