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Veedels-CheckMüngersdorf ist Heimat des 1. FC Köln und vieler Promis

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Das Müngersdorfer Stadion

Köln-Müngersdorf – Was haben die Müngersdorfer sich amüsiert, als eine Zugezogene sich beschwerte, weil in ihrer Nachbarschaft jeden Morgen ein Hahn krähte. „So ist das halt im Dorf“, sagt Henning Werker und kann sich das Lachen nur schwer verkneifen. Ob nach der Dame noch ein Hahn kräht, ist nicht überliefert. Wenn sie weiterhin in Müngersdorf wohnt, kann man aber sicher sein.

Müngersdorf, das sind mehr als 1000 Jahre Geschichte, gediegene Immobilien auf oft großen Grundstücken und auch die schöne Aussicht auf Köln – Belvedere. Dazu später mehr. Müngersdorf, das ist natürlich auch der Bürgerverein, dessen Einfluss man kaum hoch genug einschätzen kann. Politik und Verwaltung hören auf die Interessenvertretung der Müngersdorfer. Hildegard Jahn-Schnelle ist die Vorsitzende des Vereins. Und die macht aus ihrer Begeisterung für das Veedel keinen Hehl: „Ich finde, dass unser Dorfplatz der schönste Platz von Köln ist.“ Überflüssig zu erwähnen, dass er nach den Vorstellungen des Bürgervereins entstanden ist.

Wer Müngersdorf besucht, landet unweigerlich auf dem idyllischen Platz mit der neoromanischen Dorfkirche St. Vitalis, die seit 1890 die Skyline des Stadtteils prägt. Vorbild für den Bau und Mutterkirche ist übrigens die Basilika St. Aposteln am Neumarkt. Das Gemeindeleben ist, sehr zum Bedauern von Hildegard Jahn-Schnelle, nahezu zum Erliegen gekommen. Immerhin wird noch jeden Sonntag um 11.30 Uhr eine Messe gelesen. St. Vitalis mit seiner schlichten Innenausstattung ist mittlerweile sehr beliebt als Hochzeitskirche.

Die Promidichte in Müngersdorf war und ist überdurchschnittlich hoch. Die Berühmtheiten wurden angelockt durch die stadtnah-dörfliche Idylle und die gute Luft. Der berühmteste Einwohner war wohl der spätere Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll, der 1954 ein Haus an der Belvederestraße baute, das er 15 Jahre bewohnte. Geschrieben hat er in einem Gartenhaus. Irmgard Keun und Ingeborg Bachmann waren oft zu Gast in dem Haus, vor das Böll eine Linde gepflanzt hat, die heute noch steht. Geflohen ist er dann vor dem „Terror der Rasenmäher“. Idylle muss man auch aushalten können. Besser gelungen ist das den ehemaligen Oberbürgermeistern Johann Nes Ziegler, Norbert Burger und Fritz Schramma. Die Architekten Wilhelm Riphahn und Oswald Mathias Ungers haben auch architekturgeschichtlich Spuren in Müngersdorf hinterlassen.

Der Bildhauer Gerhard Marcks wohnte in einem Riphahn-Haus und empfing dort regelmäßig Persönlichkeiten wie Konrad Adenauer, Theodor Heuss, Marion Gräfin Dönhoff und Helmut Schmidt. Auch da: Hohe Promidichte.

Weltberühmt sind drei Sammlungen, die in Müngersdorf ansässig sind. Ungers Archiv der Architekturgeschichte, die „Bibliotheca Reiner Speck“ und die „Dr. Speck Literaturstiftung“ mit echten Schätzen zu Petrarca und Marcel Proust, die in dem von Ungers erbauten „Haus ohne Eigenschaften“ untergebracht sind. Dazu kommt die Privatsammlung Jacobi mit den Musikautomaten. Sie locken Menschen aus dem In- und Ausland in den Kölner Westen. Und dann gibt es noch den „Schatten, der auf der Müngersdorfer Geschichte liegt“, wie Hildegard Jahn-Schnelle sagt. Dabei handelt es sich um das ehemalige Deportationslager, das die Nazis 1941 am heutigen Walter-Binder-Weg und der heutigen Kleingartensiedlung „Waldfrieden“ im preußischen Fort V einrichteten. Von dort wurden viele Insassen in die Vernichtungslager deportiert. Ein Findling erinnert an das Lager.

