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Der Ort bleibt, die Häuser fallenMorschenicher chancenlos im Kampf gegen die Bagger

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Die stählernen Baggergreifer sortieren die Bestandteile der Abrisshäuser auseinander.

Kerpen-Buir/Morschenich – Die Balken haben dem stählernen Greifer des Baggers nichts entgegenzusetzen. „Kracks“, sie zerbrechen. Dann greift der Bagger erneut zu. Das könnten Rohre sein. Auch sie landen auf dem riesigen Stapel. Metall scheppert auf Metall.

Den Fußballspieler stört das nicht. Er trabt auf der Torauslinie bis zur Eckfahne, zieht den Sprint quer über das ganze Feld an und trabt auf der Gegenseite zurück zum Tor. Die Aufmerksamkeit des Wachmanns mit der gelben Leuchtweste gehört eindeutig dem zähen Kicker, der ein Stück Normalität auf dem Sportplatz vorlebt, die vor der Kulisse der Abrissbagger unwirklich erscheint.

Ein einsamer Sportler trainiert auf dem Morschenicher Fußballplatz seine Ausdauer – im Hintergrund der Hambacher Forst.

Unmittelbar neben dem Morschenicher Sportplatz fällt ein Haus nach dem anderen in sich zusammen. In zersplitterten Fenstern spiegeln sich Gärten voller Holztrümmer. Aus der Dachgaube fliegen Paneele im hohen Bogen ins Freie. Haustüren liegen neben den Türrahmen. Wieder brechen Dachbalken entzwei. All das hört der Sportler nicht. Was aus blauen Kopfhörern in seine Ohren dringt, weiß nur er. Er ist in seiner eigenen Welt.

In ihre alte Welt wollen hingegen Dagmar und Jürgen Gerden zurück. Die beiden sind Biobauern und haben Morschenich in Richtung Düren verlassen. In den Umsiedlungsort Morschenich-neu sind sie nicht gezogen. Jetzt, kurz nachdem die Landesregierung verkündet hat, dass der Hambacher Forst und das alte Morschenich doch nicht den Braunkohlebaggern zum Opfer fallen sollen, wollen sie zurück in ihr Dorf. „Wir wollen unser altes Haus zurückkaufen, sind aber schon dreimal mit diesem Anliegen bei RWE gescheitert“, klagt der 49-jährige Gerden.

Die Holzvertäfelung fliegt aus dem Fenster der Dachgaube.

Das gehe gar nicht mehr, weist RWE- Sprecher Guido Steffen die Idee zurück. „Die Häuser haben durch den Zahn der Zeit und durch Vandalismus sehr gelitten.“ Der Großteil der Umsiedler, der Bürgerbeirat und die Gemeinde seien sehr zufrieden mit dem Umsiedlungsort und wollten nicht mehr zurück.

„Bis letzte Woche war unser Haus noch intakt. Wenn die Entscheidung schnell fällt, könnten wir es noch retten“, hält Bauer Gerden dagegen. Kohlekritiker und die Initiative „Alle Dörfer bleiben“ unterstützen ihn.

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Es gebe Pläne der Stadt, Morschenich-alt durch Neuansiedlungen von Firmen für innovative Technologien in einen Ort der Zukunft zu verwandeln, führt RWE-Sprecher Steffen ins Feld. „Aber das wird ein paar Jahre dauern“, sagt er. Gerden kontert: „Studenten sollen gefragt werden, aber die Leute, die da wohnen, nicht.“

Gemeinsam mit der Interessengemeinschaft „Morschenich-alt lebt“ wollen Gerdens weiterkämpfen. Steffen hält ihr Ansinnen für schwierig und schwer zu verwirklichen: „Wer jetzt in sein altes Haus zurückzieht, der wohnt vielleicht in fünf Jahren an einem Parkplatz eines Biomedizin-Zentrums. Morschenich ist kein Dorf mehr, nur noch eine Gemarkung.“