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Kommentar zum Chaos in KerpenZwang bringt Stadtverwaltungen um qualifiziertes Personal

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Dominik Laufs (links) ist vom Rat der Kolpingstadt zum Ersten Beigeordneten ernannt worden. Er hält einen Strauß Blumen in der Hand.

Den Strauß Blumen hatte Dominik Laufs (links) nach seiner Wahl Anfang Februar 2023 erhalten.

Nach der Entscheidung zur Beigeordnetenwahl in Kerpen gibt es viel Kritik an der Bezirksregierung. Verantwortlich für das Chaos sind jedoch auch überkommene Denkweisen der Ratsfraktionen. Ein Kommentar.

Für das, was sich in dieser Woche in Kerpen ereignete, könnten verschiedene Film- und Buchtitel Pate stehen. Wie wäre es beispielsweise mit „Die unendliche Geschichte“? Oder mit „Und täglich grüßt das Murmeltier“? Auch der legendäre Ausspruch von Uwe Wegmann, der „Kobra“, nach einem verlorenen Spiel würde ins Schwarze treffen: „Erst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.“

Wer die politischen Ereignisse in Kerpen verfolgt, war vermutlich nicht sonderlich überrascht: Wieder wurde nichts daraus, dass ein vom Rat gewählter Kandidat seine Stelle als Erster Beigeordneter antreten kann. SPD-Mann Dominik Laufs fehlt die geforderte Führungserfahrung für ein Team mit mehr als 500 Mitarbeitenden. Und das hatte sich in der Hängepartie seit dessen Wahl Ende Januar abgezeichnet.

Auch in Brühl gibt es Ärger nach der Beigeordnetenwahl

Es ist müßig, sich nun daran aufzureiben, welche Behörde den Schwarzen Peter hat, auch wenn abschließend das Innenministerium in Düsseldorf den Daumen gesenkt hat. Wenn die Kreisverwaltung als nächsthöhere Kontrollinstanz keine Magenschmerzen gehabt hätte, die Wahl durchzuwinken, wäre daraus gar nicht erst ein Politikum geworden. Die Bezirksregierung hätte dem Vernehmen nach ein Auge zugedrückt, wollte aber auch nicht entscheiden. Folglich war die nächst- und letzthöhere Instanz am Zug.

Kerpen muss die Beigeordnetensuche nun wieder auf Null setzen. Denn es ist kaum davon auszugehen, dass Dieter Spürcks Protest beim Städte- und Gemeindebund gegen die Entscheidung von Erfolg gekrönt sein wird. Mit seinem Brühler Amtskollegen Dieter Freytag (SPD) beklagt der CDU-Mann eine „rigide Rechtsanwendungspraxis“. In der Schlossstadt ist die Ernennung von Kerstin Richter (SPD) ebenfalls fraglich – auch wegen möglicher fehlender Führungserfahrung.

Zwang nach Parteizugehörigkeit bringt Stadtverwaltungen um qualifiziertes Personal

Der Fehler liegt grundsätzlich woanders: Solange Kandidaten ohne die jeweils geforderte Parteizugehörigkeit keine Chance haben, bei einem Auswahlverfahren zu obsiegen, werden Stadtverwaltungen um qualifiziertes Personal gebracht. Dass es in Kerpen gerade mal drei Hände voll Bewerber auf eine Top-Stelle mit einem Jahressalär von 115.000 Euro gab, ist doch ein Indiz dafür, dass sich potenzielle Bewerberinnen und Bewerber gar nicht erst die Mühe machen, ihren Hut in den Ring zu werfen. Wohl wissend, dass sie ohne Parteibuch chancenlos sind.

Verantwortlich dafür sind überkommene Denkweisen, wonach Ratsfraktionen meinen, sie seien vom Informationsfluss aus dem Rathaus abgeschnitten, wenn nicht mindestens ein Beigeordneter oder eine Beigeordnete mit ihrer Parteizugehörigkeit im Verwaltungsvorstand vertreten ist. Solange sich diese Haltung nicht ändert, werden Bürgermeister wie Spürck und Freytag über vermeintliche Behördenwillkür schimpfen.

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