Gesamtschule BrühlSchüler lernen Welthandel
Brühl-Pingsdorf – Freiwillig länger in der Schule bleiben? Jede Woche, über zwei Jahre lang? Obwohl junge Menschen sich nach landläufiger Meinung doch nur für ihre Smartphones interessieren? An der Gesamtschule Brühl wird dieser Traum von Bildungspessimisten gerade wahr. Mit dem Erasmus-Projekt „Entwicklung und Kooperation“ sollen die Schülerinnen und Schüler die Strukturen des Welthandels verstehen und Arbeiten in internationalen Zusammenhängen üben, denn neben der Europaschule in Brühl machen auch die Partnerschulen in Kunice, Binissalem und Luzern mit. Dafür nehmen die Neun- und Zehntklässler eine Extrastunde in der Woche auf sich. 67 Schüler insgesamt sind beteiligt, darunter 20 aus Brühl. Sie wurden in der letzten Woche von Gleichaltrigen aus Polen, Spanien und der Schweiz besucht.
Verständigungsschwierigkeiten
„Es geht darum, ein Gespür für die Schwierigkeiten der Entwicklungszusammenarbeit zu erlangen“, erklärt Klaus Sautmann, der das Projekt mit seinen Kollegen Regine Möws und Dirk Speicher leitet und von sieben weiteren Lehrern unterstützt wird. Durch zwei Planspiele des Politischen Arbeitskreises Schule lernte die internationale Gruppe nicht nur die Funktionsweise des internationalen Kaffeehandels kennen, sondern spielten auch das schwierige Zusammentreffen von Einheimischen und westlichen Experten beim Bau einer Brücke durch. Dabei gab es auch so schon Verständigungsschwierigkeiten, schließlich ist die Arbeitssprache während der Projektwoche und des gesamten zweijährigen Projektes Englisch. Das scheint Ravza Bahici nicht zu stören. „Das Englischsprechen klappt in der Gruppe viel besser“, findet die 15-jährige Brühlerin, „im Unterricht meldet man sich ja nur, während man in der Gruppenarbeit sprechen muss und so seine Kenntnisse erweitert.“ Sie hat sich für das Projekt gemeldet, um Gleichaltrige in anderen Ländern kennenzulernen aber auch, weil sie überzeugt ist, dass am Ende des Projekts ein konkretes Produkt steht. Denn darum geht es.
Die Schüler sollen nicht nur etwas über Welthandel lernen, sondern bis 2016 ein konkretes Fairtradeprodukt entwickelt haben und dessen Vertrieb organisieren. „Mit ein bisschen Wohltätigkeit ist es nicht getan“, so Sautmann. Schließlich ist dieses Projekt, dessen Kosten von der Europäischen Union über das Programm „Erasmus+“ für Bildung, Jugend und Sport getragen wird, aus einem Vorgängerprojekt zum Thema „Migration in der EU“ entstanden. Damals fragten sich die Schüler, was man tun kann, damit Menschen ihre Heimat nicht verlassen müssen. In der aktuellen Projektwoche ging es erst einmal darum, sich gegenseitig kennenzulernen sowie ein Verständnis für internationale Strukturen zu entwickeln. Bei einem Besuch in Brüssel erhielten die Schüler Einblick in die Arbeitsweise der EU, während ihnen beim konsumkritischen Stadtrundgang „Kölle global“ verdeutlich wurde, unter welchen Bedingungen ihre Kleidung und Smartphones entstehen. Außerdem erarbeiteten sie in sieben Projektgruppen unterschiedliche Hilfsansätze in verschiedenen Entwicklungsländern.
Die Masse an Ausflügen und Informationen haben Séraphine Pagnier und Justine Juszczak nicht erwartet, doch sie freuen sich darüber, viel gelernt zu haben. „Nicht nur über den Welthandel, sondern auch über ihre verschiedenen Kulturen“ ergänzt der 15-jährige Spanier Toni Serrano. Die nächste Projektwoche findet im März 2015 in Binissalem, Spanien statt.