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Veedels-CheckBilderstöckchen ist viel bunter als das Klischee

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Bilderstöckchen – Ralf Koxholt und Ralf Lorenzen-Klein haben ihrem Viertel ein musikalisches Denkmal gesetzt: „Bilderstöckchenkraad“ heißt die Platte der „Bilderstöckchen Blues Büggele“, der wahrscheinlich einzigen kölschen Band, die einen Stadtteil im Namen trägt. Im Titelsong geht es um einen besonderen Zeitgenossen, „jebore en nem Veedel, üvver dat mer nit jään schwaad“. Irgendwas muss dran sein, an diesem Ort ohne Zentrum, Gesicht und lange Geschichte. Die, die hier wohnen, haben noch nicht einmal einen Namen, weil „Bilderstöckchener“ kaum auszusprechen ist.

Eingezwängt zwischen A57 und Bahndamm, Kiesgruben und stillgelegtem Rangierbahnhof liegt dieses ehemalige Quartier für Arbeiter und Soldaten. Das alles klingt nach rauem Alltag einfacher Leute – idealer Nährboden für den Blues also. „Wenn man will, kann man diesen Zusammenhang konstruieren“, sagt der 53-jährige Gitarrist Koxholt, der hier groß geworden ist. Auch wenn er schon länger nicht mehr im Veedel wohnt und auch die „Bilderstöckchen Blues Büggele“ nicht mehr existieren, sei doch eine „Riesenaffinität zu Bilderstöckchen geblieben.“

Es hat sich einiges verändert in den vergangenen Jahren, der Ort ist bunter geworden. Bilderstöckchen ist längst nicht mehr nur Nährboden für Blues. Im Jugendzentrum Lucky’s Haus hört man Hip-Hop. Und der schöne Blücherpark ist nicht nur ein Treffpunkt aller Altersgruppen. An seiner Kahnstation wird auch kölsch-international musiziert und zu Weltmusik getanzt.

Auf der Suche nach Identität

Viele junge Familien sind hergezogen, haben den Stadtteil entdeckt, weil sie in den immer teurer werdenden Nachbarorten Nippes und Ehrenfeld nichts fanden. Da, wo einst belgische Soldaten wohnten, sind neue Häuser gebaut worden – ein neues Viertel in einem Stadtteil, in dem es nicht einfach ist, verbindende Gemeinsamkeiten zu finden. Das neue Quartier hat wenig zu tun mit dem Rest des großen Stadtteils. Weiter im Norden befindet sich das Quartier, das nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde, und wo sich der namensgebende, alte Bilderstock befindet. Im Süden – abgetrennt durch den breiten Parkgürtel – befindet sich das traditionsreiche Viertel, wo vor 100 Jahren die „Köln-Nippeser Bau- und Spargenossenschaft“ Arbeiterfamilien den Kauf eines Hauses ermöglichte.

Die Rahmenbedingungen sind also nicht einfach für die vielen, die sich fürs Veedel engagieren. Die Herausbildung einer eigenen Identität eines Stadtteils, der erst seit 49 Jahren als solcher im Rathaus geführt wird, ist eine der Aufgaben für die Sozialraumkoordinatorinnen und anderen Streiter für „ein starkes Veedel“, wie das städtische Förderprogramm für benachteiligte Viertel heißt. Die Arbeit der Koordinatorinnen wirke „nachhaltig“, viele Akteure hätten sich vernetzt, sagt Bürgervereinsvorsitzender Andreas Langer. „Dadurch kommen regelmäßig Menschen zusammen, lernen sich kennen und arbeiten und feiern miteinander.“ Sie fordern, dass sich soziale Maßnahmen mit städtebaulichen Verbesserungen verbinden müssen. Die Frage, wie man die Betonmassen am Gürtel überwindet, gehört genauso dazu wie die Forderung, eine Ortsmitte mit Lokalen und Geschäften zu gestalten.

Einiges gelang, was für andere Viertel vorbildlich ist: Mit dem von der Bundesregierung ausgezeichneten Projekt „Gemeinsam für das Klima in Bilderstöckchen“ wird gezeigt, wie man in einem sozial schwächeren Stadtteil Maßnahmen zum Klimaschutz umsetzen kann. Die Initiative „Unternehmen engagiert fürs Veedel“ des Netzwerks Bürgerengagement hat hier Erfahrungen gesammelt, die sich in andere Viertel übertragen lassen. Das traditionsreiche Dreikönigsgymnasium hat sich einen guten Ruf in der städtischen Bildungslandschaft erarbeitet. Und auch das Graffiti-Kunstprojekt „Mittwochs-Maler“ in Lucky’s Haus macht weit über Bilderstöckchen hinaus die ganze Stadt ein bisschen bunter.

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