Ärztin im InterviewKatrin Siegburg aus Kerpen spricht über Behandlung von Kranken in Kenia

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Hütten sind aus Wellblech und Planen gebaut.

Die Slumhütten in Athi River sind häufig aus einfachen Materialien zusammengezimmert.

Katrin Siegburg ist Frauenärztin und hat sechs Wochen ehrenamtlich in Kenia Menschen behandelt, die sich meist keinen Arzt leisten können.

Dr. Katrin Siegburg aus Horrem ist Frauenärztin und betreibt eine psychotherapeutische Praxis in Frechen-Königsdorf. Sechs Wochen lang hat sie nun in Athi River in Kenia in einer Gesundheitseinrichtung der German Doctors ehrenamtlich Patientinnen und Patienten aus dem dortigen Slum behandelt. Michael Henke sprach mit ihr über ihre Erfahrungen.

Wie kann man sich Athi River und das Leben dort vorstellen?

Katrin Siegburg: Es ist eine Industriestadt im Außenbereich von Nairobi und unglaublich staubig – durch Zementwerke, ungeteerte Straßen, den sandigen Boden und dadurch, dass es außerhalb der Regenzeit kaum Niederschläge gibt. Das 2020 eröffnete Fanaka Health Center der German Doctors liegt in einem Slum und kümmert sich überwiegend um die 70.000 Menschen, die sich sonst keinen Arzt leisten könnten.

Eine Frau steht im Garten.

Katrin Siegburg kurz nach ihrer Rückkehr aus Athi River im heimischen Garten.

Sie leben in Hütten, die teils nur aus Brettern zusammengezimmert sind. Es gibt oft keinen Strom, kein fließendes Wasser und keine Toiletten. Die Küchen bestehen häufig aus drei Steinen, zwischen denen ein Holzkohlefeuer brennt. Viele unserer Patienten arbeiten als Tagelöhner, was bedeutet, dass es Tage gibt, an denen sie nicht einmal genug Geld für Essen haben.

Wie ist das Fanaka Health Center aufgebaut?

Es arbeiten dort 30 hoch motivierte heimische Mitarbeiter sowie drei Ärzte, die für einen begrenzten Zeitraum aus Deutschland oder Österreich kommen. Die Patienten erhalten eine umfassende Betreuung, die neben medizinischer Behandlung auch Ernährungsberatung, Hilfe bei familiären Problemen, Physiotherapie und für die ganz Bedürftigen Lebensmittelpakete beinhaltet. In einer kleinen Akutstation können Wunden versorgt, Infusionen gegeben oder Abszesse geöffnet werden.

Menschen sitzen auf Bänke und warten.

Im Wartebereich des Fanaka Health Center wird nach Messen von Blutdruck und Temperatur nach Krankheitsschwere die Dringlichkeit einer Behandlung beurteilt.

Insgesamt werden etwa 1000 Patienten in der Woche betreut, wobei zum Ende des Monats weniger Menschen kommen, da die Behandlung einschließlich Medikamenten 200 Schilling, umgerechnet 1,30 Euro, kostet. Viele können sich das dann nicht mehr leisten. Insbesondere, wenn sie aus entfernteren Slums anreisen und noch die Kosten für die Fahrt, etwa mit einem Motorradtaxi, tragen müssen.

Mit welchen Erkrankungen kommen die Menschen?

Die Hälfte sind chronische Erkrankungen, wie wir sie auch in Deutschland kennen, zum Beispiel Bluthochdruck oder Diabetes, Atemwegserkrankungen und Unterleibsschmerzen. Die andere Hälfte sind Tropenkrankheiten, infizierte Wunden, Durchfallerkrankungen und auch HIV.

Ich habe überwiegend gynäkologisch gearbeitet und Frauen mit Blasenvorfällen, Unterleibs- und Harnwegsentzündungen und Schwangerschaften behandelt. Letztere hatten viele Frauen oft noch nicht bemerkt, obwohl sie teils bereits fortgeschritten waren. Auch mit Eileiterschwangerschaften, die unbehandelt tödlich verlaufen können, hatten wir es zu tun.

Bedeutet das, dass wenig Wissen über körperliche Vorgänge vorhanden ist?

Ja, weswegen wir uns viel Zeit für Gesundheitsaufklärung genommen haben, zum Beispiel über die fruchtbaren Tage im Zyklus oder dass zu wenig zu trinken Harnwegsinfektionen begünstigt. Das Problem ist, dass Trinkwasser in Kanistern mühsam herangeschafft und bezahlt werden muss und die Benutzung der öffentlichen Latrinen ebenfalls etwas kostet, weshalb die Menschen zu wenig Flüssigkeit zu sich nehmen.

Begrenzte Möglichkeiten

Gesundheitliche Aufklärung war ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Dabei haben mir Übersetzerinnen geholfen, die den kulturellen Hintergrund der Menschen kennen, denn es existiert viel Aberglaube über bestimmte Zusammenhänge, zum Beispiel, dass ein Kind schielt, weil es in den Spiegel gesehen hat.

Konnten Sie genauso behandeln wie in Deutschland?

Die Möglichkeiten waren viel begrenzter. Zur Diagnostik hatte ich ein neues Ultraschallgerät zur Verfügung, das aus Spendengeldern angeschafft werden konnte. Es gab keinen gynäkologischen Stuhl, sondern die Untersuchungen fanden auf einer Liege statt. Früherkennungsuntersuchungen, bei uns ein wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsvorsorge, gibt es so gut wie gar nicht. Therapeutisch waren wir ebenfalls eingeschränkt.

In vielen Fällen geheilt

Zwar hatten wir ausreichend Medikamente zur Therapie von schweren Erkrankungen und konnten diese kostenlos an unsere Patienten abgeben. Wenn es dann aber um so etwas wie Wechseljahrsbeschwerden oder Veränderungen an der Gebärmutter geht, kommt man schnell an Grenzen. Das war für mich schmerzlich, jemandem, der gut zu behandeln gewesen wäre, wegen fehlender Mittel nicht helfen zu können.

Dennoch haben Sie Ihre Arbeit als sinnvoll erlebt?

In vielen Fällen konnten wir heilen, zum Beispiel bei Unterleibsinfektionen oder Brustentzündungen durch die Gabe von Antibiotika. Auch die Gesundheitsaufklärung, nicht nur in der Einrichtung, sondern auch bei Community Walks, eine Art von Hausbesuchen, habe ich als wirksam erlebt. Es war für mich spürbar, dass die Präsenz der German Doctors das Leben der Menschen deutlich verbessert.

Warum haben Sie die German Doctors für Ihren Hilfseinsatz gewählt?

Diese Hilfsorganisation bietet die Möglichkeit, für sechs Wochen ins Ausland zu gehen. Man braucht also sein hiesiges Leben nicht für längere Zeit aufgeben oder seine Stelle kündigen. Es war jetzt mein dritter Einsatz, und ich habe mich sicher und gut vorbereitet gefühlt. Der Einsatz hat sich auf jeden Fall gelohnt, für mich persönlich und, wie ich hoffe, auch für die Menschen. 

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