Die Linke verliert ein prominentes Mitglied im Kreistag und macht unbeirrt weiter wie bisher. Und die Städte sind sich auch selbst die nächsten.

Kommentar zu Eigensinn in Rhein-ErftWas die Linke mit Tourismus gemein hat

Blick in den Braunkohletagebau Hambach gesehen vom Forum :terra nova aus
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Die Beziehung ist zerrüttet, beide Partner haben sich auseinander gelebt. Wie sie früher über sich und andere gedacht haben und was die Basis fürs Zusammenleben gewesen ist – all das ist weg. Und dennoch sagen sie: Hey, alles gar nicht so schlimm, wir teilen weiter unser Bett, schließlich ist es ja auch günstiger, weiter unter einem Dach zu wohnen. Sollen die anderen doch denken, was sie wollen.
So ähnlich muss man sich die Gemütslage der Linkspartei im Rhein-Erft-Kreis – aber nicht nur dort – seit dieser Woche vorstellen. Seit deren Kommunismus-Ikone Sahra Wagenknecht zu Wochenbeginn ihren lange angekündigten Austritt bei den Linken wahr gemacht und die Gründung einer eigenen Partei angekündigt hat, sind Funktionäre auf allen Ebenen angesichts dieser absehbaren Spaltung darum bemüht, nicht von der politischen Bildfläche zu verschwinden und in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Die Linksfraktion fürchtet um ihren Fraktionsstatus und um Geld
Auch im Rhein-Erft-Kreis beziehungsweise in der Kreistagsfraktion ist Schadensbegrenzung das Gebot der Stunde. Da hat die stellvertretende Vorsitzende Martina Thomas aus Hürth nicht lange nachdenken müssen, um ihr Parteibuch zurückzugeben – vermutlich in der Absicht sich dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ anzuschließen.
Was die Kreistagsfraktion um ihren Vorsitzenden Hans Decruppe freilich nicht zum Anlass nimmt, sich ihrerseits von Thomas zu trennen. So lange sie – und möglicherweise andere, die ihr folgen werden – weiter zum Kommunalwahlprogramm von 2020 stehen, muss sie ihren Stuhl nicht räumen.
Was die Linken fürchten: Sobald Martina Thomas und ein weiteres Mitglied der vierköpfigen Fraktion im Kreistag ihr eigenes Ding machen, verlieren sie ihren Status als Fraktion. Und damit Geld – das sie aus der Kasse des Kreises für ihre Arbeit im Kreistag und für die personelle Ausstattung ihres Büros erhalten. Mag sein, dass den Linken der Gedanke, dass jemand aufgrund einer Aufsplitterung seinen Job verliert, als unsozial erscheinen.
Wie aber ist es zu bezeichnen, wenn eine Partei aus reinem Kalkül ungeachtet interner unterschiedlicher politischer Auffassungen nach außen hin Geschlossenheit vorgaukelt? Auch wenn die vier Kreistagsmitglieder 2020 kein Direktmandat gewonnen haben, sondern aufgrund des Wahlergebnisses der Linken im Kreis in das Gremium eingezogen sind, dürfte sich so mancher Wähler von damals fragen, ob seine Interessen und Überzeugungen durch eine in Teilen deutlich nach links rückende Fraktion noch wahrgenommen werden.
Wirtschaftskraft wird durch den Strukturwandel dramatisch sinken
Auch diese Erkenntnis hat diese Woche gebracht, auch wenn sie nicht ganz neu ist. Gleichwohl zeigen zwei Zahlen erneut auf, vor welchen Herausforderungen unsere Region steht. 15 000 Arbeitsplätze sind in den kommenden Jahren vom Strukturwandel betroffen, die Wirtschaftskraft der Region wird um 1,5 bis zwei Milliarden Euro sinken. Diese Eckdaten bildeten unter anderem den Rahmen für den zweiten Tourismustag, zu dem Landrat Frank Rock (CDU) nach Kerpen eingeladen hatte.
Und entgegen der sonst oft üblichen Schulterklopfer brachte dies Veranstaltung eine bittere Prognose ans Tageslicht: Der Tourismus wird den wegbrechenden Wertschöpfungsprozess durch die Braunkohle und die Energieerzeugung nicht auffangen können. Schon gar nicht allein. Und die Voraussetzungen sind alles andere als gut. Laut Experten steht das Rheinische Revier in der Tourismusbranche vor allem für „Kirchturmdenken“.
Womit wir wieder bei den Linken wären: Jeder denkt nur an sich.