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Neun Jahre im AmtEx-Handwerkspräsident aus Hürth nennt sich „Stadtrand-Kölner“

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In seinem Büro in Hürth wird Hans Peter Wollseifer nun wieder mehr Zeit verbringen. Deutschlands oberster Handwerker hat sein Präsidentenamt abgegeben.

Hans Peter Wollseifer wurde in dieser Woche als Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks verabschiedet.

Er war seit 2014 das Gesicht des Handwerks: Hans Peter Wollseifer aus Hürth. In dieser Woche hat er sein Präsidentenamt abgegeben. 

Neun Jahre lang war der Hürther Hans Peter Wollseifer Deutschlands oberster Handwerker. Mit einem Festakt in Berlin, an dem auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teilnahm, verabschiedete der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) seinen früheren Präsidenten. Andreas Engels sprach mit dem 67-Jährigen über Handwerk und Heimat.

Herr Wollseifer, wann haben Sie selbst zuletzt ein Werkzeug in der Hand gehabt?

Peter Wollseifer: In den letzten neun Jahren muss ich zugeben, dass das weniger der Fall war. Weil ich einfach zeitlich nicht dazu gekommen bin. Aber hin und wieder mache ich das schon mal für den eigenen Bedarf. In Zukunft vielleicht auch wieder ein bisschen mehr.

Sie haben gesagt, dass das Können nicht hinter dem Wissen zurückstehen soll. Womit können Sie besser arbeiten, mit Ihren Händen oder mit dem Kopf?

Beides muss im Einklang sein, um gute Leistungen bringen zu können und erfolgreich zu sein. Wir brauchen gute, akademisch ausgebildete junge Leute, wir brauchen gute Fachpraktiker.

Sie haben ein Handwerk gelernt, den Meister gemacht und mit 21 Jahren schon den Malerbetrieb Ihres Vaters übernommen. Die längste Zeit Ihrer beruflichen Laufbahn haben Sie aber am Schreibtisch verbracht. Was hat denn mehr Spaß gemacht?

Die Kombination. Ich habe nicht nur Zeit am Schreibtisch verbracht, sondern ich war früher ständig auf Baustellen. Das habe ich mir auch in meiner Amtszeit als Handwerkspräsident nicht nehmen lassen, dass ich hin und wieder mal wieder auf eine Baustelle gefahren bin. In Zukunft werde ich mich wieder häufiger auf der Baustelle sehen lassen und freue mich darauf.

Was hat Sie dazu bewogen, neben Ihrem Unternehmen als Funktionär aktiv zu werden?

Ich habe mir immer gedacht: Wenn du den Mund aufmachen und Kritik äußern willst, dann musst du dich auch einbringen. Nicht einfach nur daher plappern und selber nichts tun. Ich kann nur jedem empfehlen, sich im Ehrenamt einzubringen. Man lernt viele Menschen kennen und setzt sich mit deren Interessen und Meinungen auseinander. So schärft man sein Wissen.

Auch Handwerkspräsident ist ein Ehrenamt. Wie haben Sie das mit Ihrer unternehmerischen Tätigkeit vereinbart?

Das ging, weil ich meinen Betrieb mit über 100 Mitarbeitern Ende 2009 verkauft habe. Seitdem führe ich eine Projektentwicklungsgesellschaft mit angeschlossener Immobilienverwaltung und einen kleinen Handwerksbetrieb mit sechs Mitarbeitern. Man muss sich logistisch gut aufstellen. In den letzten neun Jahren hat es aber kein Wochenende gegeben, an dem ich nicht gearbeitet habe.

Wie blicken Sie auf Ihre Zeit als Präsident des ZDH zurück?

Es war eine tolle Zeit. Auch durch die vielen Menschen, die ich kennengelernt habe, vom Bundespräsidenten über die Bundeskanzlerin und andere politisch Verantwortliche, aber auch in der Handwerksorganisation. Da sind taffe Leute.

Was waren die größten Herausforderungen?

Die neun Jahre waren turbulent. Als ich ins Amt kam, gab es noch die Ausläufer der Eurokrise, mit denen unsere Betriebe zu tun hatten. Kurz danach die Flüchtlingskrise, da hat sich das Handwerk sehr eingebracht bei der Integration. Danach kam Corona. Viele Betriebe mussten schließen oder konnten nur eingeschränkt arbeiten. Die Hilfen sind nicht vom Himmel gefallen. Dafür haben wir uns in Berlin wirklich sehr einsetzen müssen. Und jetzt der Krieg in der Ukraine. Wir haben uns intensiv dafür eingesetzt, dass diese Betriebe, die unter den Energiepreisen leiden, Unterstützung erhalten.

