Abo

AngriffskriegLohmar stoppt Transporte in die Ukraine – Verein in Sankt Augustin baut sie weiter aus

Lesezeit 5 Minuten
Ein Pickup ist mit zwei Enduro-Motorrädern beladen, die an die Front kommen.

Zwei Enduro-Motorräder aus Sankt Augustin wurden für den Einsatz an der Front in die Ukraine gebracht.

Gunther Maassen und sein Verein „Sankt Augustin hilft“ haben soeben den 34. Konvoi sicher ans Ziel ins Kriegsgebiet gebracht.

Drohnen surren am Himmel über die Köpfe der Menschen hinweg, darüber ziehen Raketen ihre Bahnen. „Man fühlt sich nicht wohl in dieser beängstigenden Situation“, so Gunther Maassen vom Verein „Sankt Augustin and Friends hilft“  im Gespräch mit der Redaktion. Gerade sind die Helfer von einer 13-tägigen Tour aus der Ukraine zurückgekehrt, der 34. Konvoi inzwischen.

Der Verein „Lohmar Hilft“ wird indes am 20. April seinen vorerst letzten Lkw-Transport ins Kriegsgebiet schicken. Man könne die Kosten nicht mehr stemmen, teilte Manu Gardeweg mit.

Verein „Lohmar hilft “schickte gleich nach Kriegsausbruch erste Konvois

„Lohmar hilft“ war eine der ersten Organisationen aus der Region, die nach dem Angriff Russlands im Februar 2022 Medikamente, Hygienemittel, Matratzen und Kleidung  in die Ukraine schickten. „Allein 2023 kosteten die Konvois 42.000 Euro“, erklärt die Vorsitzende Manu Gardeweg. Möglich gewesen sei das in den vergangenen zwei Jahren allein durch die Unterstützung von Spendern.

Doch die lasse nach. Zudem sei ja fortlaufend die Miete für das Hochregallager in Troisdorf, das der Verein betreibt, zu bezahlen. Man sammle als Teil des Netzwerks Ziviler Krisenstab weiterhin gezielt Spenden für anderen Organisationen, auch für die Sankt Augustiner. Für eigene Transporte müsse nun vorher die Finanzierung stehen.    

500 Tonnen Hilfsgüter und 20 Fahrzeuge wurden aus Sankt Augustin in die Ukraine geschickt

Der Verein „Sankt Augustin and Friends hilft“ mit heute 240 Mitgliedern wurde im Mai 2022 von 50 Menschen offiziell gegründet, war aber auch schon kurz nach Ausbruch des Kriegs aktiv. 500 Tonnen Hilfsgüter und 20 Fahrzeuge sind seitdem aus Sankt Augustin in die Ukraine gebracht worden. „Ähnlich hohe Kosten wie die Lohmarer haben wir auch“, berichtet Maassen. So müssten für den Transport von Hilfsgütern in einem 40-Tonner zwischen 3500 und 4500 Euro kalkuliert werden; je nachdem, wo der Zielort sei.

Allerdings würden Spender diese Kosten gerne übernehmen. Auch in Zukunft sieht er da kein Problem. „Wir haben einen großen Rückhalt in der Bevölkerung.“ So hätte der Verein zum Beispiel die ehemalige Filiale von Staples in Menden bis jetzt kostenlos als Lager nutzen dürfen. In Kürze stehe ein Umzug nach Niederpleis an, ebenfalls auf ein Grundstück, das dem Verein ohne Miete zur Verfügung gestellt würde. Die Hilfe für die Ukraine, so Maassen sei noch lange nötig.  

Dort sind nur noch Trümmer zu finden.
Gunther Maassen

Er nennt dafür ein Beispiel aus dem vorigen Konvoi, das er selber gesehen habe. Das Dorf Bogorodichyne hätte 14 Mal die Seiten zwischen den russischen Invasoren und den ukrainischen Verteidigern gewechselt. „Dort sind nur noch Trümmer zu finden“, die Gebäude menschenleer. Inzwischen liegt es rund 30 Kilometer von der Front entfernt. Allein der Wiederaufbau dort würde sicher enorme Summen verschlingen.    

Die Hilfslieferungen der 6000 Kilometer langen Tour sind in mehreren Städten des Landes verteilt worden. In Lviv, früher Lemberg genannt, wurde ein Rettungswagen übergeben. Er soll Verletzte von der Front ins Krankenhaus bringen. Bevor er aber die rund 1500 Kilometer dorthin zurücklegen kann und vor Ort eingesetzt wird, muss er noch in Tarnfarben umgespritzt werden. „Die gut sichtbare Lackierung, wie sie hier in Deutschland als Erkennungsmerkmal wichtig ist, würden den Rettungswagen zur Zielscheibe im Gefecht machen“, so Maassen. 

Für den Einsatz an der Front wurden in Kramatursk  zwei Enduro-Motorräder an die 27. Brigade der Ukrainischen Armee übergeben. „Mit ihnen wird Wasser und Munition in die vorderste Frontlinie gebracht“, so Maassen über den Einsatzzweck. Dabei ginge es um Sekunden. „Die Fahrer werfen ihre Ladung in die Schützengräben, Verletzte werden mit Gürteln am Fahrer festgeschnallt und zur Behandlung im Krankenhaus zurückgebracht.“ Vieles werde improvisiert, um Menschenleben zu retten.

Wer eine solche Cross-Maschine der Garage hätte, vielleicht seit Jahren unbenutzt, könne sie spenden. Der technische Zustand sei dabei zweitrangig. „Hier werden aus fünf alten Motorrädern zwei neue gebaut“, so Maassen über die Wiederverwertung kurz vor der Front.   

Eigentlich könne in der Ukraine alles Technische irgendwie gebraucht werden, so Maassen. Die westliche Orientierung des Landes ermögliche eine schnelle Beschaffung von Ersatzteilen. Das handwerkliche Geschick der Menschen sei enorm.

Das Dorf Dmytrivka war bisher Hauptunterstützungsort für die Hilfe. Nun will die Organisation aus Sankt Augustin in Charkiw ein Logistikzentrum aufbauen. „Von dort aus können die Hilfsgüter besser in die Nähe der Front gebracht werden“, so Maassen über das neue Konzept in Zusammenarbeit mit einer örtlichen Organisation. Dort würden sie am meisten gebraucht. Dmytrivka werde jedoch nach wie vor weiter unterstützt. Maassen ist in dem Dorf zum Ehrenbürger ernannt worden. Die Lieferung von Hilfsgütern an die dortigen Schulen und das Krankenhaus sei nach wie vor wichtig.

Die Freiwilligen Helfer aus Sankt Augustin zahlen Kosten für Fahrt und Unterkunft in die Ukraine selber  

In Kramatorsk wurden eine ganz besondere Hilfslieferung ins örtliche Krankenhaus gebracht. Die internationale Organisation Hope aus hat spezielle Lampen gespendet. Ihr Licht verhilft Neugeborenen, die an einer Gelbsucht leiden, zur schnellen Heilung. Das Leben in der Ukraine ginge weiter und junge Menschen würde die Zukunft des Landes sein, so Maassen.

Ihm ist auch wichtig zu betonen, dass alle Freiwilligen aus Sankt Augustin die Kosten für die Fahrt in die Ukraine und die Unterkunft selber tragen. Nur der Sprit für die Überführung der Autos und Lastwagen werde aus Spenden finanziert. In Zukunft bräuchten auch keine großen Transporter mehr gemietet werden. „Wir haben jetzt einen eigenen 40-Tonner“, berichtet er.    

Rundschau abonnieren