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Finster und makaberNeue Austellung in Kerpen ist nichts für schwache Nerven

3 min

Detail aus der „Bullchain“ von JX Williams zeigt das Bild links. Der Künstler arrangiert Requisiten der Sadomaso-Szene mit verschlissenen Kuscheltieren.

Kerpen – Kaum auszuhalten ist der erbarmungswürdige Anblick der Künstlerin Anne McGuire, deren gebrochenes Handgelenk mit Schrauben an einer eisernen Schiene fixiert ist, die wie ein Folterinstrument aussieht. Nackt und stark abgemagert stellt sie sich in einem sechsminütigen Video zur Schau, und der Schmerz über die Tortur, die sie für die Heilung zu erleiden hat, ist ihr im Gesicht abzulesen.

Platziert ist das Werk im „Zimmer der toten Fliegen“, einer aktuellen Installation von James Richards. Der britische Medienkünstler (Jg. 1983) steht im Mittelpunkt der aktuellen Ausstellung in Haus Mödrath – Räume für Kunst, die den vielsagenden Titel „When we were Monsters“ trägt. Zugleich fungiert er als Gastgeber für ein knappes Dutzend Kolleginnen und Kollegen, denen das stattliche Anwesen, das seit 2017 als Kunstort dient, ebenfalls eine exquisite Bühne bietet.

Starker Tobak wird den Kunstfreunden diesmal geboten, und empfindsame Gemüter seien vorsorglich gewarnt.

Mehrere intime Kinosäle

James Richards ist bekannt geworden mit Videocollagen, in denen er heterogenes Material aus unterschiedlichsten Quellen wie etwa privaten und öffentlichen Archiven und ausrangierten alten Videobändern kombiniert und daraus teils drastische, provokante Bilderfolgen kreiert. Diese ergänzt er um vielschichtige Soundtracks, die die Wirkung der Bilderströme verstärken oder abmildern.

Zu sehen sind in Haus Mödrath auch mehr als 300 Porträts von Elfen, Dämonen und außerweltlichen Wesen, die Margarethe Held in wenigen Monaten gezeichnet hat.

Monatelang hatte er anhand eines Modells die Ausstellung vorbereitet, die dann während des mehrwöchigen Aufbaus vor Ort Gestalt annahm. Mehrere intime Kinosäle sind entstanden, der Blick in den weitläufigen Park bleibt diesmal weitgehend verwehrt. Der Künstler hat einen schlüssigen Parcours konzipiert, in dessen Verlauf immer wieder inhaltliche Resonanzen erzeugt werden.

Obsessionen, Begierden, Unterdrückung und Homosexualität sind die beherrschenden Themen. Für „Rosebud“ etwa hat Richards in einer Tokioter Bibliothek Bildbände von Man Ray und Robert Mapplethorpe abgefilmt, in denen als obszön empfundene Inhalte akribisch per Hand weggeschliffen waren. Das 20-minütige Video „When we were monsters“ ist während der Corona-Krise in Zusammenarbeit mit Steve Reinke entstanden und basiert auf Aufnahmen von schwer verletzten und deformierten Körpern, die mit geisterhaften Bildern von Pilzen, Pflanzen, Blumen, Staub und Flecken verbunden werden. Schwer auszuhalten ist auch „Radio at night“, eine Montage von Impressionen aus dem Schlachthof, maskierten Feiernden und rollenden Augäpfeln.

Diese makabren Bilder aus seinem Skizzenbuch präsentiert James Richards in Leuchtkästen .

Erzählerisch geprägt ist Adrian Hernanides’ Installation mit Gegenständen aus der Wohnung eines verstorbenen Unbekannten. Eine abgewetzte Ledermatratze, Lippenstifte, erotische Fotografien, ein Plastikponcho und viele andere Dinge mehr lassen auf geheime Begierden schließen, denen der Besitzer hinter verschlossenen Türen frönte. Abgründe tun sich auch beim Anblick der „Bullchain“ von JX Williams auf, der Requisiten der Sadomaso-Szene mit verschlissenen Kuscheltieren und Percussion-Instrumenten auf dem Boden zu einem überdimensionalen Bettelarmband arrangiert.

Kuriositäten brechen die verstörenden Eindrücke gelegentlich auf: Dazu gehören Bastien Gachets Skulptur, für die der Künstler einen Fön, wie man ihn aus öffentlichen Schwimmbädern kennt, in ein Küchengerät für selbst gemachte Nudeln umfunktioniert hat, und die Videos des flämischen Klempners Louis Le Deboucheur, der mit einer Rohrkamera Abflussleitungen von innen filmt.

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„Das Zimmer der toten Fliegen“ wird sein Erscheinungsbild zudem im Verlauf der Ausstellung verändern, denn die Mitarbeiter im Haus Mödrath sind angehalten, verendete Insekten und Schmutz keinesfalls zu beseitigen.

Die Ausstellung „When we were Monsters“ läuft bis zum 20. März 2022. Geöffnet ist samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr. Eintritt 10 Euro inklusive Booklet. Haus Mödrath-Räume für Kunst, An Burg Mödrath 1, 50171 Kerpen.