Interview zur Strafe gegen den 1. FC KölnSo sieht ein Sportrechtler den Fall Potocnik

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Jaka Cuber Potocnik

Er will doch nur spielen: Jaka Cuber Potocnik, für vier Monate gesperrter Torjäger der Kölner U19.

Der Transferstreit um FC-Talent Jaka Cuber Potocnik ist vor dem CAS angekommen. Karl Hamacher, Fachanwalt für Sportrecht aus Köln, ordnet die Ausgangslage ein.

Herr Hamacher, wie ist es einzuordnen, dass nach dem 1. FC Köln und Olimpija Ljubljana nun auch der Spieler Jaka Cuber Potocnik selbst vor den CAS gezogen ist?

Das ist einfach zu erklären. Auch Jaka Cuber Potocnik ist als Spieler Partei des Verfahrens bei der Fifa gewesen, auch gegen ihn richtet sich das Urteil vom 1. Februar des Fifa-Fußball-Tribunals. Würde er nicht in die Berufung gehen, würden die gegen ihn gerichteten Sanktionen der Entscheidung folglich rechtskräftig werden. Das wäre im Gesamtkontext dann wenig hilfreich und geradezu widersprüchlich, da man aufseiten des 1. FC Köln und des Spielers davon ausgeht, dass der Vertrag entweder von Anfang an unwirksam war beziehungsweise rechtmäßig gekündigt wurde.

Im Gegensatz zum Fall des wegen Dopings gesperrten HSV-Profis Mario Vuskovic lässt der CAS in seiner Pressemitteilung offen, ob es im Transferstreit um Potocnik zu einer Anhörung kommen wird. Womit kann dieser Unterschied zusammenhängen?

Das kann mit unterschiedlichen Verfahrensständen zu tun haben. In Dopingverfahren ist eine mündliche Verhandlung in der Regel üblich. Im Kölner Verfahren ist der „or if“-Vorbehalt möglicherweise deshalb angemerkt, weil eine Konsultation der Parteien noch nicht stattgefunden hat. Auch hier gilt aber, dass im Regelfall eine mündliche Verhandlung stattfindet, wenn nicht das Gericht davon überzeugt ist, dass es sich – in streitgegenständlicher Hinsicht – um einen klaren und unstreitigen Sachverhalt handelt.

Warum dürfte die Möglichkeit einer Anhörung vor dem CAS für den 1. FC Köln so bedeutsam sein?

Der Sachverhalt der Angelegenheit dürfte nach allem, was man dazu lesen kann, komplex sein, zumal auch einige mündliche Vereinbarungen mit dem Spieler eine Rolle gespielt haben sollen. Um deren Inhalt aufzuklären, bedarf es daher einer Einvernahme von an solchen Vereinbarungen beteiligten Zeugen. Das geht regelmäßig nur in einer mündlichen Verhandlung vor dem CAS. Sollte der CAS allerdings der Auffassung sein, dass es auf die behaupteten mündlichen Vereinbarungen und sonstigen mündlichen Absprachen nicht ankommt, wäre eine mündliche Verhandlung nicht zwingend.

Aus der Mitteilung des CAS geht ein neues, interessantes Detail hervor: Demnach will Potocnik nun seinen kompletten Vertrag bei Olimpija Ljubljana für ungültig erklären lassen – und nicht seine Kündigung für rechtsgültig. Unter welchen Voraussetzungen wäre der Vertrag ungültig?

Jaka Cuber Potocnik war zum Zeitpunkt seines Vertragsabschlusses bei Olimpija Ljubljana minderjährig. In solchen Konstellationen können sich in jeder Rechtsordnung – hier der des Staates Slowenien – schnell Fragen, auch sehr komplexe Fragen der Vertragswirksamkeit, insbesondere der ordnungsgemäßen und rechtswirksamen Vertretung ergeben.

Welche Idee könnte hinter dem Vorgehen des neuen, CAS-erfahrenen Kölner Verteidigers Gianpaolo Monteneri stecken?

Ich kenne hier keine Einzelheiten der Argumentation, so dass es schwierig ist, das genau zu beurteilen, zumal auch die Rechtsordnung eines anderen Landes betroffen ist. Es erinnert aber an einen ebenfalls vor dem CAS verhandelten Fall aus der Saison 2009/10. Damals gab es zahlreiche Pressemeldungen zu einem vergleichbaren Verfahren des RC Lens gegen den FC Chelsea und den – bei Vertragsschluss wohl ebenfalls minderjährigen – Spieler Gael Kakuta vor dem Fifa-Tribunal.

Welche Parallelen gibt es?

Nachdem das Fifa-Tribunal den Spieler und den FC Chelsea zu einer ähnlichen Strafe verurteilt hatte wie nunmehr den 1. FC Köln und Jaka Cuber Potocnik, gelangte der Fall in die Berufungsinstanz zum CAS. Dort sollen die Vereine und der Spieler – wohl unter Einbeziehung der Fifa – festgestellt haben, dass der Vertrag des dortigen Spielers von Anfang an unwirksam gewesen ist. Daraufhin haben sich wohl alle Parteien – unter Zustimmung der Fifa – auf einen Vergleich geeinigt und der CAS hat das vorauslaufende Fifa-Urteil aufgehoben.

Auf welcher Grundlage könnte das möglich gewesen sein?

Dies dürfte in einem – nach dem Verfahrensrecht des CAS möglichen – „Consent Award“ geschehen sein. Das entspricht in etwa einem gerichtlich vollstreckbaren protokollierten Vergleich aller Parteien. Es ist also nicht von vornherein auszuschließen, dass sich hier bei der Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien, die Fifa und den CAS eine ähnliche Entwicklung ergeben könnte. Jedenfalls halte ich das für eine kluge Argumentation, die womöglich für alle Beteiligten, sollten sich dafür Anhaltspunkte ergeben, Lösungen beinhaltet.

Olimpija Ljubljana fordert vom 1. FC Köln auf Grundlage eines angeblichen Angebots des kroatischen Erstligisten Dinamo Zagreb 2,5 Millionen Euro Ablöse für Potocnik. Ist dieses Vorgehen rechtens?

Soweit das zu lesen war, hat das Fifa-Tribunal in seiner Entscheidung das behauptete Angebot über 2,5 Millionen Euro, welches von einem Vermittler über einen „Letter of Interest“ überbracht worden sein soll, nicht berücksichtigt und den ausgeurteilten Entschädigungsbetrag gemäß Fifa-Regularien nach den dort vorgesehenen Berechnungsmethoden ermittelt.

Demnach wurden Olimpija Ljubljana von der Fifa vergleichsweise nur 51 750 Euro Schadensersatz zugesprochen, die Potocnik unter Mithaftung des 1. FC Köln an seinen Ex-Club zahlen soll. Wie ist dieser enorme Unterschied zu erklären?

Auch hier ist es aus der Distanz betrachtet nicht klar, was die Parteien dazu en detail vorgetragen haben und nunmehr beim CAS vortragen. Daher lässt sich eine Prognose nur schwerlich machen. Allerdings steht die Fifa-Entscheidung auch hierzu im Raum und es nicht ersichtlich, dass der dort ausgeurteilte Betrag willkürlich beziehungsweise aus der Luft gegriffen ist.

Dürfte Olimpija Ljubljana folglich nur geringe Chancen haben, die geforderte Ablösesumme vom CAS zugesprochen zu bekommen?

Es dürfte vermutlich nicht einfach werden, einen höheren Betrag durchzusetzen, zumal es sich um ein Angebot eines Vermittlers handeln soll und von daher weiter aufgeklärt werden müsste, was dahinter steht. Auch müsste in diesem Zusammenhang aufgeklärt werden, ob der Spieler eine behauptete – angeblich wohl mündlich vereinbarte – „Ausstiegsklausel“ über 100 000 Euro besessen hat.

Ist denn ein von einem Vermittler überbrachter „Letter of Interest“ als rechtsverbindliches Angebot überhaupt ausreichend?

Sollte der CAS es für relevant halten, muss dies im Zweifel durch eine Beweisaufnahme geklärt werden.

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