Was würden Sie als größten Erfolg bezeichnen?

Im Bildungsbereich habe ich mich sehr für die Gleichwertigkeit der beruflichen und der akademischen Bildung eingesetzt. Ein großer Erfolg war, dass der Meister jetzt auf einer Stufe mit dem Bachelor steht und der Betriebswirt des Handwerks sogar mit dem Master. Dafür haben wir   auf allen Ebenen gekämpft.

Gibt es Bereiche, wo Sie gerne weitergekommen wären?

Ja, im sozialpolitischen Bereich. Wir fahren unsere Sozialsysteme gegen die Wand. Die Babyboomer gehen in Rente, und es kommen zu wenige nach, um die Sozialsysteme in der jetzigen Form zu finanzieren. Auch die Gesundheitskosten entwickeln sich exorbitant und belasten unsere Mitarbeiter. Es kann nicht sein, dass unsere Mitarbeiter immer weniger Netto vom Brutto haben, weil die Lohnnebenkosten steigen.

Sie haben von den vielen Begegnungen gesprochen. Was waren die eindrucksvollsten?

Die eindrucksvollsten Begegnung waren einerseits natürlich die Spitzen-Vertreter der Bundesrepublik, an erster Stelle Bundespräsident Frank Walter Steinmeier mit seiner Frau Elke Büdenbender, mit denen wir ein sehr nettes, familiäres Verhältnis haben. Aber auch im Handwerk gibt es viele Persönlichkeiten. Die schönsten Veranstaltungen waren für mich Meisterfeiern, bei denen man viele engagierte junge Leute trifft.

Sie waren oft in Berlin und in ganz Deutschland unterwegs. Wie wichtig ist  für Sie Heimat?

Sehr wichtig. Heimat erdet, deshalb sind meine Frau und ich auch hier in Hürth wohnen geblieben. Wir sind eingebunden in eine nette Nachbarschaft.

In Hürth pflegt man gern die Rivalität mit dem großen Nachbarn Köln. Sie sind ja immer noch Präsident der Handwerkskammer in Köln. Werden Sie darauf angesprochen?

Manchmal schmunzelt man natürlich darüber. Aber so tragisch ist das gar nicht. Ich nenne mich Stadtrand-Kölner, wenn mich in Berlin einer fragt, wo ich herkomme.   Nach 110 Jahren wurde ich als erster Nicht-Kölner Kammerpräsident in Köln. Das spricht für die Toleranz der Kölner. Aber wichtig war mir immer, dass wir das Umland mitnehmen. Köln hat 1,1 Millionen Mitbürger, das Umland hat in etwa zweimal so viel. Bei den Betrieben ist es ähnlich. Wir vertreten in Köln 35 000 Betriebe, davon zwei Drittel im Umland.

Sie treten jetzt in eine neue Lebensphase. Wie sieht die aus?

Das ist natürlich ein Abschluss, wobei ich als Ehrenpräsident geborenes Mitglied im ZDH-Präsidium bin. Aber ich werde erstmal ein dreiviertel Jahr Abstand nehmen. Ich werde weiter die Innungskrankenkassen in Berlin vertreten. In Köln bin ich noch ein paar Jahre als Handwerkspräsident gewählt. Im Betrieb habe ich auch noch zu tun. Ich freue mich aber, nicht mehr am Wochenende arbeiten zu müssen und mehr Zeit für die Familie zu haben. Ich habe einen Enkel, mit dem ich gern zum Hockey gehe. Das habe ich bei meinen Kindern nie geschafft.


Hans Peter Wollseifer wurde 1955 in Hürth geboren und lebt in Kendenich. Nach der Meisterprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk wollte er Architektur studieren, übernahm aber nach dem Tod seines Vaters schon mit 21 Jahren den Familienbetrieb in Hürth mit drei Mitarbeitern. Das Unternehmen expandierte und beschäftigte über 100 Mitarbeiter. Wollseifer, der weitere Firmen gründete, verkaufte seine Anteile und wurde 2010 Präsident der Handwerkskammer zu Köln. 2014 trat er sein Amt als Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks an. Nach drei Wahlperioden wurde er in dieser Woche in Berlin verabschiedet. Wollseifer ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. (aen)

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