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InterviewSascha Solbach (SPD): „Wir sind nicht größenwahnsinnig“

6 min
Zu sehen ist Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach (SPD).

Amtsinhaber Sascha Solbach (SPD) will Bürgermeister in Bedburg bleiben.

Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach (SPD) will bei der Wahl im Herbst im Amt bleiben. Im Interview zieht er Bilanz und gibt Ausblicke.

Herr Solbach, eine Woche vor der Wahl 2020 hat die SPD die jungen Bürger Bedburgs aufgefordert, Sie zu wählen, wenn sie denn eine neue BMX-Bahn haben wollen. Wo ist die Bahn denn heute?

Der geplante Standort für die BMX-Bahn 2020 ist vor unserer Nase verkauft worden. Und ein neuer Standort für so eine Bahn ist nicht einfach zu finden. Die BMX-Bahn ist immer noch ein Thema, wir versuchen jedoch Flächen zu finden, die wir für unterschiedliche Sportarten nutzen können. Aktuell wird in Lipp ein Pumptrack aufgebaut. Der wird schon im Juli fertig. Spätestens ab Herbst wird die gesamte Anlage befahrbar sein, das ist ein erster Schritt.

Ihr Herausforderer Michael Stupp (CDU) will, dass in Bedburg wieder kleiner und lokaler gedacht wird. Denken Sie zu groß?

Ich denke und arbeite mit konsequentem Blick auf unsere Bedburger Unternehmen, ein Beispiel: Die Firma Budak beschäftigt über 250 Menschen, die sind heute noch zum ganz großen Teil mit Aufträgen aus der Braunkohle beschäftigt. Schon morgen wird das nicht mehr der Fall sein, und die Firma braucht neue Perspektiven. In Bedburg sind immer noch 3000 Menschen beruflich abhängig von der Braunkohle. Es gilt, jetzt aus dieser hohen Abhängigkeit herauszukommen und das funktioniert nur gemeinsam mit „alten“ und mit neuen Partnern. Es wäre fatal, wenn wir uns jetzt nur noch auf das kleine Karo konzentrieren. Ich bin der Meinung, dass wir die Chancen im Strukturwandel, die im Moment da sind, bestmöglich nutzen müssen. Dass die Ansiedlung von Microsoft gelungen ist, beweist, dass es der richtige Weg ist. Das ist eine Ansiedlung, wovon niemand zu träumen gewagt hätte. Wir haben uns bei vielen Themen dieser Zeit einen Vorsprung erarbeitet, etwa bei der Digitalisierung, der KI, beim Wasserstoff oder bei Erneuerbarer Energie. Ich glaube nicht, dass wir größenwahnsinnig sind, sondern ja: Wir müssen dort, wo es sinnvoll ist, jetzt mal größer denken, als man das aus konservativer Sicht möchte.

Peek & Cloppenburg ist schon da, Microsoft will sich ansiedeln, das Zuckerfabriksgelände ist verkauft und soll zu einem neuen Wohnquartier werden, der Windpark erntet Wind und Geld. Aber noch ist Schmalhans Küchenmeister in der Kämmerei. Wann darf Bedburg den Gürtel lockerer schnallen?

Ich gehe davon aus, dass wir es in zwei, drei Jahren geschafft haben. Das hängt damit zusammen, wann die Projekte wie jetzt Microsoft ihre Wirkungen entfalten können, das heißt, wann der Bau fertig ist. Microsoft hat immer das Ziel genannt, dass die Inbetriebnahme zwei Jahre nach Baubeginn erfolgen wird. Dann werden wir auch Effekte bei der Gewerbesteuer und auf dem Arbeitsmarkt sehen. Die wirklich guten Gewinne aus der Windkraft können bei weitem immer noch nicht das kompensieren, was früher verlässlich aus der Braunkohle kam. Ich möchte, dass wir weiter in Erneuerbare Energien investieren, um dauerhafte Einnahmequellen für die Stadt zu sichern. Gewerbesteuereinnahmen können auch schnell mal komplett wegkippen. Ich bin kein konservativer Mensch, außer, wenn es um Finanzen geht.

Was haben Sie in Ihrer Amtszeit richtig und was falsch gemacht?

Richtig gut ist, dass wir in der Stadt ein gutes Miteinander kreiert haben. In ganz schwierigem Fahrwasser haben wir zwei Flüchtlingskrisen erlebt, die in Bedburg hervorragend gelaufen sind. Wir haben sehr viel Wohnraum in unterschiedlicher Preislage in der Stadt geschaffen, Mehrfamilienhäuser und große Wohnanlagen, weil das lange versäumt wurde und wir immer noch unglaublich viel Mietwohnungsraum brauchen. Wir haben über 2000 Arbeitsplätze in der Stadt geschaffen in den letzten Jahren, vornehmlich natürlich im Bereich der Logistik, aber eben auch weit darüber hinaus. Wir haben die Schulen massiv vorangebracht, was Digitalisierung anbelangt, und bauen gerade alle Schulen gleichzeitig aus.

