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Sie erhalten professionelle HilfeKinder werden Bilder vom Unfall in Hürth nicht vergessen

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Viele Menschen gedachten vor rund einer Woche der Unfallopfer. Darunter auch Mitglieder der Schulgemeinde der Carl-Orff-Grundschule, aber auch Angehörige und Freunde.

Viele Menschen gedachten vor rund einer Woche der Unfallopfer. Darunter auch Mitglieder der Schulgemeinde der Carl-Orff-Grundschule, aber auch Angehörige und Freunde.

Avin (10) und Luis (25) starben, nachdem ein 20-Jähriger in eine Schülergruppe gefahren war. Mitschüler mussten die Tragödie mit ansehen.

Vier Wochen sind seit dem schrecklichen Verkehrsunfall in Hürth vergangen. Die Blumen, die unweit der Unfallstelle an der Frechener Straße abgelegt wurden, sind längst verwelkt. Doch immer noch erinnern zahlreiche Kerzen und Kuscheltiere daran, dass dort am 4. Juni zwei Leben viel zu früh endeten. Avin (10) und Luis (25) starben, nachdem ein 20-Jähriger trotz roter Ampel in eine Schülergruppe gefahren war.

Die Erinnerung an die beiden Getöteten wird so schnell nicht verblassen. Und diejenigen, die mitansehen mussten, wie der BMW mit offenbar überhöhter Geschwindigkeit die Kinder und ihre Begleiter erfasste und wie es Luis noch gelang, mehrere der Viertklässler auf den Bürgersteig zurückzudrängen, bevor er selbst von dem Wagen erfasst wurde, werden diese Bilder so schnell nicht vergessen – wenn sie es überhaupt jemals tun.

Mit einer unserer speziellen Krisenbeauftragten war ich nach dem schlimmen Unfall auch an der betroffenen Schule in Hürth
Annette Greiner

Um diese Erfahrung zu verarbeiten, sind professionelle Hilfe, Feingefühl und Einfühlungsvermögen gefragt. Dafür gibt es den Schulpsychologischen Dienst des Rhein-Erft-Kreises. In enger Abstimmung mit der Polizei, der akutversorgenden Notfallseelsorge und der Schulleitung unterstützen die Mitarbeitenden die Schulen in solchen Akutsituation – auch die Carl-Orff-Grundschule in Hürth. Deren Schülerinnen und Schüler wurden Opfer des Unfalls.

„Wir beraten bei solchen extremen Geschehnissen die Schulleitung und das schulinterne Krisenteam, damit die Schüler, Eltern und Lehrer Hilfe und Begleitung bekommen“, sagt Annette Greiner (58). Sie ist Diplompsychologin und leitet seit drei Jahren die schulpsychologische Beratungsstelle des Rhein-Erft-Kreises mit ihren beiden Niederlassungen in Brühl und Bergheim.

Annette Greiner leitet die beiden Niederlassungen für den nördlichen und südlichen Rhein-Erft-Kreis der schulpsychologischen Beratungsstelle in Bergheim und Brühl.

Annette Greiner leitet die beiden Niederlassungen für den nördlichen und südlichen Rhein-Erft-Kreis der schulpsychologischen Beratungsstelle in Bergheim und Brühl.

Ihr Team zählt rund 20 Mitarbeiter. Gemeinsam sind sie für alle 144 Schulen im Rhein-Erft-Kreis zuständig. Zum Team gehören auch zwei spezielle Krisenbeauftragte. „Mit einer unserer speziellen Krisenbeauftragten war ich nach dem schlimmen Unfall auch an der betroffenen Schule in Hürth“, erklärt Greiner.

Sie waren aber nicht die einzigen, die schnelle Hilfe leisteten. „Die akute Versorgung der mittelbar und unmittelbar Betroffenen erfolgte direkt am Unfallort und an der Sammelstelle“, ergänzt der Sprecher des Kreisbehörde, Thomas Schweinsburg. Die Rede ist von den Notfallseelsorgern, deren Koordination zunächst in der Hand der Feuerwehr und Polizei gelegen hat. „Sie standen am Unfallort in wirklich großer Zahl zur Verfügung“, berichtet er. Involviert war auch der Opferschutz der Polizei des Rhein-Erft-Kreises.

Hürth: Kinder entscheiden über Art und Umfang der Hilfe mit

Zum Glück seien Schulunfälle, bei denen Schüler oder Lehrer schwere oder tödliche Verletzungen erleiden, selten, sagt Annette Greiner. Im Allgemeinen sei es dann so, dass die schulpsychologische Beratung auch bei der Analyse mitwirkt, wer zum Beispiel die Hilfe braucht und wie viele Lehrer und Schüler unmittelbar und direkt betroffen sind.

Sehr wichtig sei, dass die Kinder selber über die Art und den Umfang der Hilfe mitentscheiden sollten. „Die Hilfe darf ihnen möglichst nicht übergestülpt werden“, erklärt die Expertin. Wichtig sei auch, dass die Betroffenen wissen sollten, dass ihnen das Team der schulpsychologischen Beratung auch mittel- bis langfristig zur Beratung zur Verfügung steht.

Schweinsburg ergänzt: „Die Verarbeitung solcher traumatischen Ereignisse erfolgt ja höchst individuell und in verschiedenen Phasen.“ Es sei sogar möglich, dass es zu späteren Zeitpunkten bei Kindern, schulischen Mitarbeitenden und Eltern zu Ängsten oder anderen Auffälligkeiten kommen könne.

Der Schwerpunkt in den beiden Beratungsstellen liegt im Alltag allerdings auf anderen Themen:  „Wir beraten Lehrer und Eltern, wenn es zum Beispiel um die soziale Integration von Kindern und Jugendlichen in den Schulen geht, wenn Schüler zum Beispiel bedrückt wirken und den Eindruck vermitteln, im Klassenverband nicht angenommen zu sein“, erklärt Greiner.

Auch beim Verdacht oder dem Wissen auf Mobbing, Erpressung und Gewalt werden sie dazu geholt. „Unsere Aufgabe ist es, das System Schule mit allem was dazu gehört am Laufen zu halten.“  

Es ist schwer, mit Worten zu trösten
Pfarrvikar Dr. Stephan Kremer

Unterstützung und Begleitung erhielten die Kinder, die den Unfall mitansehen musste, auch von anderer Seite. Rund eine Woche nach dem Unfall wurde in der Pfarrkirche St. Maria am Brunnen ein ökumenischer Gottesdienst abgehalten. Etwa 120 Schülerinnen und Schüler der Carl-Orff-Grundschule entzündeten Kerzen und legten Teelichter in Herzform zusammen.

„Es ist schwer, mit Worten zu trösten“, sagte Pfarrvikar Dr. Stephan Kremer. Mehr noch als auf das, was man sagen könne, komme es darauf an, „den Kindern zuzuhören und ihnen die Gelegenheit zu geben, ihre Emotionen herauszulassen und auch zu weinen“.