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Helmuth Caspar Graf von MoltkeZwischen Bankenpleite und NS-Widerstand

Lesezeit 4 Minuten

Tütberg – „Jetzt bin ich 50 Jahre nicht mehr hier gewesen“, sagt Helmuth Caspar Graf von Moltke, schaut hinüber zu dem einsam gelegenen Haus auf dem Tütberg und setzt dann ein wenig schmunzelnd hinzu: „Aber der Wald ist immer noch der gleiche.“ Von Moltke erinnert sich an Kindheitstage im Haus auf dem Tütberg, das sein Großvater, der Kölner Privatbankier Carl Theodor Deichmann, 1929 als Jagdhaus errichtet hatte – zwei Jahre vor seinem Tod. Deichmann habe den Niedergang seines renommierten Bankhauses nicht verwinden können, weiß der Jurist Georg Sturmberg aus Forsbach, der sich mit der Geschichte des Kölner Bankiers befasst hat.

Die Kindheit des 1937 geborenen Helmuth Caspar Graf von Moltke war alles andere als leicht. Bereits mit acht Jahren verlor der Sohn von Deichmanns Tochter Freya und Helmuth James Graf von Moltke seinen Vater, der als Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten bereits vor dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 in Haft war. Eine Verbindung zum Attentat war nicht nachweisbar, dennoch wurde der Begründer der Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“ in den Schauprozessen des Volksgerichtshofs am 11. Januar 1945 zum Tod verurteilt und zwölf Tage später in Plötzensee hingerichtet.

Zeit zum Trauern blieb der Familie in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges kaum. Von Moltkes Mutter musste dafür sorgen, dass ihre beiden Söhne Helmuth Caspar und Konrad sowie zahlreiche Familien, die auf dem Gut der von Moltkes im schlesischen Kreisau Schutz gefunden hatten, rechtzeitig vor dem Näherrücken der Front in Sicherheit gebracht wurden.

Wie viel unbeschwerter waren da die späteren Besuche auf dem Tütberg, durch dessen Wälder Helmuth Caspar von Moltke vor über 50 Jahren auch mit dem Förster Ferdinand Schwamborn streifte. Dieser verwaltete den Deichmann’schen Besitz auf dem Tütberg und hatte maßgeblich zu seinem Aufbau beigetragen.

Ab 1903 und verstärkt ab 1914 hatte der Kölner Bankier Carl Theodor Deichmann, dessen Frau Ada das Gut Buchholz-Tütberg zwischen Untereschbach und Hoffnungsthal besaß, Waldungen auf dem Tütberg erworben. 1919 arrondierte er den Besitz mit Flächen aus dem Immobiliennachlass des Sanitätsrates Dr. Johannes Müller aus Bensberg. Diese Fläche hatte zwischenzeitlich die Holzhandelsfirma Rudolf Düren besessen, die ihren Geschäftssitz im Stollwerck-Haus in der Nähe der Deichmann-Bank hatte. „Möglicherweise war sie dort sogar Kunde“, sagt Georg Sturmberg, der selbst auf dem Gut Buchholz geboren wurde. Die Verwaltung des Deichmann’schen Besitzes auf dem Tütberg hatte bereits 1914 Forstwart Ferdinand Schwamborn (1884-1963) übernommen. Er betreute auch den Bau des Jagdhauses. Parallel dazu hatte Carl Theodor Deichmann Ende der 1920er Jahre den Ausbau der Brüderstraße von Untereschbach zum Weiler Röttgen forciert, um auf ihr zu seiner „Villa“ auf dem Tütberg fahren zu können. Der erste Spatenstich zum Straßenausbau erfolgte unterdessen erst am 2. November 1931 – zwölf Tage nach dem Tod von Carl Theodor Deichmann.

Auch wenn damals offiziell eine Lungenentzündung für den Tod des Bankiers verantwortlich gemacht worden sei, habe er wohl eher aus Verzweiflung über den Konkurs seines Bankhauses den Freitod gewählt, so Sturmberg. Ein schwerer Schock war der Tod des Vaters auch für dessen Tochter Freya, die wenige Tage zuvor den Rechtsanwalt Dr. Helmuth James Graf von Moltke geheiratet hatte und nun zur Bestattung ihres Vaters zurückgerufen wurde.

Die Arbeiten auf dem Tütberg-Anwesen, das zum persönlichen Besitz von Deichmanns Ehefrau gehörte und so von der Haftung für die Schulden der Bank verschont blieb, wurden nach dem Tod des Bankiers fortgesetzt. Am Abzweig des Weges von der Brüderstraße zur „Villa“ steht heute zur Erinnerung an Förster Schwamborn ein Gedenkstein. Auch ihn besuchten Helmuth Caspar Graf von Moltke und seine Frau Keri zusammen mit Georg Sturmberg, der die heute in den USA lebenden Eheleute bei einem Deutschlandbesuch zu dem Abstecher auf den Tütberg eingeladen hatte.

Fasziniert erkundete von Moltke das Innere des einstigen Jagdhauses. Im linken Teil des Gebäudes sei die Ausstattung teilweise sogar noch original, zeigte sich der Enkel des Bauherrn erstaunt.

Vom „Kreisauer Kreis“ zur europäischen Idee

Besonders freuen sich die Eheleute, dass heute die beiden Familien Klug und Göbelsmann mit zusammen vier Kindern in dem Haus wohnen. „Ein schöner Ort“, sagt von Moltke und schaut zu den hohen Eichen im Garten. „Sie müssen ja damals schon gestanden haben“, sagt er nachdenklich und erzählt von Eichen auf dem früheren Familiengut in Kreisau: „Die stammen noch von dem Feldmarschall von Moltke.“

Auf dem Kreisauer Gut steht heute eine Begegnungs- und Tagungsstätte, in der Jugendliche und Erwachsene aus Ost- und Westeuropa zusammenkommen. An ihrem Aufbau hat Freya Gräfin von Moltke noch maßgeblich mitgewirkt, 2005 sogar eine Stiftung für das „Neue Kreisau“ gegründet. Helmuth Caspar Graf von Moltke führt das Erbe seiner 2010 verstorbenen Mutter fort.

Den Waldbesitz auf dem Tütberg hat von Moltkes Großmutter Ada Deichmann 1964 an das Land Nordrhein-Westfalen verkauft. Das Jagdhaus ging an einen privaten Käufer. Die Erinnerung an das „Waldgut Tütberg“ allerdings lebt fort. Helmuth Caspar Graf von Moltke ist selbst engagierter Waldbesitzer in New Hampshire: „Die guten Erinnerungen an den Tütberg sind mir bis heute sehr wichtig.“