Veedels-CheckImmendorf bietet ganz viel Ruhe und nochmehr Grün

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Köln-Immendorf – Zwischen der Bonner Autobahn 555, Godorf, Rondorf und Meschenich liegt Immendorf. Auf der Karte nur ein kleiner Fleck, umgeben von idyllischen Kiesgrubenseen und landwirtschaftlich genutzten Feldern. Wer nicht gerade zufällig dorthin gelangt oder auf der Durchfahrt in Richtung Vorgebirge oder Meschenich ist, kennt das Dorf mit seinen gut 2000 Einwohnern möglicherweise nicht.

Treffpunkt im Dorf ist die Tennishalle mit Biergarten und dem Restaurant „Matchball“ vom „Sepp“, wie Josef Krattenmacher von allen genannt wird. Seit etwa zwei Jahren kämpft Krattenmacher gegen das hartnäckige Gerücht, seine Tennisanlage verkaufen zu wollen. „Dies stimmt nicht“, betont der 70-Jährige immer dann, wenn er auf das Thema angesprochen wird.

Garten Immendorf

Große Gärten gibt es hier

Dann gibt es noch den Fachmarkt Holz Kaiser sowie den Blumenhof von Dorothea Haß. Beides Institutionen in Immendorf und darüber hinaus. Doch auch deren Präsenz täuscht nicht darüber hinweg, dass die Infrastruktur im Ort mehr als dürftig ist. Lediglich der Kiosk von Giovanni Saporito hält ein paar Waren des täglichen Bedarfs vor. Und seit der Bäcker vor zwei Jahren aufgegeben hat, gibt es bei Saporito Brötchen.

Bei Giovanni treffen sie sich alle, die Raucher, die Kaffee- und Biertrinker und diejenigen, die jeden Morgen ihre Zeitung bei ihm abholen. Man quatscht und ist auf der Suche nach dem neuesten Dorf-Klatsch. Saporito mischt sich nicht ein, hört zu, urteilt aber nicht. Wenn er nicht wäre, es gäbe nichts mehr im Ort, wo man schnell ein Paket Milch, Eis, Süßigkeiten oder gar eine Dose Hunde- und Katzenfutter kaufen kann.

hof immendorf

Der historische Zaunhof

Ein Lebensmittelgeschäft wünschen sich viele Bewohner des Dorfes. Vielleicht, so mutmaßen einige, erhalten sie eines, wenn das Industriegebiet an der Giesdorfer Allee fertiggestellt ist. Vor etwa vier Monaten haben die Bauarbeiten begonnen, jetzt ruht die Baustelle seit Wochen. Ein Bild, das zu Immendorf passt – das vergessene Dorf. Einige Immendorfer jammern, sie klagen darüber, dass die Kneipe Alt-Immendorf seit etwa vier Jahren die Rolläden heruntergelassen hat, doch hingegangen sind augenscheinlich nur wenige. Eine Dorfkneipe lohnt sich nicht mehr.

Optisch hat Immendorf sich seinen Dorfcharakter erhalten. Am Rand von Köln und als Teil von ihm fristet es ganz und gar kein tristes Dasein. Die Menschen, die hierher ziehen, wünschen sich genau das: Ruhe, viel Grün und die Kölner Innenstadt in erreichbarerer Entfernung.

Es wird gebaut, auch in Immendorf. Hinter der Tennishalle zwischen der Dauner- und der Godorfer Straße, dort, wo heute noch Rüben oder auch Mais gedeihen, sollen bald neue Eigenheime entstehen. Schon heute hat Immendorf viele Gesichter. Das alte idyllische sieht man von Rondorf kommend – mit der Kirche hoch oben auf dem Hügel und der Obstbaumwiese, den Maisfeldern davor.

Ein eher industriell geprägtes Bild bietet die Shell-Siedlung. Das „Unterdorf“ bildet den alten Kern mit Kirche, alten schmalen Häusern, dem Zaunhof und den Kiesgruben. Das „Oberdorf“ beginnt an der Alten Dorfschule und besteht hauptsächlich aus neuerer Bebauung, obschon sich auch dort einige der typischen alten Straßendorfhäuser aneinanderreihen.

Immendorf häuser

Achtstöckige Hochhäuser an der alten Shell-Siedlung

Liebe trotz der Mängel

Die Einwohner aber scheinen ihr Dorf trotz fehlender Geschäfte und schlechter Busanbindung zu lieben. Chantal Pütz mag Immendorf. Auch wenn sie mit ihren 20 Jahren gerne ausgeht, das pulsierende Leben der Stadt spüren will, hat sie für ihr Dorf nur liebevolle Worte übrig. Sie ist dort aufgewachsen. „Eine tollere Kindheit kann man sich kaum vorstellen“, sagt die junge Frau und angehende Erzieherin. Sie lebt in einem Drei-Generationen-Haus unterhalb der Kirche, die wie ein Wahrzeichen über allem thront. Die Kirche spielt auch in Chantal Pütz’ Leben eine zentrale Rolle. Zumindest der Weg dorthin. „Die Treppe war und ist auch heute noch unser Treffpunkt“, erzählt Chantal. Es gibt keinen offiziellen Ort für die Jugend, kein Jugendheim. Nur zwei Spielplätze und eine Grundschule, deren Gelände nicht für jedermann zugänglich ist. „Früher hat hier mal eine Bank gestanden“, sagt sie und zeigt auf eine kleine Nische zwischen den Büschen. Die 20-Jährige, die die Grundschule in Immendorf besucht hat, später auf die Johannes-Gutenberg-Realschule nach Godorf wechselte, hat viele Freunde im Ort. Wenn diese nur kurz Zeit haben, ist die Kirchentreppe nach wie vor ihr Treffpunkt. „Hier stören wir niemanden. Die Häuser sind weit genug weg“, sagt sie.

