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Auf dem Weg in die Freie Republik „Liberland“17-Jähriger aus Niederkassel landet im kroatischen Knast

Lesezeit 4 Minuten

Niederkassel – Auf der Suche nach der Freiheit landete der Vorsitzende der Jungen Liberalen Rhein-Sieg im Knast. 23 Stunden in einer Keller-Zelle in Kroatien, ohne Wasser und Nahrung, ohne Fenster und Toilette, ohne seine Brille – wenn Kristian Schreitz am heimischen Esstisch in Lülsdorf von den Ereignissen der vergangenen Tage berichtet, ist er immer noch fassungslos. Schreitz ist minderjährig, 17 Jahre alt und Schüler – und er ist sich keiner Schuld bewusst. Sein Vergehen: Er wollte nach „Liberland“. Und geriet in einem EU-Land in politische Gefangenschaft.

Seine Eltern sahen die Reise mit gemischten Gefühlen. „Wir hatten aber eher Angst vor den Serben“, sagt Martina Schreitz, 53, und haben ihm geraten: „Wenn etwas passiert, flieh in die EU, nach Kroatien.“ Die fünffache Mutter wirkt nach der Rückkehr ihres Sohnes schon wieder gefasst. Als die Nachricht kam aus dem Liberland-Basiscamp, ihr Sohn werde vermisst, setzte sie sich sofort mit der Deutschen Botschaft in Verbindung. In vielen Telefonaten erfuhr sie dann, dass er in Haft sitzt, und dass ihm der Prozess gemacht wird – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. „Vor den Gesprächen habe ich viel geweint“, sagt Martina Schreitz, „aber nicht währenddessen; eine hysterische Mutter kann keiner gebrauchen.“

Nach der Rückkehr erfuhren die Eltern die ganze Geschichte: Nach dem Flug nach Belgrad hatte sich ihr Sohn in den Bus gesetzt, wurde in einer Kleinstadt nahe der Grenze von den Liberland-Aktivisten abgeholt. Zuvor hatte es einige Wochen lang Kontakte gegeben, hauptsächlich über Facebook. Ziel war das Camp auf serbischen Gebiet direkt an einer Donaubrücke. Sechsmal überquerte Kristian Schreitz diese Brücke zusammen mit anderen in einem Auto, auf dem Weg zum etwa sieben Kilometer entfernten „Liberland“ stoppte die Polizei sie und schickte sie zurück.

Status umstritten

Zusammen mit einem 23-jährigen Tschechen machte sich Kristian dann am Samstagabend zu Fuß auf den Weg, durch Felder und Wälder, vorbei an Polizeiposten, auch in Booten auf der Donau. Sie erreichten Liberland, schliefen wenige Stunden auf einem Hochsitz. Und wurden am Sonntagmittag von der Grenzpolizei aufgegriffen, mussten sich bis auf die Boxershorts entkleiden. Auf dem Territorium, das zwar auf kroatischer Seite der Donau liegt, „das aber für die Kroaten zu Serbien gehört“, erklärt Kristian. Die Durchsuchung wäre demnach illegal gewesen. Das Gebiet ist nur eines an der Donau, dessen Status umstritten ist. Die Serben beanspruchten Liberland gar nicht für sich, so Kristian, sie zählten andere, größere Bereiche zu ihrem Staatsgebiet, die aber auch Kroatien für sich reklamiert. Eine verzwickte Lage.

Und der Niederkasseler mittendrin. Er habe mit Schwierigkeiten gerechnet, sagt der Schüler. Was dann aber geschah nach seiner Festnahme hätte er nicht für möglich gehalten „in einem EU-Land“. Der 17-Jährige durfte nicht die Deutsche Botschaft anrufen, sondern nur einen Kontaktmann im Basis-Camp. „Nach zwei Sätzen legte der Polizist den Finger auf die Gabel.“ Dann wurde er ins Gefängnis gesteckt, auf seine Bitte, Wasser trinken zu dürfen, habe der Wächter nur verächtlich gegrinst. Statt einer Toilette habe es nur ein Loch im Boden gegeben, das einzige Mobiliar sei ein altes, kaputtes Bett gewesen „mit einer stinkenden Decke und einem bepinkelten Kopfkissen“.

Kurzer Prozess ohne Urteil

Am Montag gab es einen kurzen Prozess ohne Urteil. Erst danach erhielt er seine Brille, seinen Gürtel und seinen Ring zurück, ein Geschenk seiner Freundin. Draußen empfingen ihn die Leute in den schwarzen Liberland-T-Shirts. „Ich habe erstmal geweint, so froh war ich, Leute zu sehen, die mir sympathisch sind und die meine Würde respektieren. Und ich musste etwas trinken, ich war ja mehr als einen Tag ohne Wasser.“ Wenige Minuten später posteten die Aktivisten auf der Facebook-Seite ein Bild von Kristian in Freiheit; den Eltern in Lülsdorf fiel ein Stein vom Herzen.

Der Juli-Vorsitzende empört sich: Er sei nicht nur menschenunwürdig und verächtlich behandelt worden, „die Personenkontrolle auf aus kroatischer Sicht serbischem Territorium und die Verschleppung nach Kroatien widersprechen der Genfer Konvention“, sagt der Schüler, dessen Vater Rechtsanwalt und ebenfalls in der FDP engagiert ist. Die Grenzpolizei habe betont, dass sie in ihm keinen Kriminellen sähen, sondern einen „Abenteuertouristen“, erzählt der Schüler. „Dann möchte ich nicht wissen, wie Kroatien seine Kriminellen behandelt.“

Mit der Rückreise nach Deutschland – mehr als 24 Stunden mit dem Bus von Serbien nach Köln – ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Die Deutsche Botschaft hat Kristian Schreitz aufgefordert, die Haft und den Prozess in einem Schreiben zu schildern. Und dann will der Jugendliche die Republik Kroatien vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.