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DemenzWenn der Geist weg ist

Lesezeit 3 Minuten

Zum Abschluss des BLZ-Schwerpunktthemas Demenz moderierte BLZ-Redakteurin Birgit Eckes (l.) die Expertenrunden mit (v.l.) Professor Dr. Hartwig Orth (MKH), Waltraud Gronewald (Awo), Günter Berscheid (AOK), Roswitha Kneip (Caritas) und Professor Dr. Thomas Els (MKH).

Bergisch Gladbach – Ein Patentrezept für die Betreuung gibt es nicht. Kinder, die ihren an Demenz erkrankten Vater oder die erkrankte Mutter aufopferungsvoll pflegen, sollten ein Stück weit mitgehen. Sie sollen gedanklich mit „ver-rücken“ und mit „auf die Reise gehen“, empfahl Professor Dr. Thomas Els gestern Abend bei der BLZ-Podiumsdiskussion im Marien-Krankenhaus (MKH) zum Schwerpunktthema Demenz.

Der Chefarzt an der Klinik für Neurologie am MKH und sein MKH-Kollege Dr. Hartwig Orth, Chefarzt der Geriatrie, vertraten in der Runde die medizinische Seite. Aus Sicht von Krankenkassen und Hilfsorganisationen diskutierten Günter Berscheid (AOK), Waltraut Gronewald (Awo) und Roswitha Kneip (Caritas) mit.

Viele Betroffene saßen im Saal und schilderten den Experten, mit welchen Problemen sie täglich konfrontiert werden: das Nicht-Erkennen der nächsten Angehörigen, Aggressivität, die kaum leistbare 24-Stunden-Betreuung daheim, die unzureichende Pflegestufe, die Not, wie der nächste Tag verläuft. Eine Atempause, so der Tenor, werde den Angehörigen nicht gelassen. Beraterin Roswitha Kneip empfahl in diesen Fällen die Kontaktaufnahme zu Betreuungsangeboten wie dem Projekt „Stundenweise“ oder den „Boje“-Gruppen. Dies ermögliche den Angehörigen, für einige Stunden zur Ruhe zu kommen. Einfühlsam schilderte Waltraut Gronewald die Arbeit der Pflegefachkräfte. In Ausnahmefällen werde jemand auch zwei Stunden morgens gepflegt. Obwohl „wirtschaftlich ein Desaster“ nehme sich der Mitarbeiter diese Zeit. Die Möglichkeiten, eine Vertretungspflege zu bekommen, erläuterte Günter Berscheid.

„Was kann ich tun, um später nicht an Demenz zu erkranken?“ Eine schlüssige Antwort auf diese Kernfrage zu geben, fiel den beiden Medizinern schwer. Thomas Els und Hartwig Orth machten aber deutlich, dass es viele kleine Bausteine gibt, um das Risiko einer Erkrankung zu reduzieren. Viel Bewegung sei wichtig, am besten regelmäßige Spaziergänge und Tanzen, gedankliche Herausforderungen, vor allem aber das Miteinander mit anderen Menschen. Jede Muskelbewegung helfe, das Gehirn zu durchbluten. Sich im Ruhestand in den Sessel fallen zu lassen, sei die falsche Entscheidung. Nach wie vor sei Demenz nicht heilbar. Medikamente gebe es zwar, aber sie verzögerten nur den Verlauf der Erkrankung. „Eine Besserung ist nicht möglich“, sagte Els. Angesichts von 1,5 Millionen Menschen, die in Deutschland an Demenz litten, und jährlich 200 000 Neuerkrankungen sei diese Krankheit eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen. „Die starken Geburtenjahrgänge kommen erst noch in diese Jahre.“ Ab dem 60., 65. Lebensjahr aufwärts steige das Risiko einer dementiellen Erkrankung stark an, die Lebenserwartung nach der ersten Diagnose liege zumeist bei sieben bis zehn Jahren. „Demenz ist der Verlust von Fähigkeiten“, erklärte Orth. Eine Rückkehr des verlorenen gebe es nicht. Die Unterscheidung zwischen normaler Alltagsvergesslichkeit und Demenz sei besonders im Anfangsstudium kaum möglich. Die Krankheit trete auf unscheinbare Weise ins Leben und breite sich weiter aus. Dies zu akzeptieren, sei für den Patienten und seine Angehörigen „grausam und schwer“.

Els und Orth rieten zu Strategien für den Alltag. „Man muss sich Hilfe ,züchten’“, meinte der Geriatrie-Chefarzt. Selbsthilfegruppen böten Stützen. Ein enger Kontakt zum Hausarzt sei ebenfalls unerlässlich. Trotz aller persönlicher Aufopferung gebe es Situationen, wo das Umfeld überfordert sei. Die Kontaktaufnahme zu einer der vielerorts entstehenden Demenz-Wohngemeinschaften sei in diesen Fällen ratsam.

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