Was lief nicht so gut?

Die Grundschule in Kirchherten ist ein Beispiel dafür, dass Baumaßnahmen im Bestand viel zu lange dauern. Wenn ich das heute nochmal angehen müsste, dann würde ich sagen, wir bauen lieber komplett neu. Und die Art und Weise, wie wir Ende 2019, Anfang 2020 über das Zuckerfabrikgelände diskutiert haben - da waren die Fronten in der Stadt verhärtet. Das hat ein bisschen gebraucht, bis wir wieder in normaleres Fahrwasser gekommen sind. Das würde ich heute anders lösen.

Es ist nicht auszuschließen, dass die AfD auch den Sprung in den Bedburger Stadtrat schafft. Wie gehen Sie im Fall einer Wiederwahl mit der AfD um, und was muss die Politik gegen einen Rechtsruck und Populismus tun?

Ich kann mir nicht vorstellen, ganz normal mit einer AfD zusammenzuarbeiten, weil ich dort so viel menschenverachtende Haltung und so viel verfassungsfeindliche Positionen sehe. Ich hoffe, dass wir uns gemeinsam mit allen demokratischen Parteien diesem Unfrieden mit einer konstruktiven Politik in den Weg stellen. Ich habe bisher noch nicht ein Wort darüber gehört, was die AfD-Leute eigentlich möchten, also wofür sie stehen. Ich höre nur, wogegen sie sind und sie sind gegen eine ganze Menge - ohne je einen einzigen Vorschlag gemacht zu haben. Ein Einzug in den Rat würde für mich persönlich sehr schwer werden, denn ich bin ein Unterstützer eines Verbotsverfahrens, weil ich einfach sehe, dass diese Partei sich an zu vielen Stellen von unserem Grundgesetz entfernt hat.

Was muss in Bedburg in den nächsten fünf Jahren angepackt oder zu Ende gebracht werden?

Jetzt ist eine Riesenchance da, Bedburg zu einem Zentrum für neue Technologien zu machen. Da müssen wir mutig weiter vorangehen. Und wir werden weiter Wohnraum schaffen mit neuen Konzepten. Die Straßenbeleuchtung ist marode und muss erneuert werden. Ein ganz zentrales Thema ist der Ausbau unserer Schullandschaft. Wie geht es weiter mit der medizinischen Versorgung? Das Krankenhaus ist unwiederbringlich weg. Mein Fokus liegt im Moment darauf, eine neue, dauerhafte medizinische Versorgungsstruktur zu etablieren. Da arbeiten wir intensiv mit den niedergelassenen Ärzten und der Kassenärztlichen Vereinigung zusammen. Wir wollen den neuen Stadtteil auf dem Gelände der Zuckerfabrik entwickeln. Die Vermarktung hat gerade begonnen. Ich will, dass die Grundschule in Kirchherten endlich fertig wird. Das liegt mir total am Herzen. Ich habe vor elf Jahren versprochen, dass die Schule im Ort bleibt. Die Baumaßnahmen jetzt sind, glaube ich, für die Lehrerinnen und Lehrer und die Schüler der Horror. Aber wir müssen das jetzt durchziehen, in zwei Jahren wird sie fertig sein. Auch die ganzen Bildungsprojekte, die mit der Microsoft-Ansiedlung zusammenhängen, sind mir unglaublich wichtig, denn da steckt eine Riesenchance für gleich mehrere Generationen drin. Wir werden unsere Feuerwehr erneuern. Eine Herzensangelegenheit von mir ist und bleibt jedoch das Miteinander in der Stadt: Wir werden in den nächsten Jahren weiter alles dafür tun, dass sich die Leute für unsere Stadt engagieren, ihren Mitmenschen helfen und das wir die Vereine aufrechterhalten. In Bedburg funktioniert das besser als in vielen anderen Kommunen und ich möchte, dass das so bleibt. Weil es schön ist und weil eine Kommune ohne Initiative und Eigenverantwortung ihrer Menschen nicht mehr funktionieren kann.


Sascha Solbach (SPD) ist seit 2014 Bürgermeister in Bedburg. Der 45-Jährige stammt aus der Nachbarkommune Elsdorf, trat 2010 in die SPD ein und war unter anderem als Referent im Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit im Bundesministerium für Gesundheit tätig. Bei der Kommunalwahl 2020 setzte er sich klar gegen den CDU-Kandidaten Michael Stupp durch und wurde mit 73 Prozent der Stimmen wiedergewählt. In diesem Jahr ist Stupp erneut sein Herausforderer.