Erstmals seit 14 Jahren sind die Staats- und Regierungschefs der südamerikanischen Amazonasländer wieder zu einem gemeinsamen Gipfeltreffen zusammengekommen.
Grüne Lunge der WeltAbholzung des Amazonas gesunken – gibt es wieder Hoffnung?

Belem: Blick auf den Wald auf der Insel Combu am Ufer des Flusses Guama in der Nähe der Stadt Belem. In Belem findet der „Amazonasgipfel“ statt.
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Die gute Nachricht für die grüne Lunge der Welt kam rechtzeitig zum Spitzentreffen. Vor wenigen Tagen meldete das brasilianische Umweltministerium, dass die Abholzung des Amazonas in dem Land im Juli um zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken sei. Demnach gab es im vergangenen Monat Hinweise auf einen Kahlschlag auf einer Fläche von knapp 500 Quadratkilometern. Im Juli 2022 waren es noch rund 1490 Quadratkilometer. Der Juli ist traditionell einer der Monate mit der stärksten Abholzung in der Region. Vor allem illegale Holzfäller, Goldgräber und Drogenhändler setzen dem Amazonas zu.
Noch ist das viel zu wenig Rückgang der Entwaldung, um den ökologischen Zusammenbruch des Regenwaldes mittelfristig zu verhindern. Wissenschaftler warnen davor, dass die Abholzung der Wälder dem „Tipping-Point“ gefährlich nahe kommt, bei dessen Überschreitung die Bäume absterben und ihre Kohlenstoffspeicher wieder in die Atmosphäre abgeben würden. Ab diesem Kipppunkt nimmt der Urwald unwiederbringlichen Schaden.

Blick auf den Fluss Guama und die Insel Combu im Amazonas-Regenwald. Menschen leben an den Ufern des Guamas in Holzhütten, die unter dem Namen „Palafitas“ bekannt sind.
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Aber ein Anfang ist gemacht. Und an dem Punkt wollten gestern die acht Anrainerstaaten des südamerikanischen Regenwalds anknüpfen, die noch bis heute über den weiteren Schutz in der brasilianischen Stadt Belém do Pará beraten. Gastgeber ist Brasiliens Linkspräsident Lula da Silva, der bis 2030 die Abholzung des grünen Waldes komplett stoppen will.
Sein größter Verbündeter in der Region ist Kolumbiens Staatschef Gustavo Petro, der eine ambitionierte Umweltagenda in seinem Land verfolgt und die Wirtschaft Kolumbiens dekarbonisieren will. Petro ist vermutlich von allen Präsidenten der Amazonasstaaten derjenige mit der größten Sensibilität für das Thema. Sechs Präsidenten nehmen an dem Gipfel teil, Ecuador und Surinam werden durch Minister vertreten. Auch Deutschland und Norwegen sind als Hauptunterstützer des Amazonas-Fonds vertreten.
58 Prozent des Amazonas-Dschungels liegen in Brasilien, aber auch Peru (13 Prozent), Kolumbien (zehn Prozent), Bolivien (acht Prozent), Venezuela mit sechs Prozent sowie Ecuador, Surinam, Französisch-Guayana und Guyana mit kleineren Teilen haben ein riesiges Interesse daran, dass die galoppierende Zerstörung des Urwaldes gestoppt wird.
Hunderte indigene Gruppen
Insgesamt umfasst der Regenwald anderthalbmal das Gebiet der Europäischen Union und ist das größte tropische Regenwaldgebiet der Erde. Hier finden 25 Prozent des Kohlenstoff-Austauschs zwischen Atmosphäre und Biosphäre statt. Ein gesunder Regenwald bindet Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Luft, das für die Erderwärmung verantwortlich ist. Abgeholzte Wälder sind hingegen große Quelle für Treibhausgasemissionen. Zudem beherbergt der Dschungel etwa zehn Prozent der weltweiten biologischen Vielfalt.
Lula und Petro haben reiche Staaten aufgefordert, die südamerikanischen Amazonasländer beim Schutz des Regenwaldes mit finanziellen Mitteln zu unterstützen. Bei den zweitägigen Beratungen soll jetzt eine gemeinsame Position gefunden werden, wie der Urwald erhalten und gleichzeitig nachhaltig genutzt werden kann. Denn neben der Bekämpfung der oft organisierten Kriminalität im Regenwald ist die Bekämpfung der Armut seiner Bewohner eine Hauptaufgabe. In der Amazonas-Region leben 50 Millionen Menschen, darunter Hunderte von indigenen Gruppen, die für den Schutz des Waldes als entscheidend gelten.
Lula, der im Januar wieder ins brasilianische Präsidentenamt zurückkehrte, will mit den Gipfelpartnern „zusammenarbeiten, um das Amazonasbecken zu entwickeln, ohne es zu zerstören“. Und die Abschlusserklärung von Belém soll diesen Geist widerspiegeln. Sie soll „ehrgeizig“ sein und „eine Agenda enthalten, die den Ländern in den kommenden Jahren als Richtschnur dienen soll“, wie das brasilianische Außenministerium erklärte. Die Erklärung soll auch auf der kommenden Weltklimakonferenz COP28 im Dezember in Dubai als gemeinsames Papier der Amazonas-Anrainer präsentiert werden.
Für die Klimawissenschaftlerin Paola Arias von der Universität von Antioquia in Kolumbien ist die Entwaldung des Amazonas nicht nur „die Schuld der Amazonasländer“. Denn die im Amazonasgebiet produzierten Rinder und Feldfrüchte gingen ja weitgehend auch als Exportgut ins Ausland. So werde die Deforestation von einer weltweiten Agrarindustrie genutzt, die Gewinne für den globalen Norden generiere. „Diese Verbindungen zu Europa, Nordamerika und Australien müssen Teil der Debatte in Belém sein“, fordert Arias.