Am 6. Juli findet in Niederkassel ein Bürgerentscheid zum Bau einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für bis zu 350 Geflüchtete statt.
BürgerentscheidDarum geht es bei der Abstimmung zur ZUE in Niederkassel

Am 6. Juli können die Wahlberechtigten in Niederkassel bei einem Bürgerentscheid über den vom Stadtrat beschlossenen Bau einer Zentralen Unterbringungseinrichtung abstimmen. (Archiv)
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„Möchten Sie, dass der mit der Bezirksregierung abgeschlossene Vertrag zur Errichtung einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Niederkassel, basierend auf dem Ratsbeschluss vom 26.09.2024, sofort gekündigt wird?“ Mit dieser Frage müssen sich in den kommenden Wochen die Wahlberechtigten in Niederkassel auseinandersetzen, zumindest, wenn sie sich am 6. Juli am ersten Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt beteiligen wollen.
Entschieden wird an diesem Tag, ob der mit großer Mehrheit getroffene Beschluss des Stadtrates zum Bau einer sogenannten Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Geflüchtete und ein daraufhin zwischen Stadt und Bezirksregierung Köln geschlossener Vertrag Bestand haben wird. Die Kündigung dieses Vertrages wird von den Organisatoren des Bürgerentscheides angestrebt, die der zu Jahresbeginn gegründeten Wählerinitiative Niederkassel nahestehen oder dort sogar eine führende Position bekleiden.
Was ist eine ZUE?
Zentrale Unterbringungseinrichtungen sind vom Land betriebene Sammelunterkünfte für Geflüchtete und jeweils für 160 bis 1300 Personen ausgelegt. Diese leben dort nicht dauerhaft, sondern nur bis zur Zuweisung oder Ausreise beziehungsweise bis zu ihrer Abschiebung. Zugewiesene Personen werden aus den Zentralen Unterbringungseinrichtungen auf Städte und Gemeinden verteilt. Zuständig für die Zentralen Unterbringungseinrichtungen sind die jeweiligen Bezirksregierungen. Mit der Unterbringung und Versorgung der Schutzsuchenden werden privatgewerbliche oder gemeinnützige Betreuungsdienstleister beauftragt.
Welche konkreten Pläne gibt es für eine Niederkasseler ZUE?
Die Einrichtung soll in Containerbauweise auf einem mehr als 9000 Quadratmeter großen Areal in unmittelbarer Nähe des Niederkasseler Kreisverkehrs entstehen, das von der Niederkasseler Kiesgrube, der L269 und der Spicher Straße begrenzte wird. Das Grundstück gehört inzwischen der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG). Sie will das Areal für zunächst zehn Jahre an das Land verpachten. Der Kooperationsvertrag zwischen Stadt und Land enthält die Option auf eine Verlängerung der Pacht. Untergebracht werden sollen dort maximal 350 Personen.
Welche Argumente die Befürworter einer ZUE?
Das wichtigste Argument der Befürworter ist die erhebliche Kostenersparnis für die Stadt. Denn Bau und Betrieb der ZUE würden komplett vom Land Nordrhein-Westfalen finanziert, das Gleiche gilt für die Versorgung und Integration der dort untergebrachten Geflüchteten. Trotzdem wird die Zahl der Geflüchteten, die in der ZUE leben, vollständig auf die Unterbringungsverpflichtung der Stadt angerechnet. Nach Berechnungen der Verwaltung würde die Stadt während der zehnjährigen Laufzeit des ZUE-Vertrages rund 23,7 Millionen Euro sparen.

Auf diesem Grundstück an der Spicher Straße zwischen Niederkassel-Ort und Uckendorf soll die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes für bis zu 350 Geflüchtete entstehen.
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Für den Bau der Einrichtung spricht nach Auffassung der Befürworter auch, dass dies den ohnehin angespannten Niederkasseler Wohnungsmarkt entlasten würde. Wird die ZUE nicht gebaut, muss die Stadt an anderer Stelle Wohnraum für die ihr künftig zugewiesenen geflüchteten Menschen schaffen. Nicht zusätzlich belastet würden auch Schulen und Kindergärten. Denn die in der ZUE lebenden Kinder und Jugendlichen werden in der Einrichtung betreut oder beschult.
Weiteres Argument der Befürworter ist, dass sich mit einer ZUE die Situation für die Niederkasseler Sportvereine wieder verbessern würde. Ihnen steht zurzeit die Mondorfer Dreifachsporthalle nicht zur Verfügung, weil dort Geflüchtete untergebracht sind.
Warum wollen die Initiatoren des Bürgerentscheides die ZUE verhindern?
Die Gegner der ZUE argumentieren, dass eine wochen- oder monatelange Unterbringung vieler Geflüchteter in den Containerbauten „aus humanitärer Sicht äußerst bedenklich“ sei. Bei einer „Massenunterbringung“ von Geflüchteten auf engem Raum befürchten sie in der Einrichtung und in ihrem Umfeld soziale Spannungen.
Nicht stichhaltig ist für die ZUE-Gegner das Kostenargument der Stadt. Sie argumentieren, dass die von der Stadt veranschlagten Unterbringungskosten zu hoch kalkuliert sind. Der Einspareffekt beim Bau einer ZUE sei deshalb deutlich niedriger als von der Stadt vorgerechnet.
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens stellen zudem die Notwendigkeit einer ZUE infrage. Angesichts rückläufiger Geflüchtetenzahlen erscheine „die Errichtung einer dauerhaften Massenunterkunft als nicht gerechtfertigt“. Darüber hinaus befürchten sie „negative Auswirkungen auf die Stadtentwicklung“. Eine groß dimensionierte Unterkunft für Geflüchtete werde sich „nachteilig auf das Stadtbild, das Wohnumfeld und potenzielle Investitionen“ auswirken. Die ZUE stehe „der Vision einer lebenswerten, zukunftsorientierten Stadt entgegen“.
Welche Wahlmöglichkeiten gibt es beim Bürgerentscheid?
Wer für den vom Stadtrat beschlossenen Bau der ZUE in Niederkassel ist, muss das Ansinnen des Bürgerentscheides ablehnen und mit „Nein“ stimmen. Wer gegen den Bau der ZUE stimmen will, muss die zur Abstimmung stehende Frage mit „Ja“ beantworten.
Wann ist der Bürgerentscheid erfolgreich?
Grundsätzlich gilt der Bürgerentscheid als angenommen, wenn mehr Niederkasselerinnen und Niederkasseler mit „Ja“ als mit „Nein“ stimmen. Allerdings müsste diese Mehrheit mindestens 20 Prozent der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger entsprechen.
Wie verbindlich wäre ein erfolgreicher Bürgerentscheid?
Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Ratsbeschlusses und kann innerhalb von zwei Jahren nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden, der auf Initiative des Stadtrates eingeleitet werden müsste.
Wie kann abgestimmt werden?
Ab Dienstag, 10. Juni, können Wahlberechtigte ihre Stimme im Wahlbüro im Rathaus abgeben. Es ist montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr sowie donnerstags von 14 bis 18 Uhr in Raum 036 geöffnet. Wer dort abstimmen möchte, muss einen Personalausweis oder Reisepass sowie möglichst die Abstimmungsbenachrichtigung mitbringen. Letztere sollen nach Angaben der Stadtverwaltung bis spätestens 15. Juni an alle Wahlberechtigten verschickt werden.
Ab sofort können Wahlberechtigte auch Briefwahlunterlagen für den Bürgerentscheid anfordern. Möglich ist das online über die Internetseite der Stadt. Am 6. Juli können sich Bürgerinnen und Bürger dann auch in sechs Stimmlokalen an der Abstimmung beteiligen.
Wo gibt es weitere Informationen?
Informationen zum Ablauf des Bürgerentscheids und zu den Argumenten von Gegnern und Befürwortern der ZUE gibt es in einem achtseitigen Infoblatt, das die Stadt bis zum 15. Juni zusammen mit der Abstimmungsbenachrichtigung an alle Haushalte verschickt. Die Stadtverwaltung hat ihre Argumente auch auf der städtischen Homepage aufbereitet. Die Initiatoren des Bürgerentscheids informieren über ihre Sichtweise ebenfalls online.