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Hohe AufklärungsquoteUnfallflucht ist höchst riskant

Lesezeit 3 Minuten

Diese Situation kennen wohl alle Autofahrer. Ein Rempler auf dem Parkplatz kann bei falschem Verhalten aber schnell zur Unfallflucht werden.

Wipperfürth/ Lindlar – Eigentlich wollte er nur eine Sonntagszeitung kaufen, auf dem Marktplatz, nach der Messe. Doch jetzt sitzt Günter M. (Name geändert) vor der Türe zu Saal 1 im Amtsgericht, eine abgegriffene Aktentasche auf dem Schoß. Sein Leben lang wohnt der 72-Jährige in Wipperfürth. Das Amtsgericht an der Straße Nackenborn hat er aber noch nie von innen gesehen, bis jetzt. Heute ist er Zeuge in eigener Sache: Ende Januar war ihm jemand in seinen Wagen gefahren. Ein Kratzer, ein Riss in der Verkleidung. 2075 Euro kostete die Reparatur. Der Unfallfahrer war einfach weggefahren.

Rund 100 Mal wird in Deutschland jeden Tag Unfallflucht begangen. Diese Zahl hat der TÜV Nord in einer Studie zusammengetragen, für die die Polizeistatistiken der Länder ausgewertet wurden. Vor Gericht landet nicht mal ein Bruchteil. Das Statistische Bundesamt registrierte 2010 nur knapp 30 000 Verfahren deutschlandweit, die Zahlen für 2011 liegen dem Amt noch nicht vor.

Der Fahrer, der das Auto von Günter M. auf dem Marktplatz beschädigt haben soll, wurde von der Polizei ermittelt. Ein Zeuge hatte den mutmaßlichen Unfallfahrer beobachtet und sich das Kennzeichen notiert. Die Polizei stieß so auf einen 42-jährigen Lieferfahrer, der jetzt auf der Anklagebank sitzt. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft ließt ihm die Anklage vor, sie lautet auf „unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“.

690 Mal gaben Autofahrer in Oberberg in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bereits Gas und türmten von einer Unfallstelle, ohne sich um den Schaden zu kümmern, berichtet Polizeisprecher Jürgen Dzuballe. Gegenüber dem gleichen Zeitraum 2011 sind die Zahlen zurückgegangen, da waren es 743 Unfallfluchten.

Der Lieferfahrer auf der Anklagebank leugnet nichts. Er habe lediglich nicht bemerkt, dass sein Kastenwagen beim Ausparken ein anderes Auto berührt haben soll. „Das kann auch daran liegen, dass es in dem Auto sehr laut ist“, berichtet er. Im Laderaum gebe es Aufbauten, die sehr laut schepperten, sobald der Wagen über Kopfsteinpflaster fahre.

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, in Oberberg nach einer Fahrerflucht erwischt zu werden. „Wir haben eine der höchsten Aufklärungsquoten in NRW“, sagt Dzuballe. Mehr als die Hälfte aller angezeigten Fälle wird auch aufgeklärt. Gibt es Verletzte, liegt die Aufklärungsquote sogar bei knapp 90 Prozent.

Wenn die Fälle allerdings vor Gericht landen, sieht es noch einmal anders aus. Die Schwierigkeit ist, einem mutmaßlichen Verursacher die Schuld nachzuweisen. Bitter für die Betroffenen: Haben sie keine Vollkaskoversicherung, könnten sie auf dem entstandenen Schaden sitzen bleiben, teilt der TÜV mit. „Über 2000 Euro, das ist sehr viel Geld“, sagt auch Günter M. Geld, das der Rentner erstmal vorstrecken musste. Ob er es wiedersieht, ist noch nicht klar. Das Gericht hat sich vertagt, der Vorsitzende Richter will noch die Polizeibeamten als Zeugen hören, die die Unfallflucht protokolliert haben.