Sommerfrische und WinterfreudenJungborn des Oberbergischen Landes

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Das Titelblatt der Werbebroschüre präsentiert das Wallefelder Bio-Bad am Waldrand oberhalb des Dorfes als idyllische und moderne Anlage. Das Kurhotel ist heute restlos verschwunden.

Das Titelblatt der Werbebroschüre präsentiert das Wallefelder Bio-Bad am Waldrand oberhalb des Dorfes als idyllische und moderne Anlage. Das Kurhotel ist heute restlos verschwunden.

Wallefeld – Der verheißungsvolle Klang der Vorsilbe "Bio" ist kein neues Phänomen. Mehr als 80 Jahre ist es her, das in Engelskirchen-Wallefeld ein Kurhotel errichtet wurde, dass mit dem Namen "Bio-Bad" warb. Daran erinnert noch immer eine Straße, die von der Ortsdurchfahrt hoch zum einstigen Standort der Einrichtung am Waldesrand führt.

Die Anlage ist nicht mit dem Freibad im Ortskern zu verwechseln, das 1932 vom Dorfverein eingerichtet wurde. Das heutige Freibadhaus ist allerdings eine umgenutzte Gästebaracke aus der Erbmasse der Kureinrichtung und das einzig verbliebene Überbleibsel des Bio-Bads. Am nahen Remerscheider Waldfestplatz steht eine weitere Baracke. Am Standort selbst lässt nichts mehr vermuten, dass hier bis in die 50er Jahre ein Kurhotel stand.

Für die Gründung durch den Köln-Mülheimer Arzt Dr. C.W. Schmidt fand der Wallefelder Willi Schürfeld am 21. April 1930 in einer Beilage der Volkszeitung euphorische Worte: "Diese Tat wird sich nicht nur segensreich auswirken in unserer engeren Heimat, sondern sie wird Früchte tragen volksgesundheitlicher Art für unser ganzes deutsches Volk."

Dr. Schmidt kurierte in seinem Bio-Bad die Patienten mit Naturheilkunde. Aus sittlichen Gründen wurden die Geschlechter getrennt voneinander in einem Damen- und einem Herrenpark behandelt. Die Therapien hatten anschauliche Namen wie Lichtluftbad, Lehmbad und Erdschlafen.

Die Kur gründete auf der Erfindung eines Pastors

Entwickelt hatte die Kur der zunächst am Niederrhein tätige evangelische Pastor Emanuel Felke (1856-1926) in Anlehnung an die kneippsche Lehre und die Homöopathie. Ihre große Zeit hatte die Felke-Kur vor dem Ersten Weltkrieg.

Aber noch in den 50er Jahren warb das Bio-Bad in einem Prospekt mit den Behandlungen der Felke-Methode und versprach "Kur und Erholung im Jungborn des Oberbergischen Landes". Eine Reproduktion des Faltblatts findet sich wie die oben erwähnte Beilage im kleinen Privatarchiv des Wallefelders Hans-Ulrich Häner (70). Dieser erinnert sich noch gut an den großen Zaun, der die unbekleideten Damen vor den neugierigen Blicken der Dorfjugend schützen sollte. Und Häner weiß noch, wie sehr der Fremdenverkehr im Dorf von der Kurklinik profitierte. "Zeitweise hatte hier beinahe jedes Haus im Dorf ein Zimmer, um die Besucher der Kurgäste zu beherbergen."

Es gab das Haus Sonne und das Haus Waldfrieden. Besonders profitiert haben damals aber Häners Eltern und Großeltern, die seit den 30er Jahren eine Gaststätte mitten im Ort betrieben. Nachdem Hans-Ulrich Häner im Gummersbacher "Bergischen Hof" Kellner gelernt hatte, übernahm er in den 60ern das Wallefelder Lokal und erlebte noch ein blühendes Gastgewerbe. "Sonntags haben wir oft 100 Mittagessen verkauft, das ist nicht gelogen", versichert Häner. Bis zu 40 Hektoliter Bier flossen monatlich durch den Zapfhahn.

Ende der 70er Jahre wurde es ruhiger, der Gastronom Häner glaubt, dass es auch an den strengeren Alkoholkontrollen der Polizei lag. Zudem standen Investitionen zur Modernisierung des Hauses an, die Häner nicht mehr stemmen wollte. Eigentlich war er sowieso nicht mit ganzem Herzen dabei gewesen: "Ich habe schon immer lieber an meinem Motorrad rumgeschraubt als hinter der Theke zu stehen." Häner verkauft den Betrieb und heuert in der Härterei des Bielsteiner Stahlerks Kind& Co. an, wo er noch 25 Jahre arbeitet.

Die guten Jahre waren vorbei

Das einstige Haus Häner wechselt mehrfach den Besitzer und noch öfter den Betreiber, bis das 200 Jahre alte Gebäude in den 90er Jahren niederbrennt. Obwohl das Haus mit großen Aufwand wieder aufgebaut wurde, konnte die Gaststätte wie viele oberbergische Dorflokale nicht mehr an die gastronomischen Glanzzeiten anknüpfen. Bald wurde der Betrieb eingestellt, nun steht es schon seit mehreren Jahren leer.

Das legendäre Bio-Bad ist schon viel länger Geschichte. Bereits Ende 1955 wurde der Betrieb wieder eingestellt, berichtet Hans Bock, Vorsitzender des Wallefelder Verschönerungsvereins.: "Das war ein auslaufendes Modell." Die Felke-Kur und der spartanische Standard der Unterbringung waren nicht mehr zeitgemäß. Hans-Ulrich Häner erinnert sich daran, dass die Bio-Bad-Anlage dem 1. FC Köln als Dauertrainingslager angeboten wurde. Die Fußballer hatten allerdings kein Interesse, die Anlage wurde 1959 abgerissen.

Heute finden sich im Gelände nur noch wenige, überwucherte Grundmauern. Und doch: Die Aussicht ist immer noch schön. Und ein kostenloses "Lichtluftbad" kann man noch immer nehmen.

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