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Nach tragischem Pokal-Aus1. FC Köln zwischen Trauer und Stolz

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QUASI-VIDEO.

Niedergeschlagen: Die Mannschaft des 1. FC Köln nach dem Schlusspfiff vor dem Gästeblock der BayArena.

Der 1. FC Köln hat den größten Erfolg in seiner jüngeren Vereinsgeschichte denkbar knapp verpasst. Der Zweitligist hadert mit fehlendem Glück und dem Schiedsrichter, nimmt aber auch viel Positives aus dem 2:3 nach Verlängerung bei Bayer Leverkusen mit.

Am Ende eines denkwürdigen Pokalabends reihten sich die Spieler des 1. FC Köln vor dem Gästeblock auf und lauschten den Klängen vom „Veedel“, das den Zusammenhalt auch in schweren Momenten beschwört. Es war das passende Lied aus dem unerschöpflichen Kölner Musikrepertoire, um der inneren Zerrissenheit des Verlierers Ausdruck zu verleihen. „Auf der einen Seite ist der Stolz auf die Jungs, als Zweitligist hier so einen Fight abzuliefern. Auf der anderen Seite ist die Enttäuschung über das Ergebnis. Wir haben gesagt: Wenn die Leverkusener die Tür ein kleines Stück offen lassen, und wenn es nur ein Millimeter ist, dann wollen wir da sein. Das waren wir“, beschrieb Kapitän Timo Hübers den Zwiespalt der Gefühle, in den alle, die es mit den Geißböcken halten, am späten Mittwochabend gestürzt waren.

2:0 hatte der vermeintlich chancenlose Außenseiter geführt, die Sensation in der ausverkauften BayArena war bis tief in die Nachspielzeit zum Greifen nah gewesen, ehe der Kölner Traum von Berlin auf höchst leidvolle Weise zerplatzte. Die an Dramatik kaum zu überbietende 2:3-Niederlage nach Verlängerung im Viertelfinale des DFB-Pokals beim taumelnden Doublesieger Bayer 04 Leverkusen war eine verpasste historische Chance für den 1. FC Köln, der es letztmals vor 23 Jahren in die Runde der letzten Vier geschafft hatte. Damals wie heute lautete der Gegner Bayer 04 Leverkusen, und erneut war das Kölner Scheitern von tragischen Zügen begleitet worden.

Haarscharf: FC-Neuzugang Imad Rondic erzielte in der Verlängerung den vermeintlichen 3:3-Ausgleich. Der Videoassistent kassierte den Treffer ein.

Entsprechend fassungslos starrte Linton Maina in den Stadion-Katakomben vor sich hin. „Mir fehlen so ein bisschen die Worte, der gesamten Mannschaft fehlen so ein bisschen die Worte“, stammelte der Torschütze zur 2:0-Führung. „Es ist das schlimmste Szenario passiert, dass du ein super Spiel machst, führst und dann eine Minute vor Schluss noch das Gegentor kriegst.“ Timo Hübers fasste es so zusammen: „Wir hatten einmal das Glück zu wenig.“ Es war sogar noch bitterer gekommen für die Kölner. Als wäre der 2:2-Ausgleich von Doppeltorschütze Patrik Schick in der sechsten Minute der Nachspielzeit nicht schon genug gewesen, musste die Kölner Fußballseele in der Verlängerung nach der ersten Leverkusener Führung durch Victor Boniface (98.) einen zweiten tiefen Stich ins Herz hinnehmen.

Der vermeintliche 3:3-Ausgleich des erst zu Wochenbeginn unter Vertrag genommenen Mittelstürmers Imad Rondic (112.) wurde nach einer Kölner Jubelekstase wieder einkassiert. Die kalibrierte Linie hatte den Bosnier mit der Schulter haarscharf im Abseits gesehen. Das Standbild verbreitete sich in Windeseile in den sozialen Netzwerken, wo hitzige Diskussionen ausbrachen. „Ich hoffe, dass sie die Linie richtig gezogen haben. Nicht, dass ich heute Nacht noch einen Kollaps kriege“, flehte Dominique Heintz in Richtung „Kölner Keller“ und sprach in Anbetracht des schier unglaublichen Spielfilms von einem „Pokal-Wahnsinn“.

