BuchVon Ex-Mann mit Seil um den Hals hinter Auto hergeschleift

Kader K. hält ihr Buch "Novemberwut" in den Händen.
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Hameln – Der 20. November 2016 lässt Kader K. nicht los. Der Tag, an dem ihr Ex-Mann sie im niedersächsischen Hameln auf grausame Weise umbringen wollte, bestimmt auch heute noch ihr ganzes Leben. „Ich habe Schmerzen. Mein Rücken, mein Nacken, meine Schulter, mein Kopf tun weh. Mir wird dauernd schwindlig.“ Sie könne seither auch nicht mehr gut schlafen, sagt die 29-Jährige. „Ich habe Alpträume. Ich träume, dass ich angegriffen werde, dass ich keinen Ausweg habe, dass ich mich verstecke oder wegrenne.“
Kader K. musste Schreckliches durchmachen. Ihr 39-jähriger Ex-Mann, der wie sie kurdische Wurzeln hat, stach mit dem Messer auf sie ein, schlug mit der Axt auf ihren Schädel, band ihr einen Strick um den Hals und schleifte sie hinter dem Auto her durch Hameln. Sie überlebte nur, weil sich das Seil nach 200 Metern löste und sie vor einen Imbiss geschleudert wurde. Vor der ersten Notoperation musste sie zwei Mal wiederbelebt werden.

An dieser Straße soll ein Mann eine an mit einem Seil an einem Auto festgebundene Frau durch die Stadt gezogen haben.
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„Sie sind dem Tod dreimal sehr nahe gewesen“, sollte später der Richter sagen, der den Täter im Mai dieses Jahres wegen Mordversuchs zu 14 Jahren Haft verurteilte. Die Taten seien eine menschenverachtende Form der Erniedrigung und der Zurschaustellung gewesen.
Schwere psychische Folgen
Kader K. leidet seit dem Verbrechen an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung. „Ich werde derzeit ambulant behandelt“, sagt die Frau. „Ich komme aber bald zur stationären Therapie in eine Traumaklinik.“ Auch ihr heute vierjähriger Sohn ist in psychiatrischer Behandlung. Der Junge saß während des Gewaltexzesses im Auto und hörte die Schmerzensschreie der Mutter. „Körperlich geht es ihm gut“, sagt Kader K., „aber psychisch nicht. Er leidet.“
Ein Buch, so hofft Kader K., werde ihr jetzt helfen, das grausame Geschehen zu verarbeiten. Die 29-Jährige hat dazu dem Hamelner Journalisten Ulrich Behmann stundenlang aus ihrem Leben erzählt, aus der schrecklichen Zeit, als ihr Mann ihr nach der Hochzeit das Leben mit Schlägen und Demütigungen zur Hölle machte. „Für ihn sind Frauen Sklaven“, sagte sie vor Gericht. Sie trennte sich. Es folgte ein Streit ums Sorgerecht für den Jungen sowie um Unterhalt. Eine Unterhaltspfändung führte schließlich zu dem Verbrechen.
Schreiben als Form der Therapie
„Es tat mir gut, dass ich für das Buch alles erzählen konnte“, sagt die junge Frau heute. „Es war für mich eine Art Therapie.“ Genauso wichtig sei ihr aber noch etwas anderes: „Ich will damit auch andere Frauen ermutigen, sich nicht mehr unterdrücken zu lassen, sich nicht mehr alles gefallen zu lassen von Männern, die gewalttätig und egoistisch sind.“
Autor Behmann, der als Lokaljournalist in Hameln den „Fall Kader K.“ gut kennt, hat das Erzählte und die aus den Ermittlungen der Polizei und dem Strafprozess bekannt gewordenen Fakten zum Roman „Novemberwut“ verarbeitet. „Ein Sachbuch wäre langweiliger und dem Fall weniger gerecht geworden“, sagt Behmann. „Aber fast alles, was im Roman erzählt wird, ist real.“
Ihre Familie habe ihr Mut zu dem Buchprojekt gemacht, sagt Kader K. Ihrer Mutter, die als Analphabetin leider nicht lesen könne, werde sie das Buch aber auf keinen Fall vorlesen. „Ich möchte nicht, dass sie das Schreckliche noch einmal nacherleben muss.“
Sie selbst sei dankbar, dass viele Menschen ihr nach der Tat mit Zuwendung und Spenden geholfen hätten, sagt die 29-Jährige, die sich als gläubige Muslima bezeichnet. „Und ich bin Gott dankbar, dass sie noch lebe. Ohne ihn wäre ich nicht mehr da.“ (dpa)