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Sieg gegen Real MadridWarum der Sieg von „Sheriff“ ein Märchen mit vielen Makeln ist

3 min
Tiraspol

Der FC Sheriff Tiraspol bejubelte eine Sensation. 

Madrid – Klein schlägt Groß, das mögen Fußball-Fans. Noch schöner ist nur: Ganz Klein schlägt ganz Groß. Das geschah am Dienstag in Madrid. Dort bejubelte der FC Sheriff Tiraspol einen Sensationssieg, der das Zeug zum Märchen hat. Aber nur so lange, bis man hinter die Fassade schaut.

225 Heimspiele hat der große FC Real in der Champions League und im Europapokal der Meister seit 1956 bestritten. Nur einigen der ganz großen Clubs gelangen Siege in der Trutzburg der „Königlichen“ – Juventus, Inter, Ajax oder Bayern. Am Mittwoch kassierte Real die Heimpleite mit der laufenden Nummer 21 – gegen den FC Sheriff Tiraspol.

Dankbar nahmen die spanischen Zeitungen den seltsamen Clubnamen auf. „Real erschossen vom Sheriff“ oder „Der Sheriff setzt sein Gesetz durch“, hieß es in den Schlagzeilen. Dass der Verein nach einem Unternehmen benannt ist, wurde nur am Rande erwähnt.

Transnistrien ist kein anerkanntes Land

Und allenfalls gestreift wird, dass die Stadt Tiraspol nur formal zur Republik Moldawien, einem der ärmsten Länder Europas, gehört. Tiraspol ist faktisch die Hauptstadt einer eigenständigen Region, etwa so groß wie das Saarland, die sich von Moldawien nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990 losgesagt hat. Transnistrien nennt sich das Land, das von keiner anderen anerkannten Nation der Welt anerkannt wird, aber eine eigene Regierung, Armee, Währung, Hymne und Flagge hat.

Der Landstrich am östlichen Rand Moldawiens und an der Grenze zur Ukraine hat einen mächtigen Freund: das Russland von Wladimir Putin. Von dort gibt es Geld und militärische Hilfe. Berichte über Menschenrechtsverstöße, Korruption, Geldwäsche und Schmuggel werden ignoriert. Die FAZ nannte Transnistrien „einen Mafia-Kleinstaat von Putins Gnaden“.

Ein undurchsichtiger Konzern mit sehr viel Macht

500.000 Menschen leben dort, überwiegend mit russischen Wurzeln. Die hat auch Viktor Gushan, ein ehemaliger sowjetischer Sicherheitsoffizier, der in den Wirren der Wende in Tiraspol ein Unternehmen gründete – und wegen seiner beruflichen Vergangenheit „Sheriff“ nannte. Im Stil eines Oligarchen baute er daraus ein Konglomerat von Firmen, mit denen er nach Auffassung von Osteuropa-Experten das Land wirtschaftlich und politisch kontrolliert. Staatsoberhaupt ist der ehemalige Sicherheits-Chef von „Sheriff“.

Der undurchsichtige Konzern besitzt Supermärkte, TV-Sender, Banken, Tankstellen, Baugesellschaften, Mobilfunknetze – und einen Fußballclub. Obwohl Transnistrien nichts mit Moldawien zu tun haben, spielt der FC Sheriff in der ersten Liga der Republik. Denn das ist die Eintrittstür zur Champions League. Gushan hat einen Club aufgebaut, der die Konkurrenz Jahr für Jahr degradiert. In den letzten 21 Spielzeiten wurde Sheriff 19 Mal Meister. Die Kosten für das moderne Stadion, das Gushan mitsamt Trainingszentrum bauen ließ, werden auf 200 Millionen Euro geschätzt.

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Die Sheriff-Profis verdienen so viel wie deutsche Drittligaspieler und damit weit mehr als die Akteure der übrigen Clubs der „National-Division“. Die Mannschaft, die in Madrid gewann, war besetzt mit Mittelklasse-Fußballern aus Südamerika, Afrika und Europäern. Die einzigen vier Spieler mit moldawischen Pass saßen auf der Bank. Das herrliche Siegtor in Madrid erzielte der Luxemburger Sebastien Thill. Trainer der Mannschaft ist Juri Wernidub; ein Ukrainer, der vor knapp 30 Jahren eine Saison beim Chemnitzer FC spielte.

Für das Unternehmen „Sheriff“ zahlt sich die Investition in die Fußball-Tochterfirma aus. Zu der Antrittstantieme von 15 Millionen Euro, die die UEFA jedem Champions League-Starter zahlt, kommen 5,4 Millionen Euro Prämie für zwei Siege. Sollte der Einzug ins Achtelfnale gelingen, fließen weitere 9,5 Millionen Euro nach Tiraspol. Madrid erlebte schon das zweite Kapitel des Märchens mit vielen Makeln: Im ersten Gruppenspiel gelang ein 2:0 gegen den ukrainischen Topclub Schachtar Donezk. Der ist das Spielzeug des Oligarchen Rinat Achmetow.

Quellen: FAZ, 11Freunde, Stern, Deutsche Welle.