Es tut mir für die Mannschaft und das Trainerteam leid, weil die sitzen niedergeschlagen in der Kabine und verstehen die Welt nicht mehr, obwohl sie grundsätzlich sehr stolz sein können.
Christian Keller, FC-Sportchef

Der Innenverteidiger redete sich richtig in Rage. „Da muss ich mich beherrschen, dass ich nichts Falsches sage. Mit welcher Arroganz viele Spieler von der Leverkusener Bank aufgetreten sind. Was die reingerufen haben, gerade zum Schluss, wie die uns provoziert haben – aber okay“, sprudelten die Emotionen aus dem Pfälzer heraus. Heintz, der sich nach einer frühen Gelben Karte am Rande des Platzverweises bewegt hatte, stand sinnbildlich für eine heroisch kämpfende FC-Elf. „Was wir abgeliefert haben, war der Wahnsinn“, schwärmte der Routinier. „Jeder hat alles reingeworfen, daher hätten wir es verdient gehabt, es zu schaffen.“ Für den Routinier stand fest: „Alle Kölner können stolz sein, im Block, vor dem Fernseher, alle, die dabei waren.“

Im Moment der verlorenen Pokalschlacht überwog jedoch der Schmerz. „Es tut halt einfach brutal weh“, gab Sportchef Christian Keller zu. „Es tut mir für die Mannschaft und das Trainerteam leid, weil die sitzen niedergeschlagen in der Kabine und verstehen die Welt nicht mehr, obwohl sie grundsätzlich sehr stolz sein können. Es wäre etwas ganz Großes gewesen.“ Keller versah seine Worte mit leiser Kritik an Referee Frank Willenborg: „Der Schiedsrichter hat das ordentlich gemacht, aber acht Minuten Nachspielzeit verstehe ich nicht. Wenn es nur sechs Minuten gewesen wären, was ausreichend gewesen wäre, wären wir jetzt im Halbfinale.“ Zugleich richtete Keller den Blick nach vorn: „Wir müssen das Gute aus dem Spiel mitnehmen. Nämlich, dass wir ein deutlich höheres Leistungsvermögen haben als das, was wir in den letzten Spielen gezeigt haben.“ Schon am Sonntag (13.30 Uhr, Sky) beim Zweitliga-Heimspiel gegen Schalke 04 wird sich zeigen, ob es dem Tabellenführer gelingt, die Pokalleistung in einen anderen Wettbewerb zu transportieren.

Das ist der Sport, der tut manchmal richtig weh. Heute haben wir richtig eine verpasst bekommen zum Schluss.
Gerhard Struber, FC-Trainer

Gerhard Struber wirkte derweil erstaunlich aufgeräumt. „Es war ein richtig guter Fight meiner Jungs gegen eine große Mannschaft in Europa. Unser Ziel weiterzukommen haben wir leider nicht erreicht. Aber es überwiegt der Stolz. Wir haben sehr viel versucht und haben so einen großen Gegner bis kurz vor Schluss fast zum Ausscheiden gebracht“, sagte der Österreicher, dessen Idee perfekt aufgegangen war. Der FC hatte aus einer massiven Defensive heraus Nadelstiche gesetzt, nach den Toren von Damion Downs (45.+10) und Linton Maina (54.) stand das Tor zum Halbfinale sperrangelweit offen. Das finale Glück blieb den Kölnern jedoch verwehrt. „Das ist der Sport, der tut manchmal richtig weh“, sagte Struber. „Heute haben wir richtig eine verpasst bekommen zum Schluss.“ Das Lied vom „Veedel“ konnte kaum trösten.