Cosa NostraSie kämpft gegen die Mafia, ihr Bruder arbeitet für einen Clan

Settimo Mineo (M), angeblicher Anführer der Cosa Nostra auf Sizilien, wird von Zwei Polizisten abgeführt.
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- Giuseppe Costa, 53 Jahre alt, dreifacher Familienvater und offiziell Maurer, ist der Rosarias Bruder.
- Am 23. Mai 1992 wurde der Ermittler Giovanni Falcone, Rosarias Ehemann, mit einer Bombe in die Luft gejagt.
- Sollten die Vorwürfe bestätigt werden, sei Rosaria Costa bereit, ihren Bruder zu verstoßen.
Palermo – Auf den ersten Blick war die Festnahme nichts Besonderes. Die Beamten der Antimafia-Einheit von Palermo hatten am Dienstag fünf Männer dingfest gemacht. Ihnen wird die Bildung einer Mafia-Vereinigung vorgeworfen, sie sollen Kleinunternehmern Schutzgeld abgepresst haben. Im Arenella-Viertel von Palermo ist das auch im Jahr 2020 keine Seltenheit.
Dann stellte sich heraus, um wen es sich bei einem der fünf Festgenommenen handelte. Giuseppe Costa, 53 Jahre alt, verheiratet, dreifacher Familienvater und offiziell Maurer, ist der Bruder einer der bekanntesten Antimafia-Aktivistinnen Italiens. Die Cosa Nostra entzweit Familien, bis heute.
Rosaria Costa erfuhr am selben Tag von der Festnahme ihres Bruders. Am Mittwoch rief sie ihn auf, mit der Justiz zusammen zu arbeiten: „Er muss mit den Staatsanwälten kooperieren, seine Schuld eingestehen und jedes noch so kleine Geheimnis lüften!“, forderte Costa. Zwei Jahre lang hatten die Ermittler die Telefone der Mafiosi abgehört.
Die Geschwister standen auf zwei verschiedenen Ufern desselben Flusses
Giuseppe war kein besonders einflussreicher Mafioso, aber er hatte sein Gewicht im Viertel. Schutzgelderpressung, er kümmerte sich um die inhaftierten Bosse, war Kassenwart des Clans und stand in den Diensten von Gaetano Scotto, einem geheimnisumwitterten Boss in Palermo. Der Kontakt zur Schwester war gleich null, die Geschwister standen auf zwei verschiedenen Ufern desselben Flusses, der die sizilianische Gesellschaft bis heute teilt.
Das Jahr 1992 spielt dabei eine wesentliche Rolle. Am 23. Mai wurde auf dem Weg vom Flughafen nach Palermo der Ermittler Giovanni Falcone mit einer Bombe in die Luft gejagt. Seine Frau und vier Leibwächter Falcones kamen ums Leben, darunter auch Vito Schifani, der Ehemann von Rosaria Costa. Das Attentat von Capaci wurde zur Wegscheide in der italienischen Geschichte. Falcone war offenbar geheimen Abmachungen zwischen Cosa Nostra und Staatsvertretern auf der Spur und sollte deshalb aus dem Weg geräumt werden. Rosaria Costa, die junge Polizisten-Witwe rührte Tage später auf der Trauerfeier das ganze Land.
Dramatischer Appell zur Veränderung
Mit tränenerstickter Stimme flehte die damals 22-Jährige die Männer der Cosa Nostra zur Umkehr an: „Auch euch kann vergeben werden. Ich vergebe euch, aber dafür müsst ihr niederknien.“ In einem dramatischen Appell rief Costa die Mafiosi zur Veränderung auf, „cambiare“, „cambiare“ war das mehrfach wiederholte Schlüsselwort. Die Trauergemeinde applaudierte stürmisch. Es war das erste öffentliche Aufbegehren gegen die Mafia auf Sizilien, der heftige Applaus stand für das Erwachen der Zivilgesellschaft. Die Witwe zog mit ihrem vier Monate alten Sohn nach Ligurien. Bis heute geht sie in Schulen, um Kinder zur Zivilcourage zu animieren. „ Ich verstehe nicht, wie er in die Falle tappen konnte“, sagt Costa über ihren Bruder.
Die Festnahme war ein Schock für Rosaria Costa – und zeigt, durch welche engen Bande Opfer und Täter manchmal verbunden sind. Giuseppe Costa war in der Cosa Nostra anerkannt, weil er sich offenbar intern von seiner Schwester und ihrem Engagement distanziert hatte. „Für mich ist es, als sei er gestern gestorben“, zitierte La Repubblica seine Schwester am Mittwoch. „Ich bin tief erschüttert, aber die Mafia wird mich nicht bremsen“, fügte sie hinzu.
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Sollten die Vorwürfe bestätigt werden, sei sie bereit, ihren Bruder zu verstoßen. Auch Rosaria Costas Sohn meldete sich zu Wort. Emanuele Schifani war vier Monate alt, als die Cosa Nostra seinen Vater tötete. Der 28-Jährige arbeitet bei der Finanzpolizei. Wer auf Sizilien bleibe, der komme ums Leben oder werde wie sein Onkel, sagte er. Um die Mafia zu bekämpfen, müsse man Sizilien verlassen. „Man muss sich neu organisieren und dann mit neuer Kraft zurückkehren.“