Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Unruhe bleibt“Wie mit dem Projekt Aufsuchende Hilfe Flutbetroffenen in Rhein-Sieg geholfen wurde

Lesezeit 5 Minuten
Einsatzkräfte versuchen, den Bruch eines Deiches während der Flutkatastrophe zu verhindern.

Der Starkregen vom 14. Juli 2021 führte in Lohmar fast zur Katastrophe. Nur knapp konnten die Einsatzkräfte den Bruch eines Deiches an der Agger verhindern. (Archivbild)

Der Wiederaufbau in Rhein-Sieg nach der Flutkatastrophe 2021 läuft nach wie vor. Hilfe bei Anträgen bot das Projekt „Aufsuchende Hilfe“.

Es ist fast vier Jahre her und immer noch machen sich die Folgen der Flutkatastrophe von 2021 in der Region bemerkbar. Nach wie vor sind Betroffene dabei, ihre Schäden zu beseitigen oder zu reparieren. Und nach wie vor ist da oft eine unbestimmte Beklemmung, wenn Starkregen gemeldet ist, die die Menschen verfolgt. Im Rhein-Sieg-Kreis waren damals vor allen Dingen die linksrheinischen Kommunen Rheinbach, Swisttal und Meckenheim stark von der Flut getroffen worden.

Rechtsrheinisch traf es vor allem Lohmar, wo nur knapp der Bruch eines Deiches an der Agger verhindert werden konnte. Trotzdem verloren viele Menschen dort durch die Flut Besitz oder hatten große Schäden an Gebäuden zu beklagen.

„Aufsuchende Hilfe“ möchte Betroffene da erreichen, wo sie wirklich Hilfe brauchen

Der Wiederaufbau sei im Rhein-Sieg-Kreis in den vergangenen Jahren gut vorangekommen, so die Kreisverwaltung. Doch es sei auch klar, dass der Wiederaufbau nicht abgeschlossen sei mit dem Bau neuer Häuser, „sondern solange dauert, bis die Menschen wieder eine Perspektive haben“, sagt Manuela Mischker, Leiterin der Stabsstelle Wiederaufbau beim Kreis. Und da kommt auch das Projekt „Aufsuchende Hilfe“ ins Spiel, das 2023 an den Start ging. 

Der Name ist hier wörtlich zu nehmen, denn das Projekt fokussiert die Hilfe bei Flutbetroffenen selbst – auf Basis eines großen Netzwerks. Eineinhalb Jahre nach der Flut waren die größten Schocks verdaut, aber die Schäden noch lange nicht behoben. Der Kreis bot den Flutbetroffenen Wiederaufbau-Hilfe an, unter anderem in Form von finanzieller Hilfe und Hochwasserschutz-Beratung. Die Anträge dafür konnten eingereicht werden. „Doch wir merkten, dass es viel weniger Anträge waren, als es hätten sein müssen“, so Manuela Mischker von der Stabsstelle Wiederaufbau. Offenbar seien die Hürden bürokratisch zu hoch gewesen, aber die Menschen hätten auch einfach noch andere Sorgen gehabt, als sich auch noch mit Anträgen herumzuschlagen.

Das Projekt Aufsuchende Hilfe des Rhein-Sieg-Kreises und seiner Kooperationspartner wird nach zweijähriger erfolgreicher Laufzeit im Sommer beendet. 
v.l. Landrat Sebastian Schuster, Manuela Mischker, Jakob Hopperdietzel, Monika Weber

Das Projekt Aufsuchende Hilfe des Rhein-Sieg-Kreises und seiner Kooperationspartner wird nach zweijähriger erfolgreicher Laufzeit im Sommer beendet. v.l. Landrat Sebastian Schuster, Manuela Mischker, Jakob Hopperdietzel, Monika Weber

„Daher haben wir uns überlegt, wie wir die Menschen direkter erreichen könnten“, so Mischker. Und das Projekt „Aufsuchende Hilfe“ entstand. Man habe ein großes Hilfenetzwerk anbieten wollen und so kam die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern, dem Diakonischen Werk Bonn und Region, dem Johanniter Regionalverband Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen, dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) Kreisverband Rhein-Sieg, dem Malteser Hilfsdienst, dem Caritasverband Rhein-Sieg und dem Bürgerverein Odendorf zustande.

Die Teams gingen mit ihren Hilfs- und Beratungsangeboten vor Ort von Tür zu Tür in den betroffenen Gebieten. „Anhand der Einsatzorte der Feuerwehr und anderer Informationen haben wir so Ballungsräume identifiziert, wo vermutlich noch Hilfe und Beratung benötigt wurde“, erklärt Manuela Mischker. Das Angebot sei sofort auf positive Rückmeldungen und viel Dankbarkeit gestoßen. „Manchmal brauchten die Menschen vor allem erstmal jemanden, der zuhört. Es sind viele Tränen geflossen“, so Mischker.

Nach Hausbesuchen in Rhein-Sieg häufen sich die Anrufe

Heute blicken die Beteiligten des Projekts auf einige Erfolge zurück. Nach knapp zweieinhalb Jahren hat das Team 6500 Flyer an Haushalte verteilt, 1700 Haustür-Beratungen durchgeführt und insgesamt rund 4000 Haushalte aufgesucht, teilt der Rhein-Sieg-Kreis mit. Für private Haushalte in Rhein-Sieg wurden bis Ende 2024 Fördermittel von 128 Millionen Euro bewilligt.

„Wir konnten mit unserem Angebot auch buchstäblich beobachten, wie es ankam, weil in der Regel am Tag nach Hausbesuchen sofort viel mehr Anrufe eingegangen sind“, sagt Monika Weber, die in der Stabsstelle bei der Antragsberatung tätig ist. 

Manchmal brauchten die Menschen vor allem erstmal jemanden, der zuhört. Es sind viele Tränen geflossen.
Manuela Mischker, Stabstelle Wiederaufbau

Das erarbeitete Netzwerk aus verschiedensten Beteiligten im sozialen Dienst, mit finanzieller Hilfe und Beratung habe sich dabei auch sehr ausgezahlt, so Mischker. „Zunächst war vor allen Dingen die Anfrage nach Werkzeugverleih groß, später waren Gutachter gefragt. Jetzt laufen vor allen Dingen Angebote wie Gesprächs-Cafés über die Geschehnisse noch sehr gut.“

Auch Jakob Hooperdietzel aus Bornheim profitierte von dem Angebot der „Aufsuchenden Hilfe“ im Rhein-Sieg-Kreis. Er wohnt in Walberberg, an seinem Haus wurde der gesamte Keller überflutet und im Erdgeschoss standen etwa 60 bis 80 Zentimeter Wasser. Er habe eine Elementarversicherung gehabt, die einen Großteil der Schäden übernommen habe. Aber als er sich dann mit dem Thema Hochwasserschutz für die Zukunft beschäftigte, kam er in Kontakt mit dem Angebot des Netzwerks. Dadurch habe er Anträge für neue Kellerfenster stellen können, die mehr Druck aushalten. Die Anschaffung von Schotts für Türöffnungen sei ebenfalls gefördert worden.

„Wir konnten mit unserem Angebot auch buchstäblich beobachten, wie es ankam, weil in der Regel am Tag nach Hausbesuchen sofort viel mehr Anrufe eingegangen sind“
Monika Weber, Stabstelle bei der Antragsberatung

„Die Beratung war wirklich gut organisiert und hat mir sehr geholfen. Dennoch bleibt da immer die innere Unruhe, wenn von Starkregen oder Wetterlagen die Rede ist. Sowas kriegt man jetzt nicht mehr aus uns raus. Das bleibt“, sagt Jakob Hoppterdietzel.

„Uns war es sehr wichtig zu sagen, dass wir niemanden allein lassen“, sagt Landrat Sebastian Schuster. „Und ich möchte noch einmal allen Beteiligten mein herzliches Dankeschön ausdrücken. Ohne die Professionalität der Einsatzkräfte, der Beratungen, der sozialen Hilfen und aller anderen, hätten wir das nicht so einfach geschafft.“


Das Projekt „Aufsuchende Hilfe“ soll am 30. Juni 2025 nach fast zweijähriger Laufzeit erfolgreich beendet werden. Das heißt jedoch nicht, dass die Antragsberatung endet, betont Manuela Mischker. Noch bis zum 30. Juni 2026 können Betroffene Anträge für Wiederaufbauhilfe stellen. Die Unterstützung bei der Antragstellung von Förderleistungen des Landes, wie zum Beispiel der finanziellen Aufbauhilfe für Privathaushilfe, Hochwasserschutzmaßnahmen an Gebäuden oder bei Erstellung des Verwendungsnachweises der Förderung, bleibt kostenlos. Weitere Informationen gibt es unter www.rhein-sieg-kreis.de/aufsuchende-hilfe.

Termine für Beratungen an den Standorten Rheinbach, Gründer- und Technologiezentrum, Marie-Curie-Straße 1, Swisttal, Rathaus, Rathausstraße 115 und Siegburg, Kreisverwaltung, Kaiser-Wilhelm-Platz 1 können online unter www.etermin.net/rheinsiegkreis oder telefonisch unter 02241/13 2200 vereinbart werden.