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„Zu wenig“, sagt Kurt Schlechtriemen, der über die Geschichte Müngersdorfs im Allgemeinen und über die des Lagers im Besonderen geforscht hat. Eine Initiative Müngersdorfer Bürger will in Abstimmung mit dem NS-Dokumentationszentrum einen „Gedenkort Deportationslager Köln-Müngersdorf 1941 – 1945“ einrichten. Ausgehend von der Skulptur „Wall“ von Simon Ungers auf dem Gelände des mittlerweile abgebrochenen Forts soll ein „Weg des Gedenkens“ 200 Meter weit zur Schrebergarten-Kolonie führen, auf dessen Gebiet ein Barackenlager für jüdische Mitbürger und Zwangsarbeiter stand. Nicht alle im Dorf sind einverstanden mit dem Gedenkort in der geplanten Form. Sie kritisieren die Größe der Ungers-Skulptur, die seine Schwester Sophia kostenlos zur Verfügung stellt.

Jetzt hat aber auch die Oberbürgermeisterin ihre Unterstützung zugesagt. Auf der Internetplattform „openPetition“ hat der Bürgerverein zu einer Unterschriftensammlung für den Gedenkort aufgerufen.

Müngersdorf lebt nicht nur mit, aus und von der Vergangenheit. Es hat sich auch in jüngster Zeit eine Menge getan. Zu denken wäre etwa an den nicht ganz konfliktfreien Umbau des ehemaligen DEG-Gebäudes in Wohnungen. Der Plan, ein Haus nebenan auf die sogenannte Terrassenkante zu bauen, scheiterte am Widerstand der Müngersdorfer. Bei der Kante handelt es sich um eine Böschung, die einen markanten Übergang von der Niederterrasse zur Mittelterrasse darstellt und eine besondere geologische Gestalt und Form aufweist. Sie ist erdgeschichtlich von Bedeutung und steht seit 2015 unter Naturdenkmalschutz. Geschichte und Gegenwart verbindet der Petershof. Dort gingen in den vergangenen Jahrzehnten die Müngersdorfer Pänz in den Kindergarten.

Damit ist im Moment Schluss. Die Kita entsprach nicht mehr den Sicherheitsvorschriften und wurde geschlossen. Die Kinder sind jetzt in Containern auf dem Hof der Grundschule Wendelinstraße untergebracht. Wie es mit dem Petershof weiter geht, ist im Moment noch unklar. „Wir möchten dort auf jeden Fall wieder einen Kindergarten“, stellt Hildegard Jahn-Schnelle für den Bürgerverein klar. In „Ideenschmieden“ waren die Müngersdorfer aufgerufen, sich Gedanken zu machen.

Ein Ort, den jeder kennt, wenn er in Köln zur Schule gegangen ist, ist die Freiluft- und Gartenarbeitsschule (Freiluga) in Müngersdorf. Nicht ganz einfach ist das Vorhaben eines Fördervereins, den Bahnhof Belvedere in ein Kulturzentrum zu verwandeln. Und auch wenn der Bund der Steuerzahler über angebliche Geldverschwendung meckert: Einen wunderbaren unverstellten Blick auf Köln hat man von den Aussichtstürmen im Belvedere-Park.

Die größten Baustellen von Müngersdorf

Eine Baustelle ist der Petershof momentan zwar noch nicht. Aber die Müngersdorfer hoffen, dass er bald eine wird. Vor ziemlich genau drei Jahren hat die städtische Gebäudewirtschaft die Kita im Petershof geschlossen und nach den Sommerferien einfach nicht mehr aufgemacht. Die Kita-Kinder sind in Containern auf dem Hof der Grundschule Wendelinstraße untergebracht. Gründe für die Schließung waren die Ertüchtigung des Brandschutzes und der Elektroinstallation. Die Kosten drohten wieder einmal davon zu laufen, und so entschied man sich für die dauerhafte Schließung. Jetzt will die Gebäudewirtschaft aber eingreifen und den gesamten Hof sanieren. 


Die Geschichte von Müngersdorf

Es gilt als sicher, dass in Müngersdorf schon zu Zeiten der Bandkeramiker vor 7000 Jahren Menschen siedelten.  Die Siedlung lag zwischen der Aachener Straße und dem Friedhof.  Auf beiden Seiten der  Aachener Straße, die damals  Via Belgica hieß, wurden im Laufe der Jahre zahlreiche Funde aus römischer Zeit zutage gefördert.

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