Cum-Ex-StrafverfahrenAmtsgericht Siegburg übernimmt Teil der Prozesse aus Bonn

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In einem Anbau für das Amtsgericht Siegburg wird das Landgericht Bonn künftig Strafprozesse zu Cum-Ex verhandeln.

Siegburg – Cum-Ex steht für den größten Steuerskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Um viele Milliarden Euro prellten Betrüger den Fiskus, auch europaweit. Ein großer Teil der Strafprozesse gegen die Täter soll in naher Zukunft in Siegburg verhandelt werden, in einem Anbau an das Amtsgericht: Am Landgericht Bonn gibt es angesichts von 1350 Beschuldigten zu wenig Sitzungssäle. Der Präsident des Landgerichts, Stefan Weismann, und der Architekt Frank Heinrich Kaldewei gaben jetzt vor dem Planungsausschuss der Kreisstadt Informationen zum Sachstand.

Vorgesehen ist, auf dem Parkplatz an der Bahnhofstraße einen Anbau auf Stelzen zu schaffen, so dass so viele Stellplätze wie möglich erhalten bleiben. Darauf ruhen eine Etage mit einem großen Sitzungssaal und ein weiteres Stockwerk mit zwei kleineren Sälen, die durch Verschieben einer Trennwand in eine großen Saal mit 440 Quadratmetern Fläche umgewandelt werden können.

Gerichtsgebäude soll Wahrzeichen für die Stadt werden

Weismann betonte, man wolle keinen „Schuhkarton bauen, sondern ein Gericht der Zukunft und ein städtebauliches Wahrzeichen für Siegburg“. Kaldewei, der für die Assmann-Gruppe das Vergabeverfahren begleitet, erläuterte, es gebe auf dem Grundstück des Landgerichts in Bonn kein Potenzial.

Landgerichtspraesident_Weismann

Stefan Weismann ist Präsident des Bonner Landgerichts.

Eine Besonderheit im Anbau werde ein „Vorführweg“ für Delinquenten sein, der streng von anderen Zugängen getrennt sein müsse. Daraus, und auch aus der Tatsache, dass man viele Flucht- und Rettungswege brauche, ergäbe sich die Notwendigkeit, viele Treppen zu bauen.

Bauunternehmen wird europaweit gesucht

Baubeginn soll im Januar 2023 sein. Der Einzug soll im März 2024 erfolgen, danach soll mit der Sanierung des Amtsgerichts begonnen werden. Europaweit werde dazu ein Unternehmen gesucht, das in Public Private Partnership, also in Kooperation einer Privatfirma mit der öffentlichen Hand, Finanzierung und Bau sowie später auch die Instandhaltung für 15 Jahre übernehme, „das ganze Paket in einem“.

Weismann wies auf die hohe Bedeutung des Vorhabens für den Rechtsstaat und die staatlichen Finanzen hin, da man durch die Strafprozesse Geld zurückbekommen könne. Immerhin gehe es um „Steuern, die Sie und ich bezahlt haben“.

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Die Prozesse werden sich nach seiner Schätzung über zwölf bis 15 Jahren erstrecken, Cum-Ex werde die Justiz insgesamt noch bis 2045 beschäftigen. Bislang belaufe sich der Schaden auf zwölf Milliarden Euro, nach einer anderen Berechnung auf 33 Milliarden Euro – und europaweit auf 155 Milliarden Euro.

Die Strafabteilung werde verdoppelt. „Das kriegt man in Bonn nicht hin, selbst im Schichtbetrieb nicht.“ Ein repräsentatives Foyer werde man in Siegburg brauchen, da mit vielen prominenten Beschuldigten zu rechnen sei und einem entsprechenden Medieninteresse. „Ich weiß, dass wir Ihnen viel zumuten, wenn wir in dieser Eile bauen“, sagte er im Ausschuss, aber viele Beschuldigte seien relativ alt.

Sanierung im laufenden Betrieb

Wenn der Anbau bezugsfertig ist, soll die Sanierung des Amtsgerichts beginnen, abschnittweise und „im laufenden Betrieb“, sagt Stefan Weismann, Präsident des Landgerichts Bonn. Das werde mit hoher Priorität betrieben.

Vier Ingenieurstellen habe der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW dafür geschaffen. Schnell, effizient und bürgerfreundlich solle das Amtsgericht werden, auch vor dem Hintergrund der elektronischen Akte mit neuen Möglichkeiten.

An einem Bürgereingang sollen Besucher einiges erledigen könne, ohne ins Gericht zu müssen. Die Kantine werde vielleicht ins Erdgeschoss verlegt. (ah)

Christian Olearius, Mitinhaber der Warburg-Bank, werde schon 77. Viele der Täter seien hochintelligent, anders als Bankräuber, die sich mit der Waffe in der Hand filmen ließen. In gepanzerten Fahrzeugen wie Mafiabosse werde man sie aber wohl nicht zum Prozess bringen müssen.

„Auch wir sehen den Zeitplan als ambitioniert an“, sagte der Technische Beigeordnete Stephan Marks. Planrecht gebe es, das habe man geprüft. „Mal gucken, wer zuerst fertig ist“, sagte er in Anspielung auf die Sanierung des Siegburger Rathauses.

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