Kommunen in FinanznotWirtschaft im Rhein-Erft-Kreis läuft Sturm gegen höhere Kreisumlage

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Das Foto zeigt Prof. Dr. Jürgen Höser. Er ist Vorsitzender der Interessenvereinigung Frechener Unternehmen (IFU).

Prof. Dr. Jürgen Höser (IFU) spricht für die Interessen der Frechener Wirtschaft.

Die Städte sind nach Ansicht zweier Wirtschaftsverbände am Limit. Ein höherer Anteil zur Finanzierung der Aufgaben des Kreises könne schwerwiegende Folgen.

Wirtschaftsverbände warnen davor, die Städte im Rhein-Erft-Kreis finanziell zusätzlich zu belasten. Aus ihrer Sicht befinden sich die Kommunen in der schwersten Haushaltskrise seit Jahrzehnten. Es gebe kaum noch kommunale Handlungsspielräume.

Grund dafür seien die seit Jahren stetig steigenden und kommunal finanzierten Aufwendungen für soziale Leistungen und die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise wegbrechenden Steuereinnahmen. Hinzu kämen Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten und zur Bewältigung der Corona-Krise.

Der Arbeitskreis Wirtschaft Hürth (AWH) und die Interessenvereinigung Frechener Unternehmen (IFU) appellieren daher in einem Brief an Landrat Frank Rock (CDU), die Kreisumlage nicht zu erhöhen. Der derzeitige Umlagesatz von 31,5 Prozent soll in den Haushaltsjahren 2023 und 2024 auf 33,2 Prozent angehoben werden – mit massiven finanziellen Auswirkungen auf die zehn Städte.

Jede Mehrbelastung für die Kommunen soll vermieden werden

Nach Berechnungen der Kreisverwaltung in Bergheim entspricht dies einer Mehrbelastung allein für das Haushaltsjahr 2023 von etwa 43 Millionen Euro. Die Vorsitzenden der beiden Wirtschaftsverbände, Fidelis Thywissen (AWH) und Prof. Dr. Jürgen Höser (IFU) beklagen eine Schieflage, wenn notorisch unterfinanzierte Gemeinden „in einem finanziellen Zwangsverband“ ihren Beitrag zur Finanzierung des Kreises aufbringen müssen.

Aus Sicht der beiden Wirtschaftsverbände ist es in der aktuellen Situation dringend geboten, jegliche Mehrbelastung auf kommunaler Ebene zu vermeiden. Da schon die Kommunen im Rhein-Erft-Kreis im Falle einer Umlageerhöhung durch den Kreis angekündigt haben, unter Umständen gezwungen werden, ihrerseits den Hebesatz für die Grundsteuer B nach oben anzupassen, käme es unweigerlich zu einer Mehrbelastung für die Wirtschaft.

Wirtschaftsverbände befürchten Leerstände in den Innenstädten

Schon jetzt, so weisen AWH und IFU darauf hin, stünden viele Unternehmen vor der Existenzfrage und können kaum ihre Verpflichtungen decken, womit die vorhandenen Reserven kontinuierlich sinken und in naher Zukunft aufgebraucht sind.

IFU und AWH verweisen auf die ständigen Aufgabenverschiebungen zu Lasten der Kommunen wie beispielsweise bei den Kosten für Geflüchtete (sei es durch den Bund, sei es durch die Länder) bei gleichzeitig unzureichender Finanzierung der jeweils wahrzunehmenden Aufgaben. Zum anderen klagen kommunale Gebietskörperschaften über eine insgesamt unzureichende Finanzausstattung.

Die unmittelbaren Folgen seien nicht nur Leerstände in den Innenstädten, verbunden mit fehlenden Einnahmen auf kommunaler Ebene z.B. bei der Gewerbesteuer, sondern auch zusätzliche Kosten im Sozialbereich. Indirekt würde dies auch den Kreis treffen, da die Grundlage für die Kreisumlage unmittelbar auf die Steuerkraft der angeschlossenen Kommunen ansetzt.

In Übereinstimmung mit den Bürgermeistern der zehn Kommunen sind AWH und IFU der Meinung, dass das vorhandene Wahlrecht bei der Inanspruchnahme der Rücklage zur Entlastung der Kommunen und damit indirekt der Wirtschaft genutzt werden sollte. Bei einer Gesundung der Wirtschaft lassen sich Rücklagen in naher Zukunft wieder auffüllen und der Generationengerechtigkeit Genüge tun, so Thywissen und Höser.

Die zehn Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von CDU und SPD hatten sich im Dezember 2022 mit einer Gegenrechnung an den Landrat gewandt. So werde der Kreis auch ohne Erhöhung im Jahr 2023 rund 28 Millionen Euro mehr einnehmen – „ohne eigene Einsparbemühungen zur Konsolidierung der Kreisfinanzen“.  In dem von Pulheims Bürgermeister Frank Keppeler (CDU) als Sprecher unterzeichnetem Papier wird die Erhöhung der Umlage, mit der sich der Kreis finanziert, als „unsolidarisch“ bezeichnet.

Der Rhein-Erft-Kreis hat 125 Millionen Euro auf der hohen Kante

Die zusätzliche Erhöhung sei ein schwerer Rückschlag für jene Kommunen, die bereits im Haushaltssicherungskonzept seien oder sich mit unpopulären Maßnahmen dagegen stemmten. Es sei davon auszugehen, dass die Kommunen ihre Grundsteuern deutlich erhöhen müssten, um die Steigerung bei der Kreisumlage aufzufangen.

Die Bürgermeister fordern vielmehr eine Senkung der Umlage. Was der Kreis dadurch weniger einnehme, sei durch Einsparungen oder einen größeren Griff in die Ausgleichsrücklage auszugleichen. Immerhin habe der Kreis rund 125 Millionen Euro auf der hohen Kante. Das sehen AWH und IFU auch so.

Das Foto zeigt Landrat Frank Rock bei einer Pressekonferenz im Jahr 2022.

Landrat Frank Rock will auch die finanziellen Reserven des Kreises anzapfen.

Rock signalisierte bei der Einbringung des Haushalts im Dezember 2022 Kompromissbereitschaft. Um den auf zwei Jahre ausgelegten Kreishaushalt stemmen zu können, plant er, 49,3 Millionen Euro aus der Reserve zu entnehmen. Der Kreis sei sich seiner Verantwortung den Kommunen gegenüber „stets bewusst“, ließ Rock den Kreistag wissen.

Das Geld werde unter anderem für den „Aus- und Aufbau der Gesundheitsdienste und des Katastrophenschutzes“ benötigt. Außerdem wolle er einen „noch stärkeren Fokus“ auf den Klimaschutz und den Ausbau erneuerbarer Energien legen sowie spürbare Fortschritte bei der Digitalisierung und flexible und klimaneutrale Mobilität erzielen.

Der Haushaltsplanentwurf des Kreises sieht für 2023 Erträge in Höhe von 650.206.100 Euro und Aufwendungen mit einem Gesamtbetrag von 674.839.750 Euro sowie für 2024 Erträge in Höhe von 679.116.300 Euro und Gesamtaufwendungen in Höhe von 687.459.300 Euro vor.

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