In Siegburg vor GerichtTochter zeigt Vater wegen Misshandlung des Bruders an

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Amtsgericht

Im Siegburger Amtsgericht (Symbolbild)

Siegburg – Die große Schwester wollte nicht mehr mitansehen, wie der Vater den kleinen Bruder schlug. Sie ging zur Polizei und zeigte ihn an. Der 57-Jährige musste sich nun vor dem Siegburger Jugendschutzgericht wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen verantworten. Er legte ein Geständnis ab und ersparte so seinem Sohn die erneute Zeugenvernehmung. Als Tyrann, wie ihn die Familie schilderte, sieht er sich aber nicht.

Vater habe alles für die Kinder getan

„Ich habe alles für die Kinder getan“, erzählte der Arbeiter: einen Sandkasten aufgestellt, Spielgeräte. Er sei mit den beiden Töchtern, eine davon nicht seine leibliche, nach eigenem Bekunden gut klar gekommen. „Die waren lieb.“ Zumindest setzte es keine Schläge, laut geworden sei er aber schon, sagte er auf Rückfrage von Richter Ulrich Feyerabend. Nur der Sohn, lebhaft und trotzig, spurte nicht, wie er sollte.

Die Rechtslage

Auch der „Klaps auf den Po“ ist in Deutschland seit dem Jahr 2000 strafbar. Das Züchtigungsrecht der Eltern gegenüber ihren Kindern wurde durch eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ersatzlos abgeschafft. Im  Paragraf  1631 BGB (Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung) heiß es:  „Kinder haben das ausdrückliche Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“

Ehemänner hatten in Deutschland  bis 1900 das Recht, ihre Frauen zu züchtigen. (coh)

Er wollte den Vierjährigen zur Räson bringen, wusste keine andere Möglichkeit, als diesen zu schlagen. Immer wieder im Zeitraum Ende 2018 bis Ende 2019, bis die Teenager-Tochter die Polizei alarmierte. Warum die Familie sich zuvor keine Hilfe holte, zum Beispiel beim Jugendamt, dafür hatte der Mann eine schlichte Erklärung: „Meine Frau meinte, der Junge braucht das nicht.“

Der heute 57-Jährige zog mittlerweile aus, die Eheleute leben in Trennung, haben aber wieder Kontakt, er gehe regelmäßig für sie einkaufen, füllte letztens den Heizöltank, macht sich Sorgen. Das Auto der Frau sei zwangsstillgelegt, es bestehe die Gefahr, dass der Strom abgestellt werde. Unterhalt könne er nicht zahlen, sagte seine Verteidigerin, die auch seine gesetzliche Betreuerin ist. 1300 Euro verdiene er nur, auf seinem Konto liege eine Pfändung, die Miete gehe direkt ab, nur 700 Euro bekomme er ausbezahlt.

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Prekäre Verhältnisse. Das Gericht sah den Arbeiter, der die Förderschule besuchte, ohne Schulabschluss und ohne Ausbildung ist und kaum lesen und schreiben kann, unter einigem Druck. Man müsse bei der Tat die Gesamtumstände würdigen, stellte die Staatsanwaltschaft fest. Der Sohn habe glücklicherweise keine körperlichen Schäden davongetragen. Die Gewalt dürfe aber nicht verharmlost werden.

Der Angeklagte und seine Familie seien auf einem guten Weg, sagte Richter Feyerabend; der Sohn habe erzählt, wie sehr er seinen Vater vermisse. Er selbst sei ruhiger geworden, schilderte der Arbeiter, und auch der Junge: „Er geht jetzt zum Judo und zum Basketball und ist wohl ausgelasteter.“

Das Jugendschutzgericht verhängte eine Geldstrafe von 2400 Euro (120 Tagessätzen à 20 Euro) unter Vorbehalt: Wenn sich der 57-Jährige zwei Jahre nichts zu schulden kommen lässt, wird die Strafe erlassen.

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