Schellack-Platten und RöhrenradiosWerner Otto aus Lohmar macht aus alten Musikgeräten Kunst

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An der Wand hängt ein künstlerisch verfremdeter Plattenspieler

Ein Plattenspieler aus dem 1980er Jahren: Zu hören ist nur noch das Rascheln der Kaffeebohnen, die sich auf dem Plexiglasteller drehen.

Wenn dieser Plattenteller rotiert, ertönt nur das Rascheln von Kaffeebohnen: Der Lohmarer Werner Otto macht Kunst aus alter Technik. 

LPs und Singles spielt das Musikgerät aus den 1980er Jahren längst nicht mehr ab. Dafür ertönt ein leises Rascheln, wenn sich der Plattenteller dreht. Beim näheren Hingucken sind tatsächlich Kaffeebohnen zu erkennen, durch die Lücken schimmern LED-Lichter, ebenso wie durch das eingesetzte Lochblech im Kopf des Tonarms. Ein Werk des Lohmarer Tüftlers, der sich zum Künstler gemausert hat.    

Präsentiert er die alte Technik in neuem Gewand, freut sich der 71-Jährige wie ein Kind. Tatsächlich ist eines der historischen Stücke mit ihm in die Jahre gekommen. Den Dual 1002 hatten die Eltern einst angeschafft für 800 Euro, 1953 ein Durchschnittsmonatseinkommen. Für die Familie ein kleines Vermögen, gut, dass es Ratenzahlung gab. „Der Dual ist genauso alt wie ich.“

Der Vater spielte Mundharmonika - und hörte alles vom Schlager bis zum Swing, erzählt Otto. Und der kleine Werner durfte den Plattenwechsler, der in einer Truhe steckte, für seine Märchen in Gang setzen. Um mit den Armen hineinzureichen, musste der Junge ein Fußbänkchen besteigen.

Werner Otto hat lange Jahre als Radio- und Fernsehmechaniker gearbeitet

Das Abspielgerät, mit dem man zehn Schallplatten automatisch nacheinander hören kann, hat Otto aus seinem altmodischen Holzgehäuse befreit; durch eine Plexiglashülle, unten schwarz, oben transparent, wurde es zum Hingucker. Der gelernte Schaufenstergestalter, der autodidaktisch lange Jahre als Radio- und Fernsehmechaniker arbeitete, machte den Wechsler wieder flott.

Das ist ein Stück erlebbare Geschichte.
Tüftler Werner Otto vor dem Saba-Röhrenradio mit Durchblick in seiner Lohmarer Wohnung

Er greift einen Stapel Schellack-Scheiben, lässt diese auf den Mittelstab gleiten, dreht einen Schalter, eine der gerillten Platten senkt sich herab, der Tonarm schwenkt zur Seite, die Nadel setzt auf mit einem leisen Plopp. „Che sera, sera“ erklingt - ein warmer Klang mit leisem Knistern. 

Auf dem Regalbrett darüber steht ein riesiges Saba-Röhrenradio, früher ein wahres Ungetüm im Stil Gelsenkirchener Barock, heute, ohne die klobige Eichenverkleidung, eine moderne Zierde. Die Skalen leuchten, das magische Auge zieht den Betrachter in den Bann. Von der Seite erlaubt das Plexiglas den Durchblick, zeigt die nackte Technik. „Das ist ein Stück erlebbarer Geschichte“, schwärmt Werner Otto und dreht am Rad: Es läuft.       

Ein Mann betrachtet ein Radio auf einem Regal voller alter Musikgeräte

Raus aus dem Gelsenkirchener Barock, rein ins Plexiglasgehäuse. So wird die Technik des Saba-Röhrenradios erlebbar, schwärmt der Lohmarer Tüftler Werner Otto.

Der Mann hat Ideen. Ein handlicher Braun-Plattenspieler im 50er-Jahre-Design ist schon pur ein Hingucker. In den Tonarm hat der Tüftler LED-Lämpchen eingebaut. Dort, wo vormals die Kabel im Innern verschwanden, ist jetzt eine quadratische Lücke mit abgerundeten Ecken. Dort will er schwarzen, Hochglanz-Kunststoff einsetzen, eingefräst den klassischen Namenszug des Herstellers, das Ganze von hinten beleuchtet.

Ein origineller Wandschmuck, ein Stück Nostalgie. Mit einem Freund aus Rösrath, der in seiner Firma Ottos skizzierte Ideen in Plexiglas umsetzt, habe er einen guten Partner für seine Projekte gefunden. Noch hängen die Kunstwerke allesamt in der Wohnung in Birk, in die er mit seiner Ehefrau Dagmar gezogen ist nach dem Verkauf ihres Einfamilienhauses. Doch der Platz wird knapp.

Lohmarer möchte die gute, alte Technik hinüberretten ins 21. Jahrhundert

Interessenten könnten gerne anklopfen, die Kaffeebohnen-Anlage, die gelbe Lichtblitze in den Raum schleudert, „die würde sich doch gut in einem Café machen“. Kostenpunkt? Otto überlegt, überschlägt den  Materialaufwand unter anderem für den doppelten, drehbaren  Plexiglaskreis, zählt an den Fingern die Arbeitsstunden ab: „500 Euro.“

Recycling oder Upcycling sind im Trend - wie man das neumodisch nennt, ist dem Tüftler wurscht. Er möchte die gute, alte Technik hinüberretten ins 21. Jahrhundert, wo zwar Vinyl wieder boomt, wo es sündhaft teure Geräte gibt, die aber aus seiner Sicht nicht so viel taugen, wie der Preis erhoffen lässt. Damals, ja damals war tatsächlich vieles besser, sagt der Experte. Keine Plastikzahnräder zum Beispiel, die reif für die Tonne waren, wenn sie nur ein Zähnchen verloren. Keine flexiblen Kunststoffverbindungen, die nach vierwöchigem Gebrauch brechen. 

Kabel, Drähte, Lötkolben und allerhand Ersatzteile aus ausgeweideten Plattenspielern, Radios, Tonbandgeräten liegen auf seinem Basteltisch. Nach dem ersten Artikel in unserer Zeitung hätte das Telefon nicht stillgestanden, mehr als 300 Leute seien vorbeigekommen mit Speicher- und Kellerfunden aus den vergangenen Jahrzehnten. Eine junge Frau hatte gar das Grammophon der Großeltern dabei. Als es wieder lief, flossen die Tränen. 

Erinnerungen bewahren, das ist auch Gefühlssache. Werner Otto hat nicht nur Technik gesammelt, sondern auch Geschichten. Er liebt Musik und mag die Menschen. „Lebensfreude, das ist es“, sagt er und blickt seine Frau strahlend an. „Dass sie das alles so mitmacht, dafür bin ich dankbar.“ Sein neuestes Projekt macht ebenfalls ziemlich gute Laune. Mit zwei Musikern hat Werner Otto eine Band gegründet. Er zeigt ein Video. Sie treffen sich alle paar Wochen, spielen astreinen Rock. Der Senior sitzt am Schlagzeug. Haste Töne!     

Werner Otto ist unter 0171/757 87 44 erreichbar.

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