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Blackfacing und KolonialuniformenDiskussion um Grenzen im Karneval

Lesezeit 3 Minuten
Blackfacing

Dem Fastnachtsverein Südend wird wegen seiner traditionellen Kostümierung Rassismus vorgeworfen.

Fulda/Gießen – Politiker werden auf Motivwagen verunglimpft, Büttenredner reißen schonungslos Witze, Narren loten mit provozierenden Kostümen Grenzen aus: An Karneval ist mehr erlaubt als sonst. Gewisse Grenzen und Normen seien traditionell ausgesetzt, sagt der Kultursoziologe Jörn Ahrens von der Universität Gießen.

Doch auch in der närrischen Zeit gebe es weiter Grenzlinien. Das zeigen die Diskussionen um den Fuldaer Karnevalverein Südend. Der Klub sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt, weil Mitglieder Kolonialuniformen tragen und sich als schwarze Menschen geschminkt hatten. Beim Fuldaer Rosenmontagsumzug bekam der Verein Polizeischutz - und Zuspruch von anderen Narren.

Über Jahre war der „Neger vom Südend“ Bestandteil der Fuldaer Fastnacht. Ein Vereinsmitglied hatte sich dafür das Gesicht mit schwarzer Farbe geschminkt und war mit Perücke, Knochen-Kette und Leoparden-Fell mitgelaufen. Dieses Jahr verzichtete der Mann wegen der Vorwürfe auf das Schwärzen des Gesichts und Knochenkette. Schminken sich weiße als schwarze Menschen, wird das Blackfacing genannt. Das wird allgemein als rassistisch kritisiert. Im Herbst war ARD-Moderator Guido Cantz in die Schlagzeilen geraten. In seiner Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ war er als Farbiger aufgetreten. Rassismusvorwürfe folgten.

Dass im Karnvelverein von „Neger“ gesprochen wird, findet Kultursoziologe Ahrens bereits unangebracht. „Das Wort ist seit 20 bis 25 Jahren aus dem normalen Sprachgebrauch heraus“, sagt er. Das habe auch nichts mit der in solchen Fällen oft zitierten politischen Korrektheit zu tun. Der Kontext sei wichtig. Farbige Menschen werden mit dem Begriff Neger abgewertet, erklärt der Kultursoziologe.

Dass über Jahre ein Mitglied des Fuldaer Vereins mit Knochen geschmückt und schwarz angemalt bei Umzügen unterwegs war, sieht auch Winfried Speitkamp von der Universität Kassel kritisch. Damit würden Afrikaner als Wilde, „als halbe Kannibalen“, dargestellt, sagt der Historiker. „So werden Vorurteile bedient.“

Das sehen längst nicht alle Menschen so: Beim Umzug in Fulda solidarisierten sich Narren mit dem Verein und schminkten sich schwarz. Einer trug ein Schild, auf dem stand: „Ein Herz für Neger.“

Der Verein steht auch in Kritik, weil seine Mitglieder in kolonialen Uniformen am Rosenmontag durch die Stadt ziehen. Dirk van Laak, Historiker von der Universität Leipzig sagt: „Man muss bedenken, aus welcher Zeit die Tradition des Vereins kommt.“ Der Verein wurde 1938 gegründet. Deutschland hatte in dieser Zeit keine Kolonien mehr, sehnte sich aber danach zurück. „Kolonialrevisionismus“ heißt das unter Fachleuten.

„Der Verein sollte sich historisch bewusst werden, auf welche Tradition er sich da bezieht“, sagt van Laak. Er plädiert hier für eine offene Diskussion. „Man muss dabei sensibel auf beiden Seiten sein.“ Rassimusvorwürfe gegen den Verein hält keiner der Experten für gerechtfertigt. Es seien eher fehlende Reflektion und Unwissenheit.

Historiker Speitkamp findet kolonial anmutende Uniformen als Verkleidung insgesamt „sehr unangemessen“. In deutschen Kolonien wurden Aufstände zum Teil brutal niedergeschlagen. „Die Aufgabe von Karneval ist selbstverständlich, sich über Verhältnisse lustig zu machen und eine andere Welt zu schaffen.“ Es sei aber nicht Aufgabe des Karneval, sich über Opfer deutscher Geschichte lustig zu machen. „Es gibt eine Grenze, wo man doch keine Witze mehr machen sollte.“ (dpa)