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Im Zweiten Weltkrieg vermisst88-Jähriger aus Erftstadt liest erstmals Brief seines Vaters von 1944

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Zu sehen ist ein Mann, der einem Tisch sitzt und einen Brief in der Hand hält.

Helmut Zimmermann hat einen Brief seines Vaters von 1944 aus dem Krieg gefunden. Zurück kam sein Vater nie.

Helmut Zimmermann war langjähriger Ortsbürgermeister von Blessem. Nach mehr als 80 Jahren las er einen Brief seines Vaters zum ersten Mal.

„Frankreich am 1. August 1944“ steht über den Zeilen. Adressiert sind sie an „Meine liebe Ida und Helmut“. Heute ist der zweite Adressat, Helmut Zimmermann, 88 Jahre alt. Sein Vater Willi schrieb den Brief im Zweiten Weltkrieg vor fast 81 Jahren an ihn und seine Mutter.

Helmut Zimmermann habe den Brief bis zu diesem Jahr nie gelesen. Die Zeilen seien schwer zu entziffern. Sein Vater schrieb in Sütterlin – einer deutschen Schreibschrift aus dem frühen 20. Jahrhundert. Mittlerweile hat er die Briefe gelesen und abgetippt. „Es ist ein anrühriger Brief“, betont Zimmermann. „Bin wohl gesund und munter, was ich auch von euch daheim hoffe“, schrieb sein Vater damals.

Blessem: Ortsbürgermeister findet Brief von seinem Vater aus dem Krieg

Sein Vater sei zu diesem Zeitpunkt als Fallschirm- und Gerätewart in Frankreich stationiert gewesen. „Ich habe große Sehnsucht nach euch. Hoffentlich geht dieser elende Krieg bald zu Ende“, hieß es in dem Brief an ihn und seine Mutter.

Ein Foto aus der Zeit hat Helmut Zimmermann kürzlich gefunden. Darauf sei er etwa acht Jahre alt gewesen, erinnert er sich. „Das war ungefähr der Zeitpunkt, als mein Vater diesen Brief geschrieben hat.“ Viel mehr Fotos habe er nicht mehr, sagt der 88-Jährige. Die Aufnahmen seien in der Flutkatastrophe vor vier Jahren weggekommen. Zimmermann wohnte bis dato noch in Blessem, wo er 16 Jahre Ortsbürgermeister war.

Zu sehen ist eine alte Aufnahme eines Jungen mit blonden Haaren und in einem Matrosenanzug.

Helmut Zimmermann mit etwa acht Jahren, etwa zu dem Zeitpunkt, als der Brief kam. (Repro)

Es gebe auch noch einige andere Briefe, erläutert er. „Aber das war der bezeichnendste Brief, weil er ans Herz geht.“ Der Erftstädter ist sich sicher: „Es gibt viele, die das auch erlebt haben.“ So schrieb sein Vater: „Es ist ein großes Glück, dass wir so einen goldigen Jungen haben. Es ist eine große Schande, dass ich das alles so nicht miterleben kann.“ Wie seine Mutter auf den Brief ihres Mannes reagiert hat, weiß Helmut Zimmermann nicht.

Aufgewachsen ist Zimmermann in Aachen, zwischenzeitlich seien er und seine Mutter seinem Vater hinterhergefahren, wo der gerade stationiert war. Seine Mutter war Schneiderin. Ein Mal nähte sie einen Mantel zu einer Jacke um, im Tausch gegen eine Gitarre für ihren Sohn, wie Zimmermann erläutert. „Im Sommer hatte meine Mutter mir ein Fahrrad ‚ernäht‘.“ Er folgert: „Meine Mutter hat nur für mich gelebt.“ 

Erftstadt: Brief war das letzte Lebenszeichen seines Vaters

An seinen Vater habe der 88-Jährige wenig Erinnerungen. Er habe das Gefühl, dass er sehr streng gewesen sei. Später hat Helmut Zimmermann eine Ausbildung bei Kaufhof in Aachen gemacht. Dort habe er auch seine Frau kennengelernt.

An Aktualität hat der über 80 Jahre alte Brief wohl nicht verloren: „Das kann immer wieder passieren“, sagt Zimmermann. Sein Vater sei damals etwa 30 Jahre alt gewesen, vermutet er. „So alt wie mein Enkel heute ist.“ In seinem Brief heißt es: „Wenn man das ganze Leben vor Augen hält, so muss ich feststellen, dass wir vom Leben bis heute noch nichts gehabt haben.“

Schließlich richtete er auch Grüße und „an unserem kleinen Stropp Helmut von seinem Papi“. Stropp bedeutet „kleiner Junge“. Mit den Worten „Auf ein baldiges Wiedersehen“ beendete sein Vater die Zeilen. Doch das erhoffte Wiedersehen blieb aus. „Meine Mutter musste meinen Vater für tot erklären lassen, weil er als vermisst galt. Damit sie 36 Mark Rente bekam.“

Im letzten Brief, den Helmut Zimmermann und seine Mutter bekamen, habe sein Vater geschrieben, dass er für einen Unteroffizierslehrgang in den Osten versetzt werde, und „er hätte schwere Kämpfe hinter sich“. Seine Mutter und er sollten warten, bis sie seine neue Feldpostnummer bekämen. „Dann haben wir nichts mehr gehört“, sagt Zimmermann: „Wir wissen auch nicht, wo er geblieben ist.“ Sie hätten es nicht herausfinden können.