Mauer Immendorf

Bunt bemalte Garagenwände in Immendorf

Früher, und das ist noch gar nicht so lange her, galten die Kiesgruben im Sommer als Treffpunkt. Doch seit bekannt ist, dass dort der Schadstoff PFT in die Gewässer gelangt ist und Jugendliche in ihrem Übermut Arbeitsgeräte des Kiesgrubenbetreibers zerstörten, ist das gesamte Areal mit Natodraht abgeriegelt. Es gibt kein Schlupfloch. Dabei schreit dieser Sommer geradezu nach einem erfrischenden Bad. „Hier habe ich schwimmen gelernt“, sagt Tanja Pütz, Chantals Mutter, die seit ihrer Kindheit in Immendorf lebt. „Ich gehe hier nicht weg“, sagt sie. Einmal, da habe sie in Godorf gewohnt, nur einen Steinwurf von ihrem Dorf entfernt. Dort aber fühlte sie sich nicht heimisch. Sie kam zurück und blieb.

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So geht es den meisten Bewohnern, den Alt-Immendorfern genauso wie den neu Hinzugezogenen. Der Zaunhof, eine alte Gutshofanlage im „Unterdorf“, hat für die Bewohner einen besonderen Charme. Die Nachbarschaft sei gut, die Ruhe einmalig, und für alles andere habe man Rondorf in der Nähe – und ein Auto. Auf ihren Führerschein hat sich auch Chantal Pütz gefreut: „Den Führerschein zu haben, war fast wie ein Jackpot im Lotto, ab da konnte ich überall hinfahren.“

Immendorf verlässt man nie so ganz, dies zeigen die beiden Vereine, der Männergesangsverein Frohsinn und der Turnverein, recht deutlich. Auch wenn einige Mitglieder ihr Dorf verlassen haben, ihrem Verein sind sie treugeblieben.

Den beiden Clubs ist es zu verdanken, dass es zumindest zeitweise ein wenig Leben im Ort gibt, etwa wenn sie zum Sommerfest einladen oder die Radsportgruppe den „Condor-Flug“ ausrichtet und der Männergesangsvereins befreundete ausländische Clubs empfängt.

Offene Baustellen

Unter zu viel Durchgangsverkehr,  Rasern und der schlechten Anbindung  durch den öffentlichen Nahverkehr leiden die Immendorfer seit Jahre. Auch in der Bezirksvertretung Rodenkirchen wurde schon häufiger über diese Punkte debattiert, oft ohne großen Erfolg. So hat sich bislang in Sachen  ÖPNV noch nicht wirklich etwas getan. Der Ort ist durch die Buslinie 135 bis kurz vor 20 Uhr angebunden. Danach können die Nutzer das sogenannte Anrufsammeltaxi bestellen. Wünschenswert wäre eine schnellere und bessere  Anbindung an Rondorf. Von dort wäre eine problemlosere Weiterfahrt Richtung Rodenkirchen Bahnhof oder mit dem 132er direkt in die Stadt bis zur Nacht möglich. Tagsüber sogar im 10-Minuten-Takt.  Am Morgen und am späten Nachmittag, wenn der Berufsverkehr durch den Ort pendelt, wird viel zu schnell gefahren, das Tempolimit ständig missachtet.  Erst kürzlich hatte sich ein Anwohner bei den Bezirkspolitikern für eine Verkehrsüberwachung stark gemacht, doch diese scheiterte laut Fachverwaltung an fehlenden oder bereits durch Schilder belegten Masten.

Geschichte von Immendorf

Das Gebiet um das heutige Immendorf ist geschichtsträchtig. Schon die  Römer haben das Areal  besiedelt.   Später kamen die Franken, die im 9. Jahrhundert dort eine Kirche errichteten. Urkundlich erwähnt wurde Immendorf  bereits im Jahr 948. Die Kirche Sankt Servatius, die heute noch hoch über dem Ort thront, wurde 1871 dort erbaut, wo einst die romanische Kirche stand. Diese riss man ab und baute ein neues Gebäude  auf dem sogenannten Heidenberg, einer leichten Anhöhe.  Heute geht man davon aus, dass der Hügel deshalb so genannt wurde, weil bereits in vorchristlicher Zeit religiöse Rituale dort ausgeübt wurden.  Also eine relativ alte Kultstätte. Als sehr sicher gilt es, dass sich dort an der Stelle der Kirche einst ein römischer Wachturm befand. Markante Gebäude stellen auch die aus  dem 16. Jahrhundert stammenden Höfe wie der Zaunhof, die Giesdorfer Höfe und der Friedrichshof dar. Sie unterstreichen allesamt die Bedeutung, die Immendorf offensichtlich im Mittelalter hatte. Die Höfe sind heute nicht mehr bewirtschaftet sondern Wohnhöfe.

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