Das andere FestWeihnachten 2020 ist eine große Herausforderung für alle

Auch in Brooklyn kommem die Schneemänner ins Schwitzen, bei dem Gedanken an das diesjährige Weihnachtsfest.
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Köln – Es ist ein Jammer. Jedes Jahr moniert Vater, dass unser Strohstern auf dem Baum zu kümmerlich sei. Nun haben wir alle unsere Ersparnisse zusammengetan und einen ausgewachsenen Stern angeschafft, der vermutlich bis ins Heilige Land, mindestens aber nach Köln-Nippes strahlen wird. Und nun können die Eltern nicht kommen, um begeistert Beifall zu zollen. Schöne Bescherung.
Weihnachten, das ist ein Früher und ein Heute. Früher, das sind die Kindheitserinnerungen mit kratzendem Pulli, elektrischer Eisenbahn unterm Baum und einem beeindruckenden Stern auf demselbigen. Heute, das heißt, selbst Gastgeber zu sein, eine lange Tafel anzurichten, zu schmücken, ganz schön Stress mit dem Braten zu haben und jede Menge Abwasch danach. Heute, das sind jetzt schon bald 20 Jahre. Und nun gesellt sich ein Corona-Fest dazu, das alles anders macht. Das Virus erfordert Abstand und ermöglicht nur einen Kurzbesuch bei den Eltern an den Feiertagen. Zumal keine Herberge öffnet, Maria und Josef hätten sich nicht so leicht abspeisen lassen.
Das härteste Weihnachten seit dem Zweiten Weltkrieg hat Landesvater Armin Laschet ausgerufen. Er war nicht dabei, als Vater mit dem Bus im Graben landete und der Autor dieser Zeilen als Zivildienstleistender Senioren versehentlich im Schneegestöber stehen ließ. So gesehen kann dieses Mal nicht viel anbrennen. Außer der Putenoberkeule, dem traditionellen Kompromissgericht der Familie. Besondere Maßnahmen: Der Kirchgang wird durch einen Rheinspaziergang ersetzt, die Bescherung um eine Zoom-Konferenz erweitert. Der Strohstern soll schließlich weit strahlen.
Jens Meifert
Feiern ohne Omas Lachen
Selbstproduzierte Flöten- und Klaviermusik, etwa zwanzig verschiedene Stimmen, die durcheinanderreden, Hundegebell und das laute, sirenenähnliche Lachen meiner Oma, das alle anderen Geräusche übertönt – so in etwa klingt Weihnachten normalerweise bei der Wirts-Sippe. Dieses Jahr wird es kleiner und ruhiger, vielleicht auch besinnlicher. Ein stilles, beschauliches Fest bloß mit den Eltern und der jüngeren Schwester. Vielleicht ist ein Anstoßen mit einzelnen Verwandten im Garten drin. Für den Kurzbesuch beim Opa unterzieht sich die ganze Familie vorher einem Antigen-Schnelltest. Also: In diesem Jahr ist alles doch sehr anders . Zum Glück gibt es trotzdem einige Traditionen, die auch zu Corona-Zeiten Bestand haben: Weihnachtsbaum „Willy“ hat 2020 überlebt und wird wie immer für die Festtage aus dem Garten geholt. Und die vegetarische Alternative zum Braten – Käsefondue – können wir uns auch zu viert schmecken lassen.
Ronja Wirts
Traditionell
Seit über 20 Jahren treffen meine Frau und ich uns an Weihnachten mit Freunden aus Studientagen. Die schöne Tradition hat dieses Mal leider Pause. Auch der Jahresausklang kurz vor dem Fest mit den Nachbarn, wo Reibekuchen gebrutzelt werden und es selbst gemachten Glühwein gibt, ist ausgefallen. In die Christmette gehen wir unter den Umständen ebenfalls nicht. Doch der Rest ist zum Glück Corona-konform und traditionell wie immer: Heiligabend mit der eigenen Familie feiern und an den Weihnachtstagen die Eltern besuchen.
Michael Fuchs
Alles eine Frage der Organisation
Für die Weihnachtsfeiertage galt bei uns schon immer: Organisation ist alles. Mein Frau hat vier Geschwister, ich habe vier Geschwister. Es gibt viele Kinder und inzwischen auch die ersten Enkel. Wenn alle zusammen feiern, kommen wir schnell auf die Besucherzahl eines Kreisligaspiels. Das ist schon in normalen Zeiten eine Herausforderung. Schon Monate vor dem Fest wird daher diplomatisch hin und her überlegt: Wer feiert wann mit wem und wo? Das schien geklärt: Meine Geschwister, über ganz Deutschland verteilt, wollten diesmal am ersten Weihnachtsfeiertag zu uns nach Köln kommen.
Dann gab es den milden Lockdown, und wir verabredeten uns zu einer Zoom-Konferenz, um näheres zu besprechen. Dürfen wir überhaupt so feiern, wie wir das geplant haben? Und selbst wenn alles legal ist: Ist es zu verantworten? Eine längere Debatte ohne Ergebnis. Die Skeptiker unter uns befürchteten, dass die Infektionszahlen weiter ansteigen. Einige Tage später erhielten sie recht, die Einschränkungen wurden noch einmal verschärft, die nächste Zoom-Konferenz in der Geschwisterrunde war fällig. Sie dauerte nur kurz. Jedem war klar: Das ganz große Familientreffen wird es nicht geben.
Das Ende vom Lied: Meine drei Schwestern feiern Weihnachten zuhause, mein Bruder kommt mit Frau und zwei Töchtern am ersten Weihnachtsfeiertag bei uns vorbei. Mit Abstand und allem, was dazu gehört.
Nächstes Jahr Weihnachten ist Corona hoffentlich kein Thema mehr. Einfacher wird die Planung dann aber auch nicht. Im September geht meine jüngste Schwester mit ihrer Familie für fünf Jahre nach Washington. Das wär doch mal was: Weihnachten in den USA.
Stefan Sommer
Gesang auf dem Balkon
Gesungen und musiziert wird auf dem Balkon. Dies ist das Ergebnis des hoffentlich allerletzten innerfamiliären Abwägungsprozesses, einem schon fast zur Routine gewordenen Ausloten zwischen pandemischer Sorgfalt und weihnachtlicher Tradition. Es wird ein denkwürdiges Fest werden, so viel steht fest, die Großeltern haben bereits angekündigt, den Heiligen Abend mit Mundschutz verbringen zu wollen. Zumindest bis Gulasch, Rotkohl und Klöße auf dem Tisch stehen. Auch das ist das Resultat eines langen Nachdenkens des Schwiegervaters über die eigene Gesundheit und die Sehnsucht nach den Enkelkindern.
Schon in der Krippe in Bethlehem haben sie damals keine rauschende Party gefeiert, im berühmtesten deutschen Weihnachtslied ist sehr deutlich vom einsamen Wachen des hochheiligen Paares die Rede. Das alljährliche Krippenspiel in der Kirche findet dieses Mal nicht statt, nun wird die Krippe das Ziel unseres alternativen Nachmittagsspaziergangs sein.
Die Andersartigkeit des diesjährigen Weihnachtsfests wird sich vor allem am ersten Feiertag ins Gedächtnis brennen wie die Kerzen am Tannenbaum, denn die große Familienfeier wird als Videokonferenz zelebriert. Ende November haben wir diese Variante des virtuellen Beisammenseins schon mal bei einem Geburtstag getestet. Es funktioniert. Nur beim Anstoßen sollte man ein Handtuch über die Tastatur des Laptops legen.
Thorsten Moeck
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Matthias Hendorf