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Färöer-InselnMehr Schafe als Einwohner

Lesezeit 4 Minuten

Miroslav Klose bei einer Trainingseinheit der Nationalmannschaft im Torsvollur-Stadion in Torshavn am 9. September. Am Dienstag Abend spielt die Mannschaft gegen die Färöer.

Torshavn – Es ist ein recht seltsames Land, auf manchen Hausdächern wächst kniehohes Gras, es gibt doppelt so viele Schafe wie Menschen, und im Fußball ist das Handspiel erlaubt. Wenn der Wind auf den Färöer-Inseln wie recht häufig extrem stark weht, bleibt bei einer Spielunterbrechung kein Ball liegen. Beim Elfmeter darf sich deswegen ein Mitspieler des Schützen neben den Punkt knien, eine Hand auf den Ball legen und diesen so lange festzuhalten, bis der Kollege schießt. So geht Fußball auf färöisch.

Beliebte Ballsportart

Die Inselgruppe, rund 500 Kilometer vor Island gelegen und die eigentlich zu Dänemark gehört, aber wie Grönland eine weitgehende Autonomie von der Regierung in Kopenhagen besitzt, ähnelt einer norwegischen Fjordlandschaft. 18 Inseln gibt es, wenn einige größere Steinhaufen mitrechnet werden, kommt man auf 25. Sehr sportlich ist das Völkchen der 49.000 Einwohner. "Bei uns spielen 5 000 Frauen und Männer organisiert Fußball. Das ist eine sehr gute Quote verglichen mit den großen Nationen", sagt Landespräsident Kaj Leo Johannsen. Fast alle Färinger, die lieber ihre eigene Sprache als Dänisch sprechen, interessieren sich für Fußball. Denn dieser Sport sorgt für Feiertage im Nordatlantik wie an diesem Dienstag, wenn der Weltranglisten-Zweite Deutschland in Torshavn antreten muss, um Punkte für die WM-Teilnahme 2014 zu sammeln. Der Fischerort bildet mit 20 000 Einwohnern die Hauptstadt.

3500 Zuschauer werden ins Torsvollur Stadion kommen. Mehr gehen momentan nicht rein, weil es umgebaut wird. Es sieht aus wie eine große Bezirkssportanlage in Deutschland, nur die Stahlrohrtribünen sind etwas höher. Von Westen kann der Orkan ungehindert über den Kunstrasen fegen. Dann wird Fußball zum Glücksspiel. Den Wind fürchten die Topteams am meisten. Italien mühte sich vor zwei Jahren zu einem 1:0. Dass die zähen Amateure aus Färöer, die alle normalen Berufen nachgehen, schwer zu schlagen sind, erfuhr die deutsche Elf im Juni 2003. Sie stand knapp vor einer großen Blamage, ehe Miroslav Klose in der 89. Minute das 1:0 schoss und Fredi Bobic mit dem Schlusspfiff zum 2:0-Endstand nachlegte.

Kurz vorher war Berti Vogts mit Schottland zum Gespött europäischer Fußball-Fans geworden, weil nur ein 2:2 gegen die Insulaner erreicht wurde. Die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat die Färöer in drei Spielen noch nie hoch geschlagen. 2002 im ersten Duell gab es ein peinliches 2:1 in Hannover, das Hinspiel an gleicher Stelle im Herbst vorigen Jahres gewann Löws Team mit 3:0.

Klose sind die Färöer- Inseln bekannt

Vor zehn Jahren pflügte Klose noch echte Färöer-Erde um. Der Platz ähnelte einer Schafswiese mit vielen Pfützen. Inzwischen gibt es einen wetterbeständigen Plastikrasen. Die DFB-Mannschaft gewann bisher alle ihre Spiele auf künstlichem Untergrund, sie kann ihr schnelles, technisches Spiel darauf gut entfalten.

Die Mini-Wikinger halten mit Kampfkraft dagegen. "Wir werden uns möglichst gut verkaufen. Wir wollen es besser machen als beim 1:2 in Kasachstan", sagt Christian Holst, der beste Feldspieler, der für den dänischen Klub Silkeborg IF spielt. Das Färöer-Team spielte am Freitag in Astana und verlor auch das siebte von sieben Spielen in der Qualifikationsgruppe C. Die Spieler mussten 9400 Flugkilometer hin- und zurücklegen, bis an das äußerste Ende des Uefa-Wirkungskreises.

Acht Färöer-Spieler kicken für ausländische Vereine. Torhüter Gunnar Nielsen vom Schotten-Club FC Motherwell ist die wertvollste Kraft, die auch im Oktober 2012 in Hannover herausragend hielt. Er hat einen prominenten Vorläufer namens Jens Knudsen. Das war der Keeper mit der Zipfelmütze, der vor zehn Jahren eine gewisse Berühmtheit erlangte. Aber für den Paukenschlag schlechthin sorgten die Färöer 1992, als sie bei der ersten Teilnahme an einer EM-Qualifikation Österreich mit 1:0 schlugen. Alle Nachfolger schafften eine solche Sensation nicht mehr.

Stürme auf der Schafsinsel

Im Winter ruht der Liga-Betrieb, nicht wegen der Kälte, sondern wegen des dauernden Sturms. Dann verkriecht sich auch die größte Bewohnergruppe im Windschatten. Färöer bedeutet übersetzt Schafsinsel. Rund 100 000 der Wolltiere weiden auf den grünen, kahlen Felseninseln. Und der Fischfang spielt wirtschaftlich eine größere Rolle, die Färöer waren früher Startpunkt für große Walfang-Expeditionen. Die Tradition lebt noch, zur Empörung internationaler Tierschützer, weil jedes Jahr Hunderte Grindwale in einer Bucht zusammengetrieben und extrem brutal geschlachtet werden. Den Färingern ist das Thema sehr peinlich, aber gestoppt wird das Wal-Morden nicht. Viel lieber reden sie über Fußball.