Carsten Lichtlein im Interview„Deswegen werden wir Spieler am Sonntag alles geben“

In der Schwalbe-Arena gab es bereits nach dem Spiel gegen Göppingen die Verabschiedung von Carsten Lichtlein.
Copyright: Fotos: Arnold (3)/Ising
- Carsten Lichtlein hat sechs Jahre für den VfL Gummersbach zwischen den Pfosten gestanden.
- Er ist das Gesicht und der Kapitän des Teams. Am Sonntag bestreitet er sein letztes Spiel für die Oberberger.
- Andreas Arnold sprach mit ihm über Gummersbach, den VfL und das Thema Abstieg.
Gummersbach – Am Sonntag geht es für den VfL um die Wurst. Ist die Situation für Sie neu?
Carsten Lichtlein: Nein! Letztes Jahr hatten wir die gleiche Situation gegen Hüttenberg. Und da ist es für uns gut ausgegangen. Ich bin positiv gestimmt, dass wir das in diesem Jahr auch schaffen. Wir wollen diesmal mehr Druck machen auf den Gegner, so dass es nicht so spannend wird.
Der VfL ist mit einer völlig anderen Erwartung in die Saison gestartet, wollte mit dem Thema Abstieg möglichst früh in der Saison nichts mehr zu tun haben. Und jetzt wieder ein Showdown. . .
Absolut richtig und ich hätte auch gerne darauf verzichtet, doch zack, haben wir sie wieder. Man muss aber auch sehen, dass wir viel Verletzungspech hatten, allen voran Drago Vukovic, der eigentlich als Leader vorne weg marschieren und als Persönlichkeit in Abwehr und Angriff die Fäden ziehen sollte. Seine Verletzung war ein wahnsinniger Nackenschlag.
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Aber der Tabellenplatz lag nicht nur an den Verletzten.
Richtig, denn je mehr Spiele wir verloren haben, desto mehr ist unser Selbstvertrauen verschwunden. Zuletzt haben wir dann wieder einige Spiele daheim gewonnen und sofort konnte man sehen, dass in der Mannschaft gleich eine ganz andere Stimmung herrschte. Das hat uns einfach gefehlt.
Tatsächlich besser wurde es aber erst nach der Demission von Trainer Denis Bahtijarevic und der Verpflichtung von Torge Greve.
Der Verein hat halt reagiert. Das war wie eine Spirale. Du hast auswärts nicht nur verloren, du hast richtige Klatschen kassiert. Das hat halt zu denken gegeben. Man kann in solchen Situationen nicht die ganze Mannschaft auswechseln. Da ist der Trainer leider das schwächste Glied.
Und es zeigte Wirkung?
Bei dem Wechsel von Dirk Beuchler zu Denis war es ja genau so. Da haben wir gleich drei Spiele gewonnen. Und diese Saison war es wieder so. Da hat man gesehen, dass die Mannschaft im Grunde doch Potenzial hat. Nur sie haben es zu selten auf die Platte bekommen. Das ist halt die Kunst, wenn es um was geht.
Sie sind in den letzten sechs Jahren das Gesicht des VfL und ein Sympathieträger geworden. Was bedeutet Ihnen Gummersbach?
Das ist für mich immer noch der Name im deutschen Handball. Egal, wo du hinkommst, ist der VfL nach wie vor hoch angesehen. Und wenn es hier mal schlecht gelaufen ist, sind die Fans trotzdem gekommen und haben uns angefeuert. Dass sie uns dann und wann mal kritisiert haben, war völlig okay. Das gehört ja dazu. Trotzdem haben sie nicht gesagt, jetzt bleiben wir zu Hause. Hut ab, Respekt vor diesen Zuschauern!
Als Sie mit dem Handball angefangen haben, war da der VfL auf der Liste der Vereine, für die Sie einmal spielen wollten?
Ich war ja zuerst bei einem anderen Traditionsverein, dem TV Großwallstadt, für den schon mein Vater gespielt hat. Mein Traum war daher erst einmal, für den TVG zu spielen. Dann bin ich zum TBV Lemgo gewechselt, der mit dem VfL in diesen Jahren immer auf Augenhöhe spielte. Damals bekam ich dann Anrufe vom Alfred Gislason und von Axel Geerken, ob ich nach Gummersbach wechseln wolle. Kontakt gab es immer zum VfL. Auch durch die Nationalmannschaft mit Trainer Heiner Brand und Physio Urban Wrona. 2013 kam dann das Angebot und da war für mich klar, dass es nach Gummersbach geht.
Auch wenn es sportlich nicht ganz so toll gelaufen ist: Haben Sie die Entscheidung für den VfL bereut?
Nein. Ich fühle mich sehr wohl in Gummersbach. Die Leute hier sind sehr herzlich, sehr offen. Die handballverrückte Stadt Gummersbach einmal kennenzulernen und das nicht nur bei Auswärtsspielen, war einfach ein Erlebnis.
Hat der VfL als Marke nach wie vor diesen Stellenwert in der Republik?
Auf jeden Fall, egal, wo man hinkommt, wird Gummersbach mit Handball in Verbindung gebracht. Der Handball hat einfach eine ganz große Tradition. Da ist es egal, ob man in der Tabelle unten oder oben steht.
Was passiert, wenn der VfL absteigt?
Daran will ich gar nicht denken. Das wäre tragisch und ich weiß nicht, ob das jedem bewusst ist. In Großwallstadt habe ich es aus der Ferne beobachtet. Das war ein Desaster. Und deswegen werden wir als Spieler am Sonntag auch alles geben.
Haben Sie eine Erklärung für die seit Jahren nicht endende Abwärtsspirale?
Schwer zu sagen, aber ich habe schon als Spieler in Lemgo gehört, dass der VfL Geldnöte hat. Die Altlasten sind nach wie vor ein Thema, so dass man, wenn ein Spieler wie Drago Vukovic sich verletzt , als Verein keinen Ersatz verpflichten kann, weil einfach kein Geld da ist. Das ist halt schade für so einen gestandenen Verein. Wir als Team versuchen damit zurecht zu kommen und das Maximum heraus zu holen.
Als Torhüter spielen Sie auf einer Schlüsselposition. Vergangene Saison haben Sie der Mannschaft gerade in der Hinrunde viel geholfen, diese Saison war viel Luft nach oben. Wie sehen Sie Ihre Leistung?
Ich weiß selbst, dass ich letztes Jahr viel besser gehalten habe. Wir hatten Drago Vukovic für die zentrale Position in der Abwehr geholt, der das System versteht und kann. Und jetzt haben wir mit Alexander Becker und Stanislav Zhukov einen Mittelblock, von dem wir nicht gedacht hätten, dass er die gesamte Saison spielen müsse. Die beiden mussten sich auch erst einmal finden. Aber als Torhüter orientiert man sich ja am Mittelblock. Das Zusammenspiel, wie ich es mir gedacht habe, hat halt nicht immer so geklappt.
Nach der Saison wechseln Sie zum HC Erlangen, so dass Sie auch näher an Ihrer Heimat Würzburg arbeiten werden. War das mit der Grund, sich für den HC zu entscheiden?
Das war mit Sicherheit eine Entscheidung für die Familie.
Freuen Sie sich?
Na klar. Auf die Heimat freut man sich immer. Die Distanz zwischen der Familie und Erlagen sind dann nur noch 90 Kilometer, wobei der Abschied schon weh tut. Da waren, wie beim letzten Heimspiel, auch Tränen in den Augen.