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Ganz neues Gefühl der VorfreudeWeihnachten in der Salus-Suchtklinik

Lesezeit 4 Minuten

Stolz zeigen die Reha-Patienten die Geschenke, die sie für ihre Familien zu Hause gebastelt haben.

Hürth-Hermülheim – Lange schon hat sich Ralf de H. (42) nicht mehr so sehr auf Weihnachten gefreut. Schade findet er nur, dass er nicht die ganzen Weihnachtstage zu Hause verbringen kann.

Ralf de H. war gerade 15 Jahre alt, als er zum ersten mal Drogen konsumierte: Den Einsteigerdrogen Cannabis und Alkohol folgten bald Amphetamine und Kokain. Seit 16 Monaten ist er nun in der Salus-Klinik zur Rehabilitation. Sein Ziel ist, ein ganz normales Leben zu führen – ohne Alkohol und andere Drogen.

Die Feiertage spielen im Klinikalltag eine Rolle

Er ist kein Einzelfall. „Wir sind mit aktuell 220 Patienten komplett belegt, auch über die Festtage“, sagt die Leiterin der Klinik, Dr. Julia Domma-Reichart. Und natürlich spielen Advent und Weihnachten auch im Klinikalltag eine Rolle: „Wir organisieren im Vorfeld einen kleinen Weihnachtsmarkt, auf dem die von den Patienten hergestellten Kunstwerke verkauft werden.“

Heiligabend wird im Haus ganz klassisch gefeiert. „Wir singen und musizieren gemeinsam, lesen Gedichte und Geschichten vor“, sagt die Klinikleiterin. Natürlich sei sie, ebenso wie das Ärzteteam, die Therapeuten und viele Mitarbeiter, dabei. „Die Angehörigen unserer Patienten sind eingeladen mitzufeiern.“

Allerdings sei es den Patienten freigestellt, an den Festtagen für eine Nacht nach Hause zu fahren. „Ich bin allerdings ziemlich froh, über die Festtage hier bleiben zu können, weit weg von meinem gewohnten Umfeld“, sagt ein 35-Jähriger. Seit fünf Wochen ist er in der Salus-Klinik. „Es ist das erste mal, dass ich so lange abstinent bin.“ Auch er war erst 15 Jahre alt, als er das erste Mal Drogen nahm. Anders als de H. freue er sich noch gar nicht auf Weihnachten. „Aber ich habe hier zum ersten Mal in meinem Leben Weihnachtsplätzchen gebacken, und das hat mir richtig viel Spaß gemacht“, erzählt er.

Auch Sonja Z. (32) hat sich ganz bewusst dazu entschlossen, Heiligabend in der Klinik zu bleiben. Ihr Suchtdruck sei noch ziemlich hoch. „Hier bin ich weit weg von zu Hause und meinem gewohnten Umfeld, und das ist gut so“, sagt sie. Erst am ersten Weihnachtstag will sie ihre Geschwister besuchen und dann direkt wieder zurück nach Hürth fahren.

Weihnachtsgeschenke für die Familie gebastelt

„Mein Junge hat Weihnachten Geburtstag“, berichtet Ralf de H. Er will deswegen auf jeden Fall für einen Tag heim. Schon seit Wochen freut er sich darauf und hat für seine ganze Familie Weihnachtsgeschenke gebastelt. „Auf diese Idee wäre ich früher nie gekommen“, sagt er. Jetzt kann er es kaum abwarten, die Geschenke zu verteilen. Er empfinde die Freude ganz unmittelbar und bewusst. „Ich nehme mich und mein Umfeld ohne die Drogen ganz anders wahr“, berichtet er. Schon beim Basteln habe er gemerkt, dass er dabei alles um sich herum vergessen könne. In der Salus-Klinik habe er erfahren, dass es sehr viele Möglichkeiten gebe, abzuschalten und sich abzulenken. Drogen und Alkohol hätten ihm die Sinne ja nur betäubt, sie quasi ausgeschaltet. „Hier spüre ich mich und mein Leben, und das ist ein tolles Gefühl, auch wenn es mal nicht so glatt läuft.“

Bunt wie die Farben des Regenbogens ist das Bild, das Angela E. für ihre Familie gemalt hat. Sie entdecke sich in der Therapie vollkommen neu, sagt sie.

Ähnlich erlebt es Angela E. (34). „Ich entdecke mich völlig neu“, sagt sie. Als vor ein paar Tagen der Nikolaus da war, da habe sie sich wie ein kleines Kind gefreut. Seit ihrem 25. Lebensjahr ist sie mehrfach abhängig und jetzt seit fast einem Jahr völlig abstinent.

In der Salus-Kinik ist sie seit 13 Wochen. „Und ich merke, dass mir das gut tut“, erklärt sie. Es sei sogar ein schönes Leben. Auch ihr macht es Freude, für die Familie zu Hause Geschenke zu basteln. „Früher war Weihnachten Stress“, sagt sie. Jetzt erlebe sie die Tage und ihre Gefühle sehr intensiv. „Aber hier ist das ziemlich positiv.“

„Es ist gut, dass ich Weihnachten hier bin“, sagt Sascha T. (43). Je näher nämlich das Weihnachtsfest und der Jahreswechsel rücken, desto schwerer werde es für ihn, mit seinen Gedanken und Gefühlen klarzukommen. Früher habe er dann Kokain genommen, da habe er gar keine Gefühle gehabt. Seit zehn Wochen ist er jetzt in der Salus-Klinik, und zum ersten Mal erlebe er ganz intensive Gefühle – auch in der Vorfreude auf Weihnachten.

Gute Chancen

Die Salus-Klinik in Hürth ist eine Fachklinik für Psychosomatik und Abhängigkeitserkrankungen. In der Suchtabteilung werden Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen behandelt. Seit Juli 2017 bietet die Salus-Klinik suchtkranken Frauen die Möglichkeit, mit ihren Kindern im Frauenhaus zu leben.

Die Reha dauert bei Alkoholabhängigkeit etwa 13 bis 15 Wochen, bei Drogensucht 20 bis 26 Wochen. Bei einer Alkoholabhängigkeit schaffen es bis zu 55 Prozent, anschließend abstinent zu bleiben, bei Drogen gelingt etwa 40 Prozent der dauerhaften Ausstieg. Finanziert wird die Rehabilitation in der Regel von der Rentenversicherung. (mkl)