Schornsteinfeger„Ich liebe den Geruch von Ruß“

Ann-Kathrin Schnepf, Tim Reitberger, Lucas Zaremba (von unten nach oben) sind Schornsteinfeger aus Überzeugung und stolz auf ihren Beruf. (Fotos: Daub)
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Rösrath – „Zeugnisse interessieren mich nicht“, ruft Axel Rink. „Man muss es nur wollen.“ In seinem langen Meisterleben hat der unkonventionelle Schornsteinfegermeister schon zahlreiche junge Leute ausgebildet. Der Kredit, den er den Jugendlichen zu geben bereit ist, zahlt sich aus: „Ich habe nie Probleme gehabt, Lehrlinge zu finden, und fast alle waren super.“
Voraussetzungen: Kein bestimmter Schulabschluss erforderlich. Die Betriebe stellen vorwiegend Bewerber mit mittlerem Abschluss ein. Chemie-und Physikkenntnisse von Vorteil, ebenso in Mathematik. Technische Unterlagen sollte man verstehen.
Ausbildung: Drei Jahre in Betrieb und Berufsschule.
Profil: Schornsteinfeger überprüfen Heizungs-, Abgas- und Lüftungsanlagen. Sie reinigen Feuerungsanlagen und entfernen Ablagerungen aus Lüftungsanlagen. Außerdem führen sie Feuerstättenverordnungen durch, messen und beseitigen Immissionen. Sie beantworten Fragen zu Energieeffizienz, Brandschutz und Klimaschutz und erstellen baurechtliche Gutachten.
Verdienstmöglichkeiten: In der Ausbildung 473-631 Euro. Später regional unterschiedlich, tariflich ab etwa 14,20-15,72 Euro/Stunde, ggf. Zulagen.
Zukunft: Zusatzqualifikationen in Energieeffizienz, Brandschutz und Gefahrenabwehr bzw. Feuerungs-, Umwelt- und Klimatechnik möglich. Meisterprüfung mit Existenzgründung oder Weiterbildung zum Umweltschutzfachwirt. Bewerbung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger für einen Bezirk (öffentlich ausgeschrieben und jeweils für 7 Jahre vergeben) möglich.
Kontakt: Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach, kostenfreie Servicenummer (08 00) 4 55 55 00. Kreishandwerkerschaft Bergisches Land,
Nicholas Kirch (0 22 02) 93 59 33.
Umfassende Infos im Netz:
berufenet.arbeitsagentur.de
handwerk-direkt.de
Tatsächlich sehen Ann-Kathrin, Tim und Lucas aus wie Models im Werbeprospekt : Die Haare cool gestylt, schick in schwarzer Montur posieren die beiden Azubis und der Geselle auf dem Dach für die Kamera. Wie Motivation von Meisterseite sich auszahlt, wird deutlich am Beispiel der 22-jährigen Ann-Kathrin Schnepf. „Ich hatte eine Ausbildung zur Heil- und Erziehungspflegerin angefangen“, erzählt die Kölnerin. „Aber mir war klar, dass das auf Dauer nichts für mich ist.“ Ein Praktikum bei Axel Rink, zufällig von einem Freund vermittelt, brachte Klarheit: „Das ist genau das, was ich möchte.“
Das Schleppen des kiloschweren Kehrgeräts schreckt sie ebenso wenig wie das Balancieren in luftiger Höhe. „Ich liebe den Geruch von Ruß“, schwärmt Ann-Kathrin. „Und im Frühling das Gezwitscher der Vögel, wenn du auf dem Dach stehst.“ Dass die Mitarbeiter so motiviert sind, ist unterdessen auch der zeitgemäßen Betriebsführung des Chefs zu verdanken. „Wichtig ist der Wohlfühlfaktor“, sagt Axel Rink. Dazu gehört der gemeinsame Kaffee am Morgen. Das Gefühl, auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren. Ein elektronisches Arbeitserfassungssystem mit einem flexiblen Stundenkonto, nach dem Motto: Arbeiten und Abfeiern. „Wir sind ziemlich frei“, erklärt Ann-Kathrin. Das Smartphone ist mit dem Zentralcomputer vernetzt; jeder macht seine Termine selbst. Seit 2013 ist Axel Rink zwar bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger unter anderem für Rösrath, Kleineichen und Forsbach. Aber nach Abschaffung der Monopolstellung dürfen theoretisch Kollegen aus der ganzen EU ihre Dienste in seinem Quartier anbieten. „Da muss man sich gut aufstellen.“ Rink setzt auf Qualität und Dienstleistung: „Das fängt beim Fahrzeug und beim Auftritt an.“
Auf der Baustelle von Elektrotechniker Manuel Minkley – er hat ein Haus gekauft und kernsaniert – in Rösrath kontrollieren die Schornsteinfeger den Abzug der neuen Brennwertheizung. Schnell kommen die Handwerker ins Gespräch, als es um Nachwuchs und Berufsperspektiven geht. Minkleys Firma sucht dringend Leute; von Bewerbern mit Mittlerer Reife und Fachabi kann er nur träumen. „Dabei ist das ein wirklich moderner und vielseitiger Job“, wirbt er und verweist auf die prosperierende Auftragslage der Elektriker.
Auch der 19-jährige Tim Reitberger kann nicht verstehen, dass Gleichaltrige immer noch glauben, die Uni biete bessere Perspektiven als eine gute Handwerksausbildung. Er weiß es besser – nicht zuletzt, weil seine Familie bereits „vom Fach“ ist.
Auch Lucas Zaremba (24), Geselle, argumentiert: „Ich habe doch außerdem alle Möglichkeiten, mich weiterzubilden.“ Und über einen Arbeitsplatz an der frischen Luft gehe doch eh nichts. „Den ganzen Tag im Büro, das könnte ich nicht.“