OverathEine ganze Stadt als Teststrecke für intelligente, selbst fahrende Autos

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Der Mensch hinterm Lenkrad schaut zu, wie das Auto von alleine fährt – Overath will Teststadt werden.

Der Mensch hinterm Lenkrad schaut zu, wie das Auto von alleine fährt – Overath will Teststadt werden.

Overath – „Autonome Mobilität“, das sind intelligente, selbst fahrende Fahrzeuge, die schon in wenigen Jahren unseren Alltag bestimmen könnten. Und in noch weniger Jahren könnten diese Autos bereits reihenweise durch Overath fahren, denn die Stadt wird sich möglicherweise der Industrie als Testfeld andienen.

„Autonome Mobilität ist einer der wichtigsten technologischen Mega-Trends der nächsten zehn Jahre, in den die Industrie zweistellige, wenn nicht dreistellige Milliardenbeträge investieren wird“: Das ist der erste Satz, mit dem der Overather Bürger Rainer Koß höchst erfolgreich für seine Vision wirbt, ganz Overath zur Teststrecke zu machen. Dass das eine sehr gute Idee sein könnte, davon konnte er jetzt schon einmal den Planungsausschuss überzeugen.

Urbanes und soziales Testfeld

Einstimmig sprach sich der Ausschuss in seiner jüngsten Sitzung dafür aus, dass die Stadtverwaltung in Sachen Autonomer Mobilität nicht nur Augen und Ohren offenhält.

Sondern dass sie auch einen Arbeitskreis gründet, in dem neben Verwaltungsmitarbeitern und Ratsmitgliedern auch interessierte Bürger mitarbeiten dürfen und sollen, darunter natürlich auch und vor allem der seit 15 Jahren in Heiligenhaus lebende Koß.

„Bisher“, so Koß in seiner Präsentation im Ausschuss, „gibt es in Deutschland nur singuläre technische Teststrecken, jedoch kein komplettes urbanes Testfeld und erst recht kein soziales Testfeld zur Pilotierung von ökonomischen Konzepten in der Praxis.“

Die bergische Kleinstadt Overath sei dafür aufgrund ihrer Lage und Größe hervorragend geeignet. „Wie wäre es, wenn in Overath mehrere hundert solcher Fahrzeuge herumführen, die einen von einem in einen anderen Stadtteil und dort bis vor die Tür brächten?“, fragte Koß im Bürgerhaus. Er habe schon mit einer ganzen Reihe Bürger gesprochen. „Die erste Reaktion war zu fragen: „Was redet der für einen Quatsch?“, aber dann kamen ganz schnell Vorschläge, was man noch alles tun könnte.“ Er sehe die technologische Entwicklung auf der einen Seite und die schwierige Finanzlage der Stadt Overath auf der anderen.

Zweistellige Millionenbeträge winken

Würde Overath tatsächlich Testfeld, dann könnte die Stadt „in einer ganz anderen Liga spielen“ und über mehrere Jahre lang zweistellige Millionenbeträge einnehmen. Sie erhielte zusätzliche Investitionen von außen und könne sich außerdem über schöne Nebeneffekte freuen: Über weniger Schadstoffe, weniger Parkplatz-Probleme und über eine höhere Mobilität für die Bürger. Auch würde sie zum Magnet für viele Besucher: „Ein neues Hotel würde dann nicht reichen.“

Die bergische Kleinstadt, so Koß weiter, hätte der Industrie viel zu bieten. „Das Stadtgebiet von Overath beinhaltet alle Arten von Straßen und Gelände, die ein autonomes Fahrzeug am Ende beherrschen können muss – Autobahn, Landstraße, Stadtstraßen, enge Gassen, Steigungen, Kreisverkehre, Ampeln.“

Overath sei groß genug für ein aussagefähiges Testfeld, aber doch so klein, um möglicherweise notwendige Investitionen in lokale Technik, etwa für höchstauflösende Karten im Rahmen zu halten. Auch sei eine kleine Stadt wie Overath bei ausreichendem politischem Willen viel schneller im Treffen und Umsetzen von Entscheidungen als größere Kommunen.

Bei den Overather Kommunalpolitikern, die sich tagein, tagaus mit der schwierigen Haushaltssituation ihrer Stadt beschäftigen müssen, stieß Koß am Dienstagabend im Bürgerhaus auf offene Ohren. SPD-Ratsherr Simon Rocholl: „Ich persönlich finde den Antrag sehr gut. In unserer Fraktion haben wir zwar kontrovers diskutiert, sehen aber das Potenzial dahinter, auch das finanzielle.“

Kritischer Punkt

Es gebe nur einen kritischen Punkt: Den der Sicherheit. „Was ist, wenn ein Kind überfahren wird? Die Frage der Sicherheit muss allerhöchste Priorität haben.“ Auch CDU-Ratsherr Alexander Willms sprach von einem „maximal perspektivischen und sehr reizvollen Projekt“, ebenso die Grünen und Bürgermeister Jörg Weigt (SPD): „Ich finde das Projekt sehr innovativ und zukunftsweisend.“

Koß wies in seiner Antwort darauf hin, dass sein Vorschlag gar nicht in eine unbestimmte Zukunft ziele. „Overath muss sich relativ schnell klar darüber werden, ob es den Weg will oder nicht.“ Dann könne sie auf die Industrie zugehen: „Wenn ihr eine Modellstadt wollt – wir sind bereit.“ Danach werde die Stadt dann ja sehen, ob deren Konditionen für sie in Ordnung gingen oder auch nicht.

Autonomes Fahren

Die Industrie forscht intensiv: Der Konzern Google hat seine Aktivitäten in einer eigenen Einheit namens „Waymo“ gebündelt. In Deutschland ist Stuttgart ein Schwerpunkt. Hier haben sich Daimler und Bosch zu einer Partnerschaft zusammengefunden, die ihre Testwagen durch Kalifornien und das Ländle schickt.

„One more Weihnachtsgeschenk“: Unter dieser Überschrift gab Mercedes-Benz Ende 2016 bekannt, dass das Stuttgarter Regierungspräsidium die Genehmigung erteilt hat, autonome Autos auf öffentlichen Straßen zu testen. Mitte Oktober lobte der Konzern erneut die „Offenheit für Innovation“ im Ländle. (sb)

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