Juri Knorr von den Rhein-Neckar Löwen wurde erst zum Retter des deutschen Handballs auserkoren, dann scharf kritisiert. Nun ist der 22-Jährige wieder ein WM-Hoffnungsträger, weil sich der Mittelmann in bestechender Verfassung befindet. Marc Stevermüer hat mit ihm gesprochen.
Interview mit Handballer Juri Knorr„Wir haben nicht die Qualität wie Schweden, Dänemark oder Frankreich“

Juri Knorr beim Spiel Deutschland-Brasilien im Juli letzten Jahres.
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Herr Knorr, sehen wir gerade den besten Juri Knorr?
Puh…damit tue ich mich schwer. Ich profitiere ja auch von meinen Mitspielern.
Aber nicht nur…
Solch eine gute Phase hatte ich in meiner Profi-Karriere sicherlich noch nicht. Aber jedes Mal, wenn ich mir unser Spiel hinterher anschaue, fallen mir Dinge auf, die ich nicht so gut gelöst habe. Eigentlich behalte ich diese Szenen dann auch im Kopf, damit ich es beim nächsten Mal anders mache. Es geht noch besser.
Allein schon aufgrund Ihrer zentralen Position sind Sie auch mit 22 Jahren ein Führungsspieler. Kann man Führung lernen oder ist das eine Frage des Naturells?
Im Endeffekt mache ich nur das, was ich schon seit meiner Kindheit tue. Ich habe praktisch in all meinen Mannschaften auf dieser Position gespielt und fülle diese Rolle so aus, wie ich das bereits in der C-Jugend getan habe.
Sie spielen also noch wie als Zwölfjähriger?
Das nicht. Ich bin jetzt natürlich besser als in der C-Jugend und habe mich weiterentwickelt. Aber an meinem Spielstil, also an der Art und Weise meines Handballs, hat sich seitdem gar nicht so viel verändert. Auch nicht der Umgang mit den Mitspielern. Meiner Meinung nach ist es wichtig, die eigene Leistung immer wieder auf das nächsthöhere Niveau zu bringen und dort zu bestehen.
Können Sie das bitte konkretisieren?
Ich bin von HSG Ostsee zur zweiten Mannschaft des FC Barcelona in die 2. spanische Liga gegangen, dann zu GWD Minden und jetzt zu den Löwen. Überall ging es darum, zu zeigen, dass ich meine Fähigkeiten auch auf dem nächsthöheren Level einbringen kann; dass ich dieser Spieler auch beim nächsten Verein sein kann. Sowohl sportlich als auch menschlich oder charakterlich. Welche Art von Führung das dann ist, hängt immer vom Gesamtgefüge ab. Ich bin nicht der klassische Kapitän. Oder ich weiß zumindest nicht, ob ich jemals Kapitän sein werde. Aber ich weiß, dass ich eine Art der Führung auf dem Feld habe.
Vor etwa einem Jahr standen Sie für Ihre Leistungen in der Kritik und spielten auch bei den Löwen wenig. Wie sind Sie als junger Mensch damit umgegangen?
Da muss ich nicht drumherum reden. Die Kritik hat mich extrem beschäftigt, das war bislang die schwierigste Zeit in meiner Handball-Karriere, und ich habe das auch mit nach Hause, mit ins Privatleben genommen.
Mit 20 Jahren wurden Sie zum Retter des deutschen Handballs erkoren. Ob Sie wollten oder nicht. Das klingt kompliziert. Vor allem, wenn der ersehnte Heilsbringer mal nicht liefert.
Mir war immer bewusst, dass es nicht immer nur steil bergauf geht. Aber es ist trotzdem etwas anderes, solch eine schlechtere Phase dann auch wirklich zu erleben. Das hat sich komisch angefühlt.
Weil es nur diese krassen Extreme gibt? Entweder Wunderkind oder totale Enttäuschung…
Aber so funktioniert nun mal die Welt. Ich kann das mittlerweile ganz gut einordnen, habe mein eigenes Bild von der öffentlichen Wahrnehmung und der Berichterstattung.
Wie sieht Ihr Bild denn aus?
Es fehlt ein bisschen die Mitte, die sachliche Einordnung. Und zwar in beide Richtungen. Das war bei mir so, als ich mein erstes Länderspiel gemacht hatte und es wiederholte sich, als es nicht so gut lief. Jetzt spiele ich gerade gut. Nun wird viel an den vergangenen Wochen, an ein paar Spielen festgemacht. Ich bin mal gespannt, wie die Stimmung dann nach der WM aussieht. Es ist ein Auf und Ab, weil oft nur ein Moment oder eine Phase gesehen wird.
Was für Momente bescheren uns die deutschen Handballer bei der WM?
Schwer zu sagen. Das hängt gerade bei uns vom Turnierverlauf ab. Wir müssen realistisch sein. Unsere Mannschaft ist gut, aber wir haben nicht die Qualität wie Schweden, Dänemark oder Frankreich. Diese Teams sind durchgehend mit Topspielern besetzt und haben das in den vergangenen Jahren durch Medaillen und Titelgewinne auch nachgewiesen. Das ist uns nicht gelungen. Vielleicht können wir diese Nationen ärgern. Aber wenn wir in die jüngere Vergangenheit schauen, sollten wir jetzt besser keine unrealistischen Ziele formulieren.
In der Handball-Nation Deutschland sitzen aber Millionen vor den Fernsehern und sehnen das Halbfinale herbei.
Dessen bin ich mir bewusst. Die Aufmerksamkeit ist groß, das ganze Land schaut zu und es wird eine riesige Erwartungshaltung erzeugt. Aber auch hier sprechen wir doch wieder von einem Extrem. Es wird den Ergebnissen bei den zurückliegenden Turnieren kaum Beachtung geschenkt. In Frankreich oder Dänemark mag solch eine Erwartungshaltung angebracht sein. Aber doch nicht bei uns. In Deutschland gibt es eine Art Sensations-Fanatismus. Auch im Umgang mit der Nationalmannschaft. Entweder sind wir die ganz Großen oder die Deppen der Nation.