„Der Entschluss war alternativlos“Nationaltrainer über die Paralympics

Lesezeit 4 Minuten
Trainer Martin Otto und seine Frau Silke, Betreuerin der deutschen Damen-Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft, müssen ein weiteres Jahr auf die Austragung der Paralympics warten.

Trainer Martin Otto und seine Frau Silke, Betreuerin der deutschen Damen-Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft, müssen ein weiteres Jahr auf die Austragung der Paralympics warten.

Rhein-Sieg-Kreis – Martin Otto (57) aus Bad Honnef muss sich weiter gedulden, ehe sein Traum von der ersten Teilnahme an den Paralympischen Spielen als Trainer in Erfüllung geht. Denn die Paralympics in Tokio (Japan) sind – ebenso wie die Olympischen Spiele – wegen der Corona-Pandemie auf 2021 verschoben worden. Dies gab das Internationale Olympische Komitee (IOC) am gestrigen Dienstag bekannt. Olaf Pohl hat mit dem Coach der deutschen Damen-Nationalmannschaft im Rollstuhl-Basketball darüber gesprochen.

Herr Otto, das IOC hat sich dem Druck von Sportlern und Verbänden gebeugt und die Spiele in Tokio verschoben. Sie sollen nun spätestens im Sommer 2021 nachgeholt werden. So finden auch die Paralympics erst im nächsten Jahr statt, schließlich sind diese bis 2032 vertraglich an die Olympischen Spiele gekoppelt.

Otto: Das ist auch gut so. Ohne Olympia sollte es keine Paralympics geben und umgekehrt genauso.

Zur Person

Martin Otto (57) wohnt in Bad Honnef, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Der Lehrer am Basketball-Internat Schloss Hagerhof übernahm im Februar 2017 das Amt des Cheftrainers der deutschen Damen-Nationalmannschaft im Rollstuhl-Basketball.

Als Nationalspieler feierte er bei der EM 1999 (Silber) und 2002 (Bronze) seine größten Erfolge. Otto nahm zudem aktiv an den Paralympics 2000 (Sydney) und 2004 (Athen) teil. Denn beim Rollstuhl-Basketball dürfen auch so genannte „Fußgänger“ mitspielen – also Menschen ohne Behinderung, die sich in den Rollstuhl setzen. (opo)

Das IOC hatte eine Komplett-Absage der Spiele stets ausgeschlossen. Am Sonntag räumte man sich aber immerhin eine vierwöchige Frist ein, um über eine mögliche Verlegung zu entscheiden. So viel Zeit hat man sich nicht gelassen und bereits jetzt die Verschiebung verkündet – die richtige Entscheidung?

Otto: Die einzig richtige. Die momentane Situation ist kritisch. Natürlich hat das IOC alles versucht, um eine planmäßige Austragung zu realisieren. Aber das hätte absolut keinen Sinn gemacht. Ich war von Anfang an für eine Verschiebung.

Wieso?

Otto: Ich gehe davon aus, dass man das Infektionsrisiko bis August nicht restlos in den Griff bekommt. Was wäre passiert, wenn die Welt die Ausbreitung des Corona-Virus bis dahin zwar gestoppt hätte, die Zahlen durch die Wettkämpfe bei Olympia und den Paralympics aber plötzlich wieder explodiert wären? Aus gesundheitlicher Sicht war der Entschluss des IOC alternativlos. Ich hatte mich diesbezüglich auch mit Claude Weynandt, einer meiner ehemaligen Spielerinnen, ausgetauscht. Sie ist unsere Teamärztin, arbeitet an der Charité in Berlin und ist medizinisch auf dem neuesten Stand.

IOC beugt sich

Die Paralympischen Spiele (Paralympics) sind die an die Idee der Olympischen Spiele angelehnten globalen Wettkämpfe für Sportler mit Behinderung. Sie finden turnusmäßig alle vier Jahre im Anschluss an Olympia (und am selben Ort) statt. Beide Events sind bis 2032 vertraglich aneinander gekoppelt. Die 16. Sommer-Paralympics in Tokio (Japan) hätten vom 25. August bis zum 6. September stattfinden sollen.

Durch die Corona-Krise waren die Rufe nach einer Verschiebung zuletzt aber immer lauter geworden. Am Dienstag beugte sich das Internationale Olympische Komitee dem Druck und verkündete die Verlegung auf 2021. Kanada hatte bereits erklärt, im Falle eines Festhaltens am ursprünglichen Termin keine Athleten zu entsenden. (opo)

Hat sich Ihr Team trotzdem bis zuletzt auf den Startschuss im August vorbereitet?

Otto: Klar. Wir mussten uns ja fit halten. Denn wäre es beim ursprünglichen Termin geblieben, hätten wir bereit sein müssen. Das Mannschaftstraining ist aber längst zum Erliegen gekommen. Das Oster-Camp und Lehrgänge wurden gestrichen, die Fitnessstudios sind geschlossen und nicht mal Hallen für individuelles Wurftraining stehen zur Verfügung. Die Spielerinnen haben Ausdauertraining betrieben und sich gegenseitig Übungsvideos für zu Hause zugeschickt. Aber letztlich waren das alles nur Methoden, um die Zeit irgendwie zu überbrücken. Die Situation war frustrierend. Jetzt herrscht zumindest Klarheit.

Das könnte Sie auch interessieren:

Sie waren 2000 und 2004 bereits als Spieler bei den Paralympics dabei, 2021 folgt nun Ihre Premiere als Bundestrainer. Wie groß wäre die Enttäuschung über eine generelle Absage gewesen?

Otto: Sehr groß. Wir haben vier Jahre lang auf die Paralympics hingearbeitet und eine grundlegend neue Mannschaft aufgebaut, die sich qualifiziert hat und konkurrenzfähig ist. Auch meine ganze Familie hat den Paralympics entgegengefiebert und sich Karten für die Eröffnungs- und Abschlussfeier gekauft. Sehen wir es mal positiv: Jetzt haben wir noch ein Jahr länger Vorfreude.

Rundschau abonnieren