Mit Lügengeschichten ergaunerte sich ein Pärchen 120.000 Euro von zwei Senioren. Vor Gericht beteuerten die Betrüger ihre Zuneigung zu den Opfern.
Entführung vorgetäuschtPärchen erschwindelt 120.000 Euro von befreundeten Lohmarer Senioren

Viele Tränen gab es im Prozess gegen ein Betrügerpärchen vor dem Amtsgericht Siegburg.
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Sie seien wie eine Familie gewesen, das beteuerte das junge Paar auf der Anklagebank. Und auch die Opfer, vermögende Leute aus Lohmar, hegten offenbar große Zuneigung zu dem 36-jährigen Handwerker, seiner 25-jährigen Frau und den zwei kleinen Kindern. Mit immer neuen Lügengeschichten ergaunerten die Angeklagten von den Senioren innerhalb weniger Monate 120.000 Euro.
„Ich kann es immer noch nicht glauben. Aber das muss ich ja wohl“, sagte die 82-Jährige im Zeugenstand. Den 35-Jährigen hatten sie kennengelernt, als dieser auf einer Baustelle in der Nachbarschaft arbeitete. Fleißig und höflich sei er gewesen. Er habe auch für sie viele Arbeiten erledigt. Das kam schon im ersten Verhandlungstermin im August 2023 zur Sprache, zu dem die Angeklagten nicht erschienen waren.
Seniorin aus Lohmar schenkte den erfundenen Geschichten Glauben
Man freundete sich an, auch mit seiner Frau, einer Krankenschwester aus dem Kosovo, die kaum Deutsch spricht. Sie habe das jüngste, vor zweieinhalb Jahren geborene Kind kurz nach der Geburt im Arm gehalten, erzählte die Seniorin in der Hauptverhandlung, und zeigte ein Foto. Die Wohnung des jungen Paares: immer picobello.
Im Mai 2023 bat der Angeklagte erstmals um Hilfe, sprach von Erbstreitigkeiten in der Heimat. Dann folgten immer wildere Geschichten, vom angeblich todkranken Vater, vom Kind, dem im Kosovo nur durch teure Medikamente geholfen werden könnte. Das Ganze gipfelte in einer Entführungsstory.
Opfer aus Lohmar überwiesen immer wieder Geld auf das Konto der Krankenschwester
Zunächst soll die 25-Jährige verschleppt worden sein, die Täter hätten 85.000 Euro Lösegeld gefordert. Als immer wieder Geld floss, sollte einen Monat später der 36-Jährige ebenfalls in die Hände von Kriminellen gefallen sein, sie bräuchten nun 75.000 Euro, sonst würde er sterben. Später ging es um den Kauf eines Transporters, den er für seine Arbeit benötigte. Dann um Geldforderungen von Erpressern. In einer Whats-App-Nachricht an die Senioren gab sich der Angeklagte verzweifelt, wenn sie ihm nicht helfen würden, bringe er sich um.
Die 82-Jährige überwies mal 150, mal 500, mal 5500, mal 8500 Euro auf das Konto der Krankenschwester. Ihr Ehemann (86) übergab dem Handwerker einmal 16.000 und einmal 25.000 Euro in bar. Einige Überweisungen wurden als Darlehen deklariert, andere Zahlungen mit einem Schuldschein vermeintlich abgesichert. Wo das ganze Geld geblieben ist, ist nicht belegt.
Mitarbeiterin der Sparkassenfiliale in Lohmar alarmierte die Polizei
Es dürfte zum Teil für Einkäufe im Baumarkt, Supermarkt und in Boutiquen verwendet worden sein. Das Gros sei für seine Spielsucht draufgegangen, beteuerte der Angeklagte. Er habe es sich innerhalb der „Familie“ besorgt, sagte sein Strafverteidiger, „in dem Gefühl, wie ein Kind seine Eltern zu beschwindeln“.
Das Lügengebäude brach zusammen, als eine Sparkassenmitarbeiterin wegen der verdächtigen Kontobewegungen die Polizei alarmierte. Doch auch nach der Anzeige machten die Betrüger weiter. Im August 2024 baten sie ihre Opfer um Unterstützung, um ihre Anwaltskosten zu begleichen. Daraufhin wurde ein Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr erlassen.
„Sie haben das gute Verhältnis schamlos ausgenutzt“, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Wilbrand. Dabei sei der Ehemann die treibende Kraft gewesen, die Ehefrau habe aber Bescheid gewusst und mitgemacht. Am Ende baten die Angeklagten weinend um Entschuldigung: „Die Liebe zu dir ist wirklich wahr, hundertprozentig“, sagte der Handwerker zur 82-Jährigen.
Auch die Seniorin wischte sich die Tränen ab und drückte beiden die Hände. „Ich habe es gern gemacht, ich habe gedacht, ich könnte jemanden retten“, sagte sie. Leider habe sie die Anzeige nicht zurückziehen können. Ihr Ehemann reagierte nüchterner: „Unser Haus braucht ein neues Dach. Wer weiß, ob wir jemals etwas zurückkriegen.“
10.000 Euro sind schon geflossen, aufgebracht vom Vater des Angeklagten. „Den hätten Sie ja auch um Hilfe bitten können“, sagte der Richter, der wenig Verständnis für die angebliche Notlage des Paares aufbrachte. „Aber der wäre wohl kaum erbaut von Ihren Spielschulen gewesen.“
Die Angeklagte erhielt eine Bewährungsstrafe von 19 Monaten. Ihr Mann muss für zwei Jahre ins Gefängnis. Der Anwalt der Opfer hat bereits ein ziviles Schuldanerkenntnis erwirkt: 110.000 Euro hat sich das junge Paar bereit erklärt zurückzuzahlen, der Titel gilt 30 Jahre lang. Eines sei sicher, stellte der Richter fest: „Das werden die Betrogenen nicht mehr erleben.“