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VerwaltungsgerichtKürten droht 15-Millionen-Euro-Klage wegen einer Veränderungssperre

4 min
Auf dem Grundstück, auf dem gebaut werden soll, steht ein orangefarbener Container.

Auf diesem Grundstück soll gebaut werden. Politik und Erbpachtnehmer sind zerstritten.

Das Planungsverfahren um ein Baugrundstück in der Kürtener Ortsmitte spitzt sich mit mehreren Gerichtsverfahren zu.

Jetzt wird die geplante Bebauung in Kürten-Mitte an der Bergstraße und am Wiedenhof ein Fall für die Gerichte. Im Gemeinderat am Mittwoch (2. Juli) informierte Bürgermeister Willi Heider (parteilos) die Ratsvertreter, dass Markus und Katrin Berghaus, Erbpachtnehmer und Verfügungsberechtigte über das Grundstück, eine Schadensersatzforderung von knapp 15 Millionen Euro bei der Gemeinde geltend gemacht haben, aufgrund des aus ihrer Sicht drohenden Wertverlustes des Grundstücks durch die erlassene Veränderungssperre für einen Teil des Bereichs sowie den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan. Beides blockiere ihre Bauabsichten und sorge für eine jahrelange Verzögerung. Vorverträge und Fördergelder drohten zu verfallen. Die Finanzierung sei massiv beeinträchtigt.

Parallel dazu hat das Kürtener Ehepaar das Oberverwaltungsgericht Münster angerufen und ein Normenkontrollverfahren eingeleitet: Die Richter sollen prüfen, ob die von der Gemeinde verhängte Veränderungssperre für einen Teil des Grundstücks überhaupt rechtlich zulässig ist. Per Einstweiliger Anordnung am Verwaltungsgericht Köln wollen Markus und Katrin Berghaus außerdem erreichen, dass diese Veränderungssperre vorläufig außer Kraft gesetzt wird. In einem dritten Verwaltungsverfahren geht es um den Kanalanschluss des Grundstücks. Berghaus und seine Frau haben das Brachland per Erbpacht auf 99 Jahre von der katholischen Kirche übernommen und sich verpflichtet, bis zu sechs Mehrfamilienhäuser (auch mit öffentlich geförderten Wohnungen) zu errichten, über die Möglichkeit der Innenbereichsbebauung (Paragraph 34 Baugesetzbuch).

Die Stimmung im Rat war angespannt

Bürgermeister Willi Heider (parteilos) sieht durch das Heranrücken der Wohnhäuser das erst vor rund zwei Jahren eröffnete Jugendzentrum K51 bedroht, den Denkmalschutz im Umfeld beeinträchtigt sowie die im Umfeld stattfindenden Brauchtumsveranstaltungen, etwa die Kirmes, gefährdet. Nur mit Veränderungssperre und Bebauungsplan habe die Gemeinde Möglichkeiten, die Bebauung zu steuern. Markus Berghaus spricht hingegen von einer faktischen Teilenteignung. Die Situation scheint verfahren, eine Einigung nicht in Sicht. Eine persönliche Stellungnahme im Rat wurde ihm nach dem Einspruch des FDP-Fraktionsvorsitzenden Dagobert Sagroda verwehrt.

Das Alte Pastorat, ein historisches Fachwerkhaus, ist umringt von Hecken und Büschen.

Das Alte Pastorat ist denkmalgeschützt.

Angesichts der Entwicklung war die Stimmung im Rat sehr angespannt. Zu entscheiden hatten die Ratspolitiker über den Bauantrag für ein zweites Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück (ein erstes ist genehmigt). Die Gemeinde plädierte für die Ablehnung: Das Gebäude liege im Bereich der Denkmalbereichssatzung, die das Alte Pastorat (historisches Fachwerkhaus) an der Bergstraße und auch die katholische Kirche St. Johann Baptist mit den umliegenden Fachwerkhäusern schütze. Eine Mehrheit von CDU (große Teile), FDP, Grünen, und Freien Wählern/BfB folgte. Auf die Seite des Erbpachtnehmers schlug sich die Fraktion der SPD und eine Gruppe der CDU-Fraktion um den Planungsexperten Frank Rausch, Sebastian Wurth und Henrik Hamm.

Die Verwaltung muss sich an die Gesetze halten.
Jochen Zähl, CDU-Fraktionsvorsitzender

„Wir müssen uns an Recht und Gesetz halten“, sprach sich Bürgermeister Heider in der Ratssitzung in Rage. Nur weil die Eigentümer öffentlich geförderte Wohnungen bauen wollten, könne man das Projekt nicht durchwinken. „Die Verwaltung muss sich an die Gesetze halten“, betonte unterstützend der CDU-Fraktionsvorsitzende Jochen Zähl, der auch auf die Abweichlergruppe in seiner Fraktion hinwies. Dass nach Recht und Gesetz entschieden werden müsse, bekräftigte auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Dagobert Sagroda. Die Fragen des Denkmalschutzes hätte der Erbpachtnehmer frühzeitig klären müssen. Berghaus betont, dies gemacht zu haben.

„Die Kürtener brauchen händeringend Wohnraum“, appellierte SPD-Ratsherr Gerhard von Werthern für das Projekt. „Es könne nicht sein, dass Denkmalschutz den Wohnungsbau ausbremst.“ Heute sei es kaum mehr möglich, Fördermittel für sozialen Wohnungsbau zu bekommen, meinte Frank Rausch. Berghaus habe schon im Jahr 2024 eine Zusage dafür erhalten. Wenn das Vorhaben jetzt wegen der veränderten Planungen doch aus der Förderung falle, „ist das Projekt gestorben“.

Wir wollen nicht klagen, wir wollen bauen. Aber wir werden nicht tatenlos zusehen, wie ein rechtmäßiges Projekt mutwillig blockiert und unser Eigentum faktisch entwertet wird.
Aus einer Stellungnahme von Markus Berghaus

In einer Stellungnahme betonen Markus und Katrin Berghaus, dass der Bereich hinter dem Jugendzentrum weiterhin für Veranstaltungen gesichert bleiben solle, das Engagement fürs Gemeinwohl sei im Mittelpunkt des Projekts. Allerdings hätten sie sich gegenüber der Kirche verpflichtet, bis zu sechs Wohnhäuser auf dem Grundstück zu errichten. Eingriffe der Gemeinde über die Veränderungssperre und den Bebauungsplan minderten den Wert des Grundstücks ganz erheblich; über 99 Jahre seien dies knapp 15 Millionen Euro.

Markus Berghaus' Appell an den Rat in seiner vorbereiteten (aber nicht gehaltenen) Stellungnahme: „Wir wollen nicht klagen, wir wollen bauen. Aber wir werden nicht tatenlos zusehen, wie ein rechtmäßiges Projekt mutwillig blockiert und unser Eigentum faktisch entwertet wird.“ Die Schadensersatzsumme sei fundiert berechnet worden. „Die entgangenen Nutzungen, die Wertverluste und die finanziellen Schäden durch die rechtswidrigen oder zumindest unangemessene Planungseingriffe sind erheblich.“ Er forderte Kämmerer Sven Schmidt auf, umgehend Rückstellungen zu bilden. Die Gemeinde werde durch die Ausgabe in die Haushaltssicherung fallen. Das weitere Verfahren hängt jetzt von der Entscheidung der Richter am Oberverwaltungsgericht und am Verwaltungsgericht ab.