Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Eltern, Ex-Trainer, BeraterDer Özil-Kosmos: Wer beeinflusst ihn, wem vertraut er?

Lesezeit 4 Minuten
Özil (1)

Mesut Özil 

Es gibt da diese Anekdote über Mesut Özil, die ganz gut beschreibt, dass es sich bei ihm keineswegs um einen dieser Fußballer handelt, die ihren Kopf nur zum Herumtragen bekommen haben. Sie ereignete sich bei einem Termin für den Sportriesen Adidas in Berlin. Es waren drei Dutzend Journalisten geladen, dazu noch etliche sogenannte Influencer von Youtube und Instagram. Der Saal war abgedunkelt und das Licht nicht ausreichend, um Selfies mit ihm zu machen. Özil stand wie ein Eichhörnchen in Schockstarre auf der Bühne, gefangen an einem Ort, an dem er so nicht sein wollte. Nach einer Weile rief er einen Fotografen zu sich, um ihm seinen Plan zu erklären: Er bat darum, ausreichend Blitzlicht an die Decke zu schießen, um so für die nötige Helligkeit zu sorgen. Am Ende bekamen alle ihr Foto mit Özil.

Özil ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Aber er hat erst mit vier Jahren die Sprache in Bruchstücken erlernt. In Gelsenkirchen ist er in einer Straße mit Türken und Libanesen aufgewachsen. Die Mutter hat ihm als Putzfrau seine Fußballerkarriere ermöglicht, der Vater hat sich schnell vor allem auf die Entwicklung des Sohnes konzentriert. „Der Mesut“, sagt einer, der ihn sehr gut kennt, „ist ein herzensguter Mensch, er kann sich aber nicht artikulieren und hat deshalb brutale Angst vor der deutschen Öffentlichkeit, von der er sich ohnehin seit Jahren unverstanden fühlt.“

Deutlich in eine Richtung gedrängt

Özil ist nun fast 30 Jahre alt. Weshalb es sicher zu einfach wäre, einen seiner Berater als Erklärung vorzuschieben, warum er sich verhält, wie er sich gerade verhält. Und dennoch ist mehr als offensichtlich, dass er umgeben ist von Menschen, die ihn sehr deutlich in eine Richtung drängen.

Eine zentrale Rolle spielt dabei Erkut Sögüt, 1980 in Hannover geboren, selbst Sohn türkischer Einwanderer. Er hat am eigenen Leib erfahren, dass man sich mit seinem Migrationshintergrund vieles härter erarbeiten muss als andere. Sögüt ist promovierter Jurist und hat mittlerweile in London sein Hauptquartier. Hauptklient ist Özil. Es ist keine reine Geschäftsbeziehung zwischen beiden. Özil vertraut dem Berater, der in seinem Kosmos eine zentrale Rolle spielt.

Mesut Özil hat viele Enttäuschungen erlebt. Eine der größten durch seinen Vater, von dem er sich vor Jahren als Manager trennte. Mustafa Özil versuchte sich selbst im Blitzlichtgewitter des Sohnes zu inszenieren. Pflegte einen umtriebigen Lebensstil – die Mutter, die Mesut Özil bis heute verehrt, blieb zurück. Das führte zum Zerwürfnis in der Familie.

Sögüt hat alles wieder geordnet. Es geht vor allem um Anerkennung. Özil ist eine globale Marke. Er hat rund 71 Millionen Follower in den Sozialen Netzwerken – etwa 80 bis 90 Prozent davon kommen nicht aus Deutschland. Das erklärt, warum sein Heimatland für ihn aus Vermarktungssicht nur noch eine geringe Bedeutung hat. Und so hatte es wohl Sögüt nicht besonders schwer, Özil davon zu überzeugen, seine Verbindungen nach Deutschland immer mehr zu kappen. In Beraterkreisen heißt es, Sögüt prangere die Ungleichbehandlung von Muslimen an. Eine telefonische Anfrage bei Sögüt blieb erfolglos.

Menschen, die ihm Nestwärme bieten

Özil ist ein Familienmensch. Sein Cousin Serdar Özil begleitet ihn in London, Bruder Mutlu ist in diverse Geschäftszweige eingebunden. Mesut ist umgeben von Menschen, die ihm Nestwärme bieten. Bis heute hat er noch einen engen Kontakt mit seinem Entdecker Norbert Elgert, Macher der Knappenschmiede von Schalke 04. Özil, so beschreibt ihn ein Freund, sei niemand, der wild um sich schießen würde, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Weshalb man sicher davon ausgehen kann, dass nicht er der Initiator des dreiteiligen Schreibens war, das den deutschen Fußball in eine Krise geführt hat. Özil umgibt eine kindische Trotzigkeit mit einer gehörigen Portion Lethargie. Seine größte Schwäche auch auf dem Platz ist es, sich nur bedingt zu wehren. Wenn ihm fünf Mal ein Gegenspieler auf die Füße tritt, verliert er die Lust am Spiel.

Als DFB-Präsident Reinhard Grindel Özil zum Abschuss freigegeben hatte, indem er sich nicht schützend vor ihn stellte, als Rassisten auf das Feld stürmten, und vor allem im Internet die Deutungshoheit zu übernehmen versuchten, hat man im Özil-Lager endgültig eine Entscheidung gefasst: sich nichts mehr sagen zu lassen von einer deutschen Gesellschaft, von der man sich ohnehin unverstanden fühlte. Berater Sögüt hat erreicht, was er wollte: Özil wird außerhalb Deutschlands ausschließlich als Opfer gesehen.