Zweite Chance für Torte und BierHier ist Lebensmittelrettung in Rhein-Erft möglich

Zu Schade für die Tonne: ein Paket aus Kuchen und Brötchen.
Copyright: Seidel/Herpertz
Rhein-Erft-Kreis – Ein großes Stück Waffeltorte mit Sahnefüllung und Beerentopping, ein Stück Karottenkuchen mit Frischkäse-Topping und ein Stück Zimtschnecken-Torte – was nach nahender Diabetes klingt, war inklusive dreier Brötchen die Ausbeute einer „Too Good To Go“-Bestellung. Dies ist der Name einer App, deren Entwickler es sich zur Aufgabe gemacht haben, dass weniger Lebensmittel zum Beispiel aus der Gastronomie weggeworfen werden. Stattdessen werden sie für wenige Euro verkauft.
Wenn zum Beispiel ein Café am Ende des Geschäftstages noch Kuchen übrig hat, der am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden kann, inseriert es in der App ein Überraschungspaket zur Abholung. Den Nutzern der kostenfreien App wird das Angebot auf dem Handy angezeigt. Sie wählen es aus, bezahlen online und holen es im Geschäft innerhalb eines festen Zeitraums ab. In der Regel bezahlt der Kunde dann noch etwa ein Drittel des tatsächlichen Werts der Speisen und Getränke im Paket.
Eine Freude bereiten
Im Rhein-Erft-Kreis machen erst wenige Betriebe mit, darunter nicht nur das Brühler Café Buschheuers, sondern auch das LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler. Beide Angebote haben wir getestet.
5,4 Millionen Portionen gerettet
2016 ist die App „Too Good To Go“ in Deutschland an den Start gegangen. Im selben Jahr hat sie nach Angaben der Entwickler auch die erste Mahlzeit im Rhein-Erft-Kreis gerettet. Bis zu 22 Betriebe sind im Kreis phasenweise im Boot. Dadurch hätten schon rund 11 400 Speisen und Getränke gegen kleines Geld einen Abnehmer gefunden und seien so vor der Tonne gerettet worden. Deutschlandweit hat die App 4,2 Millionen Nutzer, die 5,4 Millionen Portionen Essen und Trinken darüber gekauft haben.
Teilnehmende Betriebe zahlen für die Nutzung der App eine jährliche Gebühr von 39 Euro. Pro verkaufter Mahlzeit oder Paket erhalten die App-Gründer 20 bis 30 Prozent Provision des Verkaufspreises. (jes/smh)
Seit etwa einem Jahr ist das Traditionscafé Buschheuers an Uhlstraße dabei. Gerrit Mettelsiefen, Sohn der Inhaberin Magret Buschheuer und gelernter Koch, hatte die Idee dazu: „Ich habe schon lange überlegt, das abzugeben, was bei uns übrig bleibt.“ Meist seien es einzelne Kuchenstücke, die am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden könnten – etwa eine Portion pro Tag, manchmal auch zwei. „Wegschmeißen tut schon weh“, sagt Mettelsiefen. „Stattdessen mache ich anderen Menschen lieber eine Freude. Wenn mal nichts übrig bleiben sollte, können wir das Angebot auch rausnehmen. Dann bekommt der Kunde sein Geld erstattet, falls die Portion schon verkauft wurde“, erläutert Mettelsiefen.

Gerrit Mettelsiefen vom Café Buschheuers hatte schon lange den Wunsch, weniger Lebensmittel zu verschwenden. Dank einer App konnte das Café schon 237 Portionen retten.
Copyright: Seidel/Herpertz
Die Resonanz sei gut: Seitdem das Café dabei sei, seien schon 237 Portionen verkauft worden, berichtet Mettelsiefen. Sogar aus Köln kämen Kunden, um Ware abzuholen.
Um noch nachhaltiger zu sein, bittet er die Kunden, eigene Vorratsschüsseln mitzubringen, um Verpackungsmüll einzusparen. „Wegen der Corona-Pandemie müssen wir aber derzeit den Kuchen selbst einpacken, um ihn kontaktlos überreichen zu können. Aber das Ziel ist, dass wir so auch anderen Müll einsparen können“, erläutert Mettelsiefen.

Drei statt neun Euro zahlen App-Nutzer für das Abtei-Bier.
Copyright: Seidel/Herpertz
Im Abtei-Shop Brauweiler gibt es für die App-Nutzer zurzeit überwiegend Bier zu einem vergünstigten Preis abzuholen. Wer einmal das Starkbier, das eigens für die Abtei gebraut wird, probieren mag, zahlt statt neun Euro für ein Paket von drei Flaschen, deren Haltbarkeitsdatum bald abläuft, über die App nur drei Euro. Zehn Tage war das Bier noch haltbar, das wir dort abgeholt haben.
Das könnte Sie auch interessieren:
„Einerseits können wir durch die App noch etwas für Waren einnehmen, die bald ablaufen. Andererseits können wir so etwas in Sachen Nachhaltigkeit leisten“, so Gabriel Gach, der im LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler für Tourismus und Marketing zuständig ist und diesen Verwertungsweg eingeführt hat. Seit Juni sind 157 Dreierpacks Bier und 84 Überraschungspakete à vier Euro mit Ölen, Seifen und Keksen über die App verkauft worden. „Am Anfang haben wir die Waren, die ablaufen, an unsere Mitarbeiter verschenkt. Aber da geht auch nicht immer alles weg“, so Gach. Nun hat ein- bis dreimal die Woche jeder die Möglichkeit, die Ware zu testen und Gutes